Der Unmut der Unternehmer wird langsam zum Zorn. Sie stöhnen unter horrenden Steuer- und Vers-icherungsabgaben, Auflagen, Vorschreibungen und anderen Schikanen. Immer mehr Selbstständige wollen auf die Barrikaden gehen. Ein Tiroler tut es.
Text: Martina Bauer
Anzusehen ist ihm das Wehrhafte nicht. Im Gegenteil. Der Hotelier schaut mit seinen 41 Jahren jünger aus, als er ist. Auf den ersten Blick wirkt er fast ein bisschen schüchtern. Und gar nicht wie ein leidenschaftlicher Motorradfahrer oder ein Rebell. Und doch ist er beides. „Manda! Aufstehen! S’isch Zeit!“, sagt er. Zeit, andere Wege zu gehen. Zeit, sich vom Staat nicht länger bevormunden zu lassen. Zeit zu handeln.
Jürgen aus der Familie Rietzler aus Fiss in Tirol, wie er sich gemäß seiner Überzeugung jetzt nennt, lehnt es ab, von der Firma Republik Österreich als die juristische Person Jürgen Anton Rietzler, die er bislang war, zwangsverwaltet zu werden. Genau da fängt für ihn die Schizophrenie an, zwischen Mensch und Person. Das ist die psychologische Abspaltung. Personen sind feindselig, egoistisch und hasserfüllt, weil sie keine Menschen sind. „Ich brauche niemanden, der mich als Person verwaltet. Ich bin ein Mensch und verwalte mich selbst“, sagt der Unternehmer, dem es nach Verkündung der Steuerreform endgültig reichte. 13 statt 10 Prozent Mehrwertsteuer auf Lebensmittel ab Juni. Das betrifft alle. Nicht nur die Gastronomie. Ein Wutbürger war er schon länger.
Schon seit Jahren brodelt es in ihm. Jetzt reicht es. Veränderung ist angesagt. Und zwar im eigenen Betrieb. In seinem Montana. Das beschauliche Hotel liegt in Fiss inmitten der Tiroler Berge. Noch ist es ein Hotel. Mit Beginn der Sommersaison Mitte Juni wird aus dem Hotel Montana ein OdeL. Ort der energetischen Liebe. Die Gäste unterschreiben dann einen Hinweis, dass dieser Betrieb keiner Gewerbeordnung, keiner Lebensmittelkontrolle und keinen gewerblichen Auflagen und Sicherheitsbestimmungen unterliegt. Jeder Gast kann sich von der Hygiene und allem anderen selbst überzeugen. „Ich habe keine Angst, dass das jemand nicht unterschreibt. Wenn, dann kann er sich was anderes suchen.“
Hierarchie gibt es im Montana jetzt schon keine mehr. Auch keinen Küchenchef. Die Köche schreiben das Menü mit den Abwäschern. Alles wird gemeinsam gemacht. Die Arbeit geschieht freiwillig. Ich muss niemandem sagen, was er tun muss. Die wissen das. Den 13 Mitarbeitern gefällt’s. Den Gästen auch. „Die Liebe und das Vertrauen übertragen sich auch auf die Gäste. Die spüren das.“
Rechnungen bekommen sie für ihren Aufenthalt keine. Nur Informationen. Auf denen steht der Preis, und überwiesen wird von zu Hause aus. Wenn nicht, dann eben nicht. „Die meisten sind von dem Vertrauen verwirrt, aber alle bezahlen und schreiben im Betreff Dankes- und Lobesworte. Manche überweisen sogar mehr. Als Trinkgeld“, schwärmt Jürgen von der Annahme seiner Philosophie. Sie basiert auf der totalen Freiwilligkeit. Der freie Wille des Menschen ist unantastbar – das ist das Credo.
Und es gilt seiner Meinung nach auch fürs Steuerzahlen. Das Finanzamt schickt ja auch keine Rechnung, sondern nur einen Bescheid. In Zukunft können sie sich aber auch das sparen, denn Jürgen wird sich ab Juni keine Vorsteuer mehr zurückholen und demzufolge auch keine Umsatzsteuer mehr abführen. Die verlangt er auch nicht von den Gästen. „Ich bezahle beim Einkauf der Ware die Mehrwertsteuer, und damit ist meine Schuldigkeit getan. Ich habe dann mit dem Finanzamt nichts mehr zu tun. Einkommenssteuer werde ich auch keine mehr zahlen.“
Wie lange das gut geht, wird sich weisen. Jürgen setzt auf das geistige Erwachen seiner Kollegen. „Es tut sich was. Viele wollen und können so nicht mehr weitertun. Die ruinieren uns die Betriebe. Und damit das ganze Land. Wenn sich nicht bald etwas ändert, steuern wir auf einen Bürgerkrieg zu.“ Der Wunsch wäre, dass die Behörden den Dialog mit den Unternehmern suchen. „Mit uns kann man reden.“
Reden, nicht diktieren. Was er bis dato von Beamten so hörte, gefiel dem lebensfrohen Tiroler immer weniger. Der wache Geist hinterfragte sinnbefreite Vorschreibungen
gerne mit einem Warum. Die Antwort war immer gleich: Weil es so ist. „Ich kann das schon nicht mehr hören. Das ist kein Argument.“ Ist es tatsächlich nicht. Dennoch tauschte er einen guten alten Öltank aus Stahl in Plastiktanks aus. Seither gibt’s nur Probleme. Als man ihm dann ein zweites Geländer für den Stiegenaufgang vorschrieb, war Schluss mit lustig. „Ich war bei der Behörde, dort haben sie nur eines. Und ich soll zwei haben. Weil es so ist?!“ Nein, nicht mit Jürgen aus der Familie Rietzler. Zu der übrigens eine Frau, eine Tochter und ein Hund gehören.
Jürgen war wütend. Sehr wütend. So wie die meisten Unternehmer in Österreich. Vor einem Jahr sprach er bei der Wirtschaftskammer vor. Dort stellte er fest, dass die Interessensvertretung gar kein Interesse hat. Dann fasste er einen Entschluss: „Entweder mein Betrieb wird durch die ganzen Auflagen und Steuern ruiniert, oder ich probiere einen anderen Weg.“
Seinen Weckruf kann man sich auf youtube https://www.youtube.com/watch?v=Yf-KC6bI10o anschauen. Seit Februar wurde das Video mehr als 200.000 Mal aufgerufen. „Das Echo ist enorm. Damit habe ich nicht gerechnet. Aber es ist eine Bestätigung“, freut sich Jürgen, in dem der Wunsch nach Veränderung brennt und die Hoffnung lodert.