Natalia Ushakova zählt zu den großen Diven der Oper, ihre Stimme ist genauso unverwechselbar wie der Charme und der Humor der gebürtigen Russin. Mit alles roger? sprach der internationale Star über Anna Netrebko, die russische Mentalität, Männer und über Fliegenpilze.
Interview: Roland Hofbauer
Sie gelten als eine der besten Opernsängerinnen der Welt. Was macht eine Weltklassesängerin aus?
Eine Weltklassesängerin muss authentisch sein und auf der Bühne leben, denn das was am meisten an der Oper gehasst wird, sind die falschen Gefühle. Du musst von dem, was du machst, besessen sein.?Man muss sich ständig weiterentwickeln, nie aufhören, zu lernen und sich zu verändern. Ohne Veränderungen kann man nicht bleiben, wie man ist!
Kann eigentlich jeder Opernsänger werden, wenn er seine Stimme hart genug trainiert, oder ist das ein gottgegebenes Talent?
Der russische Volksmund sagt, dass jeder Ochs eine Stimme hat und auch sehr laut brüllen kann. Heutzutage gibt es ausgebildete Opernsänger wie Sand am Meer, aber nur eine ausgebildete Stimme zu haben ist nicht genug. Viel wichtiger ist, was du zu sagen hast und was du mit der Kunst des Gesangs ausdrücken willst und kannst. Charisma, Individualität, Seele und die großen Emotionen, das ist es, was Musik wirklich ausmacht. Die Stimme dient nur als Transportmittel, als Ausdruck höchster Intensität. So gesehen ist es also wirklich ein gottgegebenes Talent.
Wie sieht ein Tagesablauf aus, wenn Sie ein Engagement haben??
Um auf den großen Bühnen der Welt vor Tausenden von Menschen ohne Verstärkung und ohne technische Hilfsmittel bestehen zu können, musst du ein sehr hohes Energieniveau haben, eigentlich solltest du unter ständigem Energieüberfluss "leiden". Das klingt vielleicht komisch aber Opernsänger sollten eigentlich wie Mönche leben und unglaublich diszipliniert sein, ansonsten ist eine Karriere schneller beendet als sie begonnen hat. Einmal habe ich bei dem Festival Weiße Nächte in St. Petersburg zwei Nächte lang durchgefeiert und getanzt, weil es Tag und Nacht immer hell war und die Sonne nie unterging. In dieser Zeit sang ich eine sehr dramatische Rolle, die Maria in Tschaikowskis Oper Mazeppa. Als ich auf die Bühne kam, war ich wie beflügelt, eine Leichtigkeit umgab mich und als ich den Mund aufmachte kam meine Stimme so laut und mächtig. Dirigent und Orchester waren sehr erstaunt, denn so toll hatte ich wohl kaum zuvor gesungen. Nach dieser grandiosen Vorstellung schlief ich dann in meiner Garderobe ein und eine Putzfrau weckte mich nach 24 Stunden, ich war wie im Koma ...
Sie haben 2001 die Österreichische Staatsbürgerschaft bekommen, fühlen Sie sich als Russin oder Österreicherin??
Ich fühle mich wie eine österreichische Russin oder wie eine russische Österreicherin.
Sie haben während Ihres Studiums in St. Petersburg mit Anna Netrebko zusammengelebt. Wie war das damals und wie ist Ihr Verhältnis zu ihr heute??
Das waren wilde Zeiten und wir waren alle wie verrückte Hühner. Da war alles dabei, von Rivalität, Eifersucht und Neid bis zu raffinierten Intrigen aber es gab auch große Freundschaften, Liebe und Solidarität. Große Träume, fanatische Karrieresucht, zügelloser Ehrgeiz und Welteroberungsfantasien waren in der Luft. Eine von vielen Geschichten davon kann ich erzählen. Ich war so glücklich, eine von den wenigen Abiturienten gewesen zu sein, die in diese Elitehochschule aufgenommen wurden. Nach der Aufnahme habe ich mit meinen Freundinnen gefeiert. Wir fuhren auf der Newa mit dem Schiff und wir aßen Unmengen von köstlichem Eis. Als es dann zum Konzert für die Neuankömmlinge kam, war ich ganz ohne Stimme und heiser. Der Dekan der Gesangfakultät wandte sich im Anschluss an meine Darbietung an die Kommission und meinte mit einem ironischen Lächeln: "Die habt ihr wohl wegen der schönen Beine aufgenommen ..."
Sie debütierten 2007 in La Traviata an der Wiener Staatsoper, haben aber weltweite Engagements. In welchem Haus singen Sie am liebsten und warum?
Eigentlich ist es egal, wo du singst. Viel wichtiger ist es, mit wem du singst, welche Menschen dich umgeben, auf der Bühne und im Orchestergraben. Am liebsten singe ich mit Placido Domingo, denn mit ihm fühle ich mich immer sehr wohl. Er ist ein grandioser Bühnenpartner und Mensch. Ganz wichtig natürlich ist das Publikum und mein liebstes Publikum ist das österreichische. Deswegen singe ich am liebsten in Österreich.
Mit welchem Star, egal ob Klassik, Rock oder Pop würden Sie gerne einmal einen Song aufnehmen und warum?
Ich habe oft mit dem Gedanken gespielt, mit Herbert Grönemeyer aufzutreten oder an der Seite von Hubert von Goisern zu jodeln. Ganz toll aber war meine Zusammenarbeit mit Wolfgang Ambros, eine echte Größe aus der österreichischen Popszene. Als wir uns kennenlernten und er mich zu einem seiner Konzerte einlud, hat er mir einmal ganz lieb einen Song gewidmet. Er sagte: "Und meinen nächsten Song widme ich meiner lieben Freundin Natalia Ushakova" und dann fing er an zu spielen Es lebe der Zentralfriedhof und alle seine Toten ... Das war ein Hammer und das Publikum bog sich vor Lachen.
Sie haben einen Österreicher geheiratet, obwohl Sie sicher auf der ganzen Welt Verehrer haben. Womit hat er Sie verzaubert oder sind Österreicher einfach die besten Männer??
Für mich sind Österreicher die besten Männer der Welt. Sie haben Humor, sind großzügig, verständnisvoll und trinken keinen Wodka...
Sie gelten als hervorragende Köchin. Wie wichtig ist Ihnen die klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau??
Mir macht es persönlich Spaß, zu kochen und ich kann mich dabei entspannen und gutes Essen mag ich auch... leider (lacht). In unserer Familie macht jeder, was ihm Spaß macht und dann fügt sich alles wie von selbst. Rollenverteilung finde ich grundsätzlich nicht gut, aber wenn es sich von selbst ergibt, bin ich total damit einverstanden.
Wie sehen Sie die angespannte Situation und die Sanktionen gegen Russland?
Alexander Newsky, ein russischer Nationalheld und Heiliger der orthodoxen Kirche, hat sich zu den Kreuzrittern einmal folgend geäußert: Wer zu uns mit dem Schwert kommt, wird durch das Schwert fallen. Es obliegt mir aber nicht, als Künstlerin politische Situationen zu beurteilen.
Gibt es auch österreichische Nachwuchstalente im klassischen Gesang oder hinken wir hier international hinterher?
Es gibt in Österreich sehr viele begabte Nachwuchstalente, das Problem liegt hier wohl eher in der Ausbildung. Jetzt gibt es aber neue Initiativen, wo schon kleine Kinder zum Singen animiert werden, wie zum Beispiel die Monsterfreunde unter der Leitung von Michael Wagenthaler. Kinder lieben es, zu singen und zu tanzen, sie lieben Musik. Wie ich gehört habe, haben die Gesangsstudenten in Österreich nur eine oder zwei Gesangsstunden pro Woche. Wir hatten in Russland an sechs Tagen in der Woche Gesangsunterricht, neben Ballett, Fechten, Bühnenbewegung, Schauspiel et cetera und waren ab dem ersten Studienjahr voll in das Opernstudio miteingebunden. Das macht wirklich sehr viel aus!
Sie haben ein Haus am Semmering, wie entspannen Sie dort?
Wenn ich in Österreich bin, verbringe ich wenn möglich jede freie Minute in der Natur. Ich liebe es, Pilze zu "jagen" und jeder Steinpilz bekommt dann auch einen Kuss von mir (lacht).
Stimmt es, dass Sie früher in Russland sogar Fliegenpilze gekocht und gegessen haben?
Hahaha... Das habe ich nicht gemacht, aber da gibt es eine alte russische Tradition, und mit Wodka kann man wohl alles essen ...
Was sind Ihre nächsten Projekte und wo können Ihre Fans Sie ab September bewundern?
Für mein geliebtes österreichisches Publikum habe ich am 7. September 2017 wieder ein ganz besonderes Zuckerl in der wunderbaren Sommerarena Baden vorbereitet. Dieses Jahr ist es zwar schon beinahe ausverkauft, aber wir haben schon einen Termin für nächstes Jahr, am 6. September 2018, reserviert und da freu´ ich mich schon besonders auf euer Kommen! Außerdem werde ich im Juni 2018 auch das Eröffnungskonzert auf der Burgarena Finkenstein singen. Am 3. Jänner 2018 gibt es ein Konzert gemeinsam mit dem legendären Heldentenor René Kollo im Grazer Stefaniensaal sowie am 4. Jänner im Mozarteum in Salzburg und am 26. Jänner im Brucknerhaus in Linz.