Der Konsument lässt sich verunsichern. Die Industrie freut sich. Die EU redet von Lebensmittelrecht. Die Mülldeponien gehen über. Ein Datum mit Folgen.
Text: Lauren Seywald
Drei böse Wörter sind’s, die der Wegwerfgesellschaft dienen. Seit 2011 lesen EU-Bürger, so ist es verordnet, auf ihren Lebensmitteln „mindestens haltbar bis ...“. Ist das Datum überschritten, landet das Essen im Müll. Ohne zu überprüfen, ob es noch genießbar ist. Die Folge ist eine unnötige Lebensmittelverschwendung. Insgesamt sind das 187.000 Tonnen allein in Österreich. Auf der ganzen Welt spricht die UNO von 1,3 Milliarden Tonnen. Essen, das statt auf Müllhalden im Kochtopf landen sollte. Es richtet also ganz schön viel Mist an, das Mindesthaltbarkeitsdatum. Denn es ist nicht, was es zu sein scheint.
In der EU-Verordnung von 2011 steht geschrieben, dass auf fast allen verpackten Lebensmitteln und Getränken ein Datum stehen muss. So heißt es im Absatz 3 „Um auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes der Verbraucher ein hohes Niveau zu erreichen und das Recht der Verbraucher auf Information zu gewährleisten, sollte sichergestellt werden, dass die Verbraucher in Bezug auf die Lebensmittel, die sie verzehren, in geeigneter Weise informiert werden.“ (Näheres auf: www.wko.at) Man kann damit festhalten, dass es sich erstens mehr um Information als um Vorschriften handelt. Zweitens dass es für Unternehmen wie Konsumenten großen Interpretationsspielraum gibt. Und trotzdem belegen Studien, dass drei Wörter Unsicherheit hervorrufen und logisches Denken ausschalten. So landet der ungeöffnete Frischkäse fünf Tage nach Einkauf im Müll. Ohne dass jemand seine Sinne benutzt, also daran gerochen, geschmeckt oder zumindest ein Auge darauf geworfen hat. Denn: „Es ist ja schon abgelaufen.“
Dass man uns hier Lügen auftischt, durchschauen bisher nicht viele. Was die wenigsten wissen: Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist von keiner amtlichen Instanz festgelegt. Der Hersteller darf selber entscheiden, wann sein Produkt abgelaufen ist. Gut, eine Richtlinie weniger für das Unternehmen. Und natürlich weiß der Produzent am besten, ab wann seine Ware ungenießbar ist. Doch das wird auch ausgenutzt. Und so kann es sein, dass eine Schokoladentafel ganz zufällig zur gleichen Zeit abläuft, wie die neuen Geschmacksrichtungen in den Regalen aufliegen. Was für ein Zufall.
Die EU versteht unter dem Mindesthaltbarkeitsdatum lediglich den Zeitpunkt, an dem ein Produkt spezifische Eigenschaften verliert. Darunter fallen Geschmack, Geruch und Nährstoffgehalt. Dass das Mineralwasser nicht mehr so prickelt oder das Schlagobers auf dem Pudding nicht mehr so schön steif ist. An der Genießbarkeit ändert das wenig. Es ist eher eine Absicherung der Hersteller vor Beschwerden. Aber kein Verfallsdatum. Dafür gibt es eine zweite Angabe. Da steht dann auf der Verpackung „verbrauchen bis ...“. Und betrifft nur verderbliche Waren, die eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit darstellen. Also Hackfleisch oder rohen Fisch. In diesem Fall ist der Verzehr vor diesem Datum empfehlenswert. Sonst drohen üble Folgen.
Schlussendlich bleibt es jedem Einzelnen überlassen, seinen Verstand zu benutzen. Und sich von ein paar Zahlen nicht die Milch sauer machen zu lassen. Fast alle Lebensmittel können nach mehreren Tagen oder Wochen bedenkenlos am Teller landen. Dabei ist die richtige Lagerung wichtig. Zum Beispiel Erdäpfel, Getreide und Müsli gehören dunkel, kühl und trocken gelagert. „Trockene“ Produkte hält man gut verschlossen und in kühler Umgebung haltbar. Das bedeutet nicht gleich Kühlschrank. Paradeiser, Paprika, Bananen und Zitronen beispielsweise reicht Zimmertemperatur. Ansonsten verlieren sie oft den Geschmack oder es zerstört die Zellen. Es reicht ein schattiges, kühles Plätzchen in der Speisekammer. So macht man dem Ablaufdatum einen Strich durch die Rechnung.
Im Zweifelsfall gilt am Ende: riechen, sehen, schmecken. Das abgelaufene Produkt unter die Lupe nehmen, bevor es im Müll landet. Das freut Geldbörse, Gewissen und Umwelt.