Gerechtigkeit versus Tradition ÖFB zeigt Vienna die rote Karte

Foto: Beigestellt
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Fußball ist eine der emotionalsten Sportarten überhaupt. Wenn es um Gerechtigkeit geht, ist für Gefühle aber kein Platz. Auch dann nicht, wenn die Causa den ältesten Traditionsklub des Landes betrifft. Oder doch? Für den First Vienna FC sieht es jedenfalls nicht gut aus. Noch in dieser Saison könnte der Abstieg drohen. Thomas Hollerer vom ÖFB erklärte gegenüber alles roger? warum das so sein muss.


Text: Martina Bauer

 Es ist gar nicht so leicht, das Tohuwabohu rund um die Vienna zu durchschauen. Der älteste österreichische Fußballklub ist finanziell arg ins Schleudern geraten (alles roger? berichtete) und musste Insolvenz anmelden. Dann stellten sich mit Uniqa und Raiffeisen zwei neue Sponsoren ein und das Überleben war gesichert. Der Klassenerhalt allerdings nicht.

 Vereine wünschten sich Bestimmung

Eine Bestimmung des ÖFB, die es erst seit dieser Saison gibt, besagt, dass ein Klub, der Insolvenz angemeldet hat, absteigen muss. Das haben sich die Vereine so gewünscht, und auch beim ÖFB und in den Verbänden erachtet man das für den geregelten Verlauf einer Meisterschaft sinnvoll. Trotzdem ist die Vienna nicht abgestiegen, weil die wirklich wichtigen Matches des Vereins derzeit vor Gericht gespielt werden. Und auch dort ist man sich nicht einig.

Ein Urteil wurde für die Vienna und deren Verbleib in der Regionalliga Ost gefällt. Zumindest so lange, bis der OGH am Zug ist. Ein anderes wiederum hat der Bestimmung und damit dem ÖFB Recht gegeben. Seither heißt das Match: ÖFB gegen die Vienna. Die Fans verstehen die Fußballwelt nicht mehr. "Ein Dachverband muss doch die Vereine schützen, und dann geht der ÖFB gegen so einen Kultverein vor. Das soll einer verstehen", so ein aufgebrachter Fan. ÖFB-Generalsekretär Thomas Hollerer sieht das naturgemäß anders, wenngleich sich auch er wünscht, dass die Vienna, oder auch der GAK, eine wichtige Rolle spielen und der heimischen Kicker-Landschaft erhalten bleiben sollten.

 Gerechtigkeit steht über Emotionen

Trotzdem muss für ihn die Gerechtigkeit über der Emotion stehen. Dazu erklärte er gegenüber alles roger?: "Wir haben in dieser Causa das Problem der Gleichbehandlungsfrage. Wenn es eine Bestimmung gibt, die bei Insolvenzeröffnung eine Folge vorsieht, muss das bei allen Vereinen angewandt werden. Das ist eines der wichtigsten Prinzipien in einem Wettbewerb. Jetzt muss der OGH ein Urteil sprechen. Der ÖFB ist nicht gegen die Vienna, sondern für die anderen Vereine, für die Gerechtigkeit."

Dass die Vienna zwei potente Sponsoren gefunden hat, fällt für Hollerer dabei nicht ins Gewicht. Die Schwierigkeit sei, dass sich die Vienna im Insolvenzverfahren ja mit einer 30-prozentigen Quote entschuldet hat. Aus dem Insolvenzfonds wurden auch die Spielergehälter abgedeckt. Damit musste der Verein nicht zahlen, was vereinbart war, sondern eben nur 30 Prozent davon. Das ist ein klarer Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen Vereinen.

 Real und Barca müssten in die Landesliga

Ein Argument, das die Fans nicht gelten lassen möchten. Sie sehen nicht ein, warum Österreich immer so musterknabenhaft sein muss. International geht's ja auch anders. Wenn man in die spanische Liga und dort auf die Schuldenberge der Aushängeschilder Real Madrid und Barcelona schaut, dann wird klar, dass die in Österreich nie und nimmer eine Lizenz erhalten würden. Die Champions-League-Helden müssten bei uns in der Landesliga "herumdümpeln".

Dabei ist die Vienna primär durch eine Verkettung unglücklicher Umstände, wie das völlig überraschende Ableben des Präsidenten, undurchsichtige Sponsoren-Knebelverträge und ähnliches in finanzielle Turbulenzen geraten. Vor Gericht spielen die Gründe aber keine Rolle. Insolvenz ist Insolvenz. Und da diese ÖFB-Bestimmung so neu ist, sind auch Vergleiche nicht zulässig. Wie etwa mit Rapid: Der Rekordmeister schrammte seinerzeit vor dem Börsengang knapp am Konkurs vorbei.

Dazu sagt Hollerer: "Der einzige Grund, warum diese Causa damals nicht so ausgegangen ist, ist die Bestimmung, die es damals noch nicht gab. So wie vor drei Jahren, als Ritzing insolvent war. Damals hieß es, der ÖFB schaut nur zu. Die Vienna hat in diesem Fall auch die Zurückreihung von Ritzing gefordert und die gleichen Argumente gebracht, die wir heute gegen sie haben."

 Fans orten politische Machenschaften

Dass sich die Leidenschaft aber immer über jede noch so plausibel erklärte Gerechtigkeit erheben kann, ist keine Exklusivität, die dem Fußball vorbehalten ist. Dennoch ist sie dort besonders stark ausgeprägt. Kein Vienna-Fan will sich den drohenden Zwangsabstieg ausmalen. Viele sind davon überzeugt, dass der Verein aus politischen Motiven zu Fall gebracht werden soll.

Immer wieder ist es die in Europa einzigartige Naturarena, die auch kostbare Baugründe abgeben würde, die ins Treffen geführt wird. Klar würden die der Stadt Wien einen dicken Batzen Geld einbringen, aber ein Abstieg muss ja auch nicht zwangsläufig der Todesstoß für den Verein bedeuten. "Es kann zwar sein, wenn das der OGH so entscheidet, dass die Vienna noch während dieser Saison absteigen muss, aber selbst dann könnten sie sich aus der 2. Landesliga, wo auch die 1b-Mannschaft der Vienna spielt, wieder hocharbeiten", so Hollerer.

 Retorten-Vereine statt Kult

Ein Szenario, das das blau-gelbe Herz bluten lässt. Für den strapazierten Vienna-Fan gibt's sowieso keine Gerechtigkeit im Fußball. Seiner Meinung nach sind solche Bestimmungen nicht dienlich, wenn ein Traditionsverein nach dem anderen krachen geht. Das wiederum ist der Nährboden für Retorten-Vereine wie den FC Karabakh Wien. Eine Mischung aus Breitensee Wat16, WS Ottakring, mit der Verbandsmeldung des SC Kaiserebersdorf-Srbija 08 - übernommen von aserbaidschanischen Investoren. Aktuell spielt Karabakh Wien, so wie die Vienna, in der Regionalliga Ost. Das erklärte Ziel ist die Bundesliga, und zwar per Durchmarsch.

So etwas ist Anhängern von Kultvereinen natürlich ein Dorn im Auge, und das hat gar nicht so viel mit den Geldgebern aus Aserbaidschan zu tun. Das war damals bei Red Bull nicht anders und viele Fans, vor allem die traditionsbewussten Rapidler, haben dieses Geld-frisst-Tradition-Szenario heute noch nicht überwunden. Hollerer sieht das etwas nüchterner und in derartigen Geschäften kein Problem. Er meint: "Der Verein Karabakh hat das gleiche Recht wie die Vienna."

So hat er gesprochen, der ÖFB-Generalsekretär, der im Oktober 2003 im Verband als Leiter der Rechtsabteilung durchstartete. Der Jurist kann und darf es sich nicht erlauben, Emotionen aufkommen zu lassen. Ob nun die Emotionen und die Leidenschaft der Fans, oder doch das Geld den Fußball regieren, darüber wird sicher noch länger gestritten, als in der Causa Vienna vor Gericht. Noch gibt's vom OGH aber keinen Verhandlungstermin ...

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