Beim Wiener Roten Kreuz brodelt es hinter den Kulissen, denn es stehen laufend Kündigungen von Sanitätern im Raum. Die Verantwortlichen schieben die gesamte Schuld auf die privaten Rettungsdienste, doch alles roger? hat durch einen Mitarbeiter der Organisation auch ganz andere Dinge über die Gründe des finanziellen Desasters des Roten Kreuz erfahren. Unsere Recherchen lassen den Blaulichtfunk nicht mehr wirklich als Opfer erscheinen.
Text: Roland Hofbauer
Jeder dritte Sanitäter wird gekündigt. Das Wiener Rote Kreuz muss sparen: 35 von 120 Sanitätern werden den Job verlieren. Das Frühwarnsystem beim AMS ist bereits aktiviert worden." So und ähnlich titelten Tageszeitungen in den letzten Wochen. Dann schickten wir von alles roger? die untenstehenden kritischen Fragen ans Rote Kreuz. Wie wir hörten, hat das bei der Geschäftsführung riesige Wellen geschlagen. Am 18. August berichteten Medien, dass es doch keine Kündigungen beim Roten Kreuz in Wien geben wird. Vielleicht haben wir ein bisschen dazu beigetragen.
Generell hat nicht nur das Rote Kreuz Probleme, sondern auch andere Organisationen wie Malteser, Samariter und Johanniter. Trotz allem brennt bei keinem Rettungsdienst so der Hut wie beim Roten Kreuz. Die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) verlagere seit mehreren Jahren aus Kostengründen immer mehr Krankentransporte von den Rettungsdiensten auf private Fahrtendienste, heißt es in einem Beschwerdebrief der vier Wiener Rettungsdienste an SPÖ-Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger. Nur mehr 19 Euro statt 67 Euro will man aktuell für einen Krankentransport bezahlen.
Über natürliche Abgänge könne das einfach nicht mehr ausgeglichen werden, hieß es damals. Statt qualifizierter Rettungsdienste würden gewinnorientierte Mietwagenunternehmen betraut, deren Mitarbeiter oft keine richtige Ausbildung haben, sondern nur einen Erste-Hilfe-Kurs. Das ist natürlich nur die eine Seite der Medaille, denn es hat sich ein wichtiger Mitarbeiter des Roten Kreuzes bei alles roger? gemeldet, der schwere Anschuldigungen gegen die Organisation vorbringt. Genau diese Behauptungen haben wir an das Rote Kreuz weitergeleitet und um eine Stellungnahme gebeten.
Hier die schriftlichen Anschuldigungen des Mitarbeiters:
1. Das Wiener Rote Kreuz (WRK) besitzt zahlreiche Immobilien, so auch an Luxus-standorten wie in der Wiener Innendstadt (mit Werten im zweistelligen Millionenbereich). Ein wesentlicher Teil dieser Immobilien hat mit dem Geschäftsgegenstand von Rettungsorganisationen nichts zu tun.
Teilweise stehen diese für die gewerbliche Vermietung gedachten Immobilien seit langem halbleer. Wozu das Wiener Rote Kreuz am Mietmarkt mitmischt und schlecht verwaltet, ist nicht bekannt. Mit dem Inhalt einer Rettungsorganisation hat all das jedenfalls nichts zu tun, schon gar nicht, wenn es um Verluste geht.
2. Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Rotes Kreuz und Co. unterhalten zahlreiche eigene Gesellschaften, etwa für Einkauf, Vermietung, Essenszustellung, Pflegebettenvermietung und vieles mehr. Immer mehr mutieren Blaulichtorganisationen, sowohl in Wien, als auch in ganz Österreich, zu Konzernen und drängen in Geschäftsfelder, die mit ihrer Kernaufgabe nichts zu tun haben.
Vielfach konkurrieren die eigenen Gesellschaften mit denselben Geschäftsfeldern untereinander, desorganisiert und machtbesessen. Das Management ist überdurchschnittlich bezahlt, zumindest in Wien.
3. Das Wiener Rote Kreuz hat 2015 völlig überteuert das Grüne Kreuz gekauft. Letzteres ist seit jeher eine private Gesellschaft für Fahrtendienste. Das Wiener Rote Kreuz drängt seit langem auf diesen Markt, der grundsätzlich nichts mit der Kernaufgabe des WRK zu tun hat.
Wirtschaftliches Desaster beim Grünen Kreuz, überteuerter Kaufpreis, veraltete Strukturen - ein Millionengrab.
4. Dezentrale bzw. föderalistische Systeme verschlingen durch intransparente Organisation Unsummen. Statt für den Rettungsdienst werden Millionen (auch Spendengelder) für die Tilgung von wirtschaftlichen Verlusten verwendet.
5. In Wien sind die Tarife, welche den Blaulichtorganisationen von Krankenkasse und Co. zugestanden werden, um ein Vielfaches höher als in den Bundesländern. Dennoch reichen selbst die vergleichsweise enorm hohen Abrechnungen den Rettungsorganisationen in Wien immer noch nicht. Wieso die Blaulichtorganisationen in den Bundesländern mit weit weniger Geld auskommen, ist nicht logisch erklärbar. In Wahrheit sind Misswirtschaft, fürstliche Gagen und Fehlinvestitionen dafür die Ursache.
Die jetzige Intrige gegen die Wiener Gebietskrankenkasse, gesteuert vom ASB mit dem Fonds Soziales Wien (FSW, Geschäftsleitung Peter Hacker) mit dem Wiener Roten Kreuz (Geschäftsleitung Alexander Lang) ist ein Beispiel für die Gier nach Geld und Macht. Dabei gehen sie offensichtlich über Leichen und wollen die Fahrtendienste, die ihnen seit 2013 ein Dorn im Auge sind, konzertiert vernichten. Über 1.000 Arbeitsplätze sollen dabei unter der Leitung von der amtsführenden Wiener Stadträtin Sandra Frauenberger und ihrem "Dobermann" Hacker vernichtet werden.
6. Der Fonds Soziales Wien schanzt bereits seit geraumer Zeit unter der Hand zahlreiche Geschäfte dem Arbeiter-Samariter-Bund zu. Beides sind Organisationen der SPÖ, beziehungsweise sind sie dieser nahestehend. Das geschieht auch mit Wissen der Gewerkschaft.
Gleichzeitig möchte der FSW mit dem KAV (Wiener Krankenanstaltenverbund) eine Superleitstelle für sowohl die Blaulichtorganisationen als auch für die Fahrtendienste errichten, die ihnen die Macht und vorrangig ihrem ASB das Geschäft bringt. Millionen werden dabei für die Entwicklung von Softwareprogrammen investiert - für Programme, die es im privaten Bereich bereits gibt und deren Zugang faktisch kaum mit Kosten verbunden wäre. Es werden auch in diesem Bereich SPÖ-Günstlinge finanziert. Sowohl FSW als auch der KAV haben dazu nachweislich keinerlei Kompetenz.
Hacker (Geschäftsführer vom Fonds Soziales Wien, Anm.) versucht das derzeitige Vakuum in der Vorwahlzeit für seine Karriere zu nutzen. Gleichzeitig werden bereits jetzt von ihm Bereiche des Gesundheitswesens im Sinne der SPÖ (im Auftrag oder mit Wissen von Gesundheitsstadträtin Frauenberger) für die Zeit nach der Wahl rot zementiert. Das macht ihn, Hacker, für die Zeit nach der Wahl zu einer "festen Bank" der SPÖ. Häupl hat ihm bereits einmal in der jüngeren Vergangenheit den Posten des Stadtrates angeboten.
7. Die angeblich vom Wiener Roten Kreuz zu kündigenden Sanitäter werden zum Großteil umgeschult und in einem anderen Bereich bzw. in anderen Unternehmen der Organisationen wiedereingestellt. So erspart man sich offenbar so genannte Änderungskündigungen, um das eigene Gesicht zu wahren. Die Öffentlichkeit wird, wieder konzertiert mit FSW und Gewerkschaft, getäuscht. Übrigens nicht wiedereingestellt werden die älteren und damit teureren Sanitäter. Es ist offenbar eine brutale und unmenschliche Unternehmervorgehensweise.
8. Es hat bereits bei der Flüchtlingswelle 2015 ähnlich brutale Kämpfe um Geld gegeben. Die öffentliche Hand, somit der Steuerzahler, hat die Blaulichtorganisationen bei weitestgehend intransparenten und kaum nachvollziehbaren Abrechnungen subventioniert. Zuvor wurde zur Erreichung der Abrechnungsziele massiver Druck (unter anderem mit der Drohung, die Versorgung der Flüchtlinge sofort einzustellen) auf das Innen- sowie Finanzministerium ausgeübt.
9. Längst überfällige Reformen werden bei nahezu allen Rettungsorganisationen verweigert. Es ist offenbar alles Politik und ein Politikum. Zwar gibt sich das Wiener Rote Kreuz als unabhängig, de facto steht die Organisation ebenfalls der SPÖ nahe. Reformen scheinen daher nicht notwendig, denn die öffentliche Hand wird direkt oder indirekt dazu genötigt, die verkrusteten Verhältnisse zu erhalten.
Rotes Kreuz verweigert Antwort
Als Antwort auf diese Vorwürfe haben wir lediglich einen Anruf eines Pressesprechers des Roten Kreuzes bekommen, indem uns mitgeteilt wurde, dass man sich nicht äußern will. Zugegeben, wir haben uns nichts anderes erwartet, doch es macht schon nachdenklich, wenn so eine große Organisation nicht einmal einen einzigen Punkt entkräften will oder kann. Ein langjähriger Sanitäter brachte es so auf den Punkt: "Durch Misswirtschaft stehen bei dieser Kündigungswelle etliche Existenzen am Spiel. Das Motto des Roten Kreuzes heißt ja "Aus Liebe zum Menschen". Welchen Sinn ergibt dieses Motto dann, wenn nicht versucht wird, das Drohende abzuwenden? Es betrifft ja nur die Kleinen, die das Geld durch die Krankentransporte und Erste-Hilfe-Einsätze hereinbringen. Die Obrigkeit sitzt ja am sicheren Sessel, gespart wird immer nur unten." Die Kündigungswelle soll es jetzt doch nicht geben.
Da die Vorwürfe der Misswirtschaft gegen das Rote Kreuz so massiv sind und es maßgeblich auch von Spenden lebt, sollte die Organisation doch einfach von externen Prüfern, wie zum Beispiel dem Rechnungshof, unter die Lupe genommen werden, meinen Szenekenner. Bis dato prüft sich das Rote Kreuz nämlich selbst. Das wäre auch sicher ein spannendes Wahlkampf-thema. alles roger? bleibt auf jeden Fall dran.