Franz-Joseph-Land: Eine österreichische Heldengeschichte

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"Nie zurück" ? So lautet der Titel eines beeindruckenden Gemäldes im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum. Es wurde von Julius Payer gemalt, einem der Leiter einer dramatischen österreichischen Arktisexpedition, die einer unwirtlichen und mit Eis bedeckten Inselgruppe ihren Namen gab: Franz-Joseph-Land. Dabei handelt es sich um eine der spektakulärsten Mannschaftsleistungen der Polargeschichte. Das nur 900 Kilometer vom Nordpol entfernte und aus 191 Inseln bestehende Land ist heute Teil der Russischen Föderation.


Text: Helmut Neuhold

 Zwei Dutzend Männer kämpften sich verzweifelt durch die arktische Eiswüste. Die meisten wollten mehrmals aufgeben, doch die beiden Führer dieser Expedition ins ewige Eis behielten ruhiges Blut: Julius Payer und Carl Weyprecht. Sie wollten anderen Großmächten nicht alleine die Arktisforschung überlassen. Österreich-Ungarn sollte im Norden Flagge zeigen. Der eigentliche Initiator, Johann Nepomuk Graf Wilczek (1837 - 1922), war eine der schillerndsten Persönlichkeiten der späten Monarchie. Der vermögende und gebildete Mann bezahlte einen großen Teil der Kosten für den Bau und die Ausrüstung des Expeditionsschiffes Admiral Tegetthoff.

 Arzt, Marineoffiziere und Schlittenhunde

Die Tegetthoff war eine hölzerne Schonerbark mit einer Dampfmaschine mit 100 PS und einem verstärkten Rumpf zur Vermeidung von Eispressungen. Die Besatzung bestand aus 24 Männern aus fast allen Teilen der Monarchie und einem norwegischer Harpunier. Weyprecht und Payer teilten sich das Kommando zu Wasser und zu Land und hatten sich verpflichtet, sich wechselseitig unterzuordnen. Mit an Bord waren auch auch ein Arzt, zwei Marineoffiziere, zwei Tiroler Bergführer und sieben Schlittenhunde. Payer und Weyprecht waren charakterlich recht unterschiedlich, doch schweißte sie die Leidenschaft für die Polarforschung zusammen.

 Im ewigen Eis eingeschlossen

Die Tegetthoff lief am 13. Juni 1872 bei Bremerhaven aus und fuhr entlang der Küsten Norwegens nach Norden. Doch schon bald war das Schiff völlig vom Eis eingeschlossen. Weyprecht schrieb: "Am 22. August um Mitternacht hatte uns das Eis erfasst, vergeblich war jegliche Bemühung, uns aus den Banden zu befreien, mit denen es uns umschlungen hielt..." 

Das gefangene Schiff wurde nun in einer mehrmonatigen Drift weit über die nördliche Spitze der Insel Nowaja Semlja hinausgetrieben. Weyprecht, Payer und ihre Männer nutzten die Zeit, um meteorologische und astronomische Messungen zu machen. Außerdem versuchten sie einige Male erfolglos, sich den Weg freizusprengen.

Erschwerend kam hinzu, dass mit Winterbeginn die Zeit der Eispressungen begann. Dadurch war das Schiff immer in Gefahr, zermalmt zu werden. In der langen Polarnacht sanken die Temperaturen auf minus 46 Grad. Dennoch waren die Männer nicht hoffnunglos. Payer und besonders Weyprecht taten alles, um die Stimmung nicht kippen zu lassen. So überstanden sie ihren ersten Polarwinter.

 Wieder monatelanges Warten

Im Sommer darauf bemerkten die Männer, dass sich eine riesige Eisscholle unter das Schiff geschoben hatte. Auf dieser trieben sie nach Norden. Am 30. August 1873 lichtete sich der Nebel, der die Tegetthoff die meiste Zeit umgab, und mit einem Mal sahen die Männer "den Anblick eines strahlenden Alpenlandes". Jubel brach aus, doch erst am 2. November war die Tegetthoff so nahe, dass sie die Inselgruppe betreten konnten.

Sie nannten sie Franz-Joseph-Land, und die erste Insel, die sie betraten, Wilczek-Insel. In einer Steinpyramide deponierten sie ein Fass mit einem Bericht über die Neuentdeckung. All das wurde 1991 gefunden und befindet sich nun im Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven.

Payer und Weyprecht unternahmen mit ihren Leuten viele Schlittenreisen und Expeditionen zu Fuß. Das ganze Gebiet wurde kartografiert und viele Daten gesammelt. Der Maschinist Otto Krisch führte ein Tagebuch, das eine interessante Quelle darstellt. Er notierte viele Details, beschrieb die Spannung und Ungewissheit und dokumentierte auch seinen körperlichen Verfall durch eine Erkrankung.

Krisch starb im März 1874 an Lungentuberkulose und wurde an der Küste der Wilczek-Insel begraben, im damals nördlichsten Grab der Welt. Er blieb das einzige Todesopfer der Expedition, was bei sonstigen Verlusten bei Polarexpeditionen eigentlich ein Wunder war. Weyprecht beschrieb später, wie großartig die Disziplin auf der Tegetthoff war. Nie wurde jemand bestraft und alle hätte ein Ehrgefühl verbunden.

Ende März 1874 machte sich Payer mit Schiffsfähnrich Orel und dem Matrosen Zaninovich auf den Weg nach Norden. Sie wollten den 82. Breitengrad erreichen, um den nun seit fast 50 Jahren bestehenden Rekord des britischen Polarforschers Ross zu brechen. Nach einem sehr anstrengenden Marsch von 17 Tagen erreichten sie am 12. April 1874 den nördlichsten Punkt des Archipels, den sie Kap Fligely nannten.

 Schiff Tegetthoff zurückgelassen

Weyprecht entschied sich, keinen dritten Winter auf der Tegetthoff zu riskieren, was den Expeditionsteilnehmern wohl das Leben rettete. Er und Payer ließen alles Lebensnotwendige und die Aufzeichnungen in drei Beibooten verstauen. Diese wurden dann auf Schlitten gesetzt und nach der Verabschiedung von dem Schiff, das ihnen einige Jahre lang Heimat gewesen war, marschierten die Männer am 20. Mai 1874 los.

Sie schoben und zogen die Boote viele Kilometer über die endlose Eisfläche in Richtung Süden - in der Hoffnung, irgendwann vor dem Nachlassen der letzten Kräfte das offene Meer zu erreichen. Während der ersten Tage kehrte Payer jeden Tag zum Schiff zurück, um den Proviant zu ergänzen, während die anderen Männer die Boote mühsam vorwärts schoben. Dabei entdeckten sie am neunten Tag ihres anstrengenden Marsches die Lamont-Insel, wo sie eine Flaschenpost hinterließen, die über hundert Jahre später gefunden wurde.

Ungünstige Winde und die Norddrift der Eismassen trugen sie immer wieder zurück. Am 4. Juni kehrte Weyprecht zum letzten Mal zur Tegetthoff zurück, um das vierte Beiboot zu holen. Danach kämpften sie sich weiter durch die Schnee- und Eiswildnis. Als sie sich trotz scheinbar zügiger Fortbewegung am 15. Juli wieder auf der Höhe der Lamont-Insel befanden, herrschte großer Schrecken. Man hatte sich trotz aller Anstrengungen nur 22 Kilometer vom Ausgangspunkt wegbewegt. Einige gerieten in Panik und wollten wieder zurück zum Schiff. Doch Weyprecht konnte die Mannschaft dazu bewegen, weiter nach Süden zu marschieren.

 Dank Robbenspeck überlebt

Es galt, Lebensmittel zu sparen, und die Leute mussten sich an den Geschmack von Tran und rohem Fleisch gewöhnen. So aßen die Männer zum Beispiel Robbenspeck, für dessen Nachschub Payer als unermüdlicher Jäger sorgte. Am 14. August, als kaum mehr einer Hoffnung hatte, erreichten sie die offene See, da in diesem Jahr die Eisgrenze weit nach Norden gerückt war. Auf dem Eis hatten sie insgesamt 556 Kilometer, in Luftlinie aber nur 242 Kilometer zurückgelegt. Nun fuhren sie durch die unruhige See in Richtung Süden. Am 18. August legten sie in einer Bucht auf Nowaja Semlja an, um sich an der so lange entbehrten Vegetation zu laben.

Am 24. August 1874 wurden die Männer von einem russischen Fischereischoner an Bord genommen, als gerade der Proviant verbraucht war. Sie wurden zum Nordkap gebracht und  konnten mit dem Segler Finnmarken nach Hamburg weiterreisen. Sie waren trotz der Strapazen in einem überraschend guten Zustand. Die Nachricht ihrer Rettung reiste ihnen voraus, und die Männer der Tegetthoff wurden überall wie Helden gefeiert - vor allem natürlich bei ihrer triumphalen Ankunft in Wien.

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