Er lässt die Filmbranche erzittern. Er gehört zu den Gründern des weltweit größten Streamingdienstes Netflix. Er hat knapp 80 Millionen Abonnenten bis dato. In alles roger? spricht Reed Hastings über sein Zufallsimperium, das eineinhalb Milliarden Dollar wert ist. Interview: Roland Hofbauer
Wie schwierig ist es, sich die Gunst der Seher zu sichern, und wer ist Ihr größter Konkurrent?
Entgegen vieler Vermutungen ist unser größter Gegner nicht Amazon oder ein anderer Anbieter, sondern es ist jede Freizeitaktivität, die man machen kann, wenn man Netflix gerade nicht nutzt. Tennisspielen, Xbox zocken oder einfach nur mit Freunden essen gehen. Wir müssen alles tun, um attraktiver zu sein als alle diese Alternativen oder zumindest kompatibel. Statt mit Freunden in ein Lokal zu gehen, kann man sie einladen zu Netflix & Dinner. Wir kämpfen um die Zeit der User. Täglich müssen wir uns hinterfragen, neu erfinden und mit der Zeit gehen.
Was meinen Sie damit?
Es kann nicht jede Serie endlos weitergehen, auch wenn sich das viele Seher wünschen, weil sie sich mit den Helden oder Hauptdarstellern identifizieren. Aber jede Serie verliert mit jeder Staffel an Dramatik und schlussendlich auch an Sehern. Deswegen gibt es ja keine Serie ewig. Da muss man schauen, dass man die Seher schon zu Hochzeiten einer Produktion an ein, zwei neue Formate bindet ? auf die Art tut dann der Abschied nicht ganz so weh.
Haben Sie eigentlich ein schlechtes Gewissen? Sie werden ja von Gesundheitsfanatikern als große Mitursache der Volksverblödung genannt.
Woran soll ich schuld sein? Dass die Menschen viel fernsehen? Das würden sie ohne mich ganz genausso machen, ich gebe ihnen lediglich mehr Auswahl und eine weit höhere Qualität. Mich als Mastermind der Volksverblödung zu bezeichnen, zeugt bloß vom Neid der Menschen und von absolutem Unverständnis. In Wahrheit sind wir die moderne Form von Büchern, die man mit anderen genießen und teilen kann.
Sie präsentieren nicht nur Kinokulturgut, sondern auch viel Trash in den von Ihnen angebotenen 1,2 Millionen Filmen. Ist das nicht eine Verarschung am Kunden?
Für Sie mag es Dreck sein, für andere ist es ein lang nicht mehr gesehener Film. Gott sei Dank sind die Geschmäcker sehr verschieden. Es gibt genug Leute, die sich sehr gerne Filme aus den 1970er oder 1980er Jahren anschauen und sich sogar schriftlich bei uns bedanken, dass sie bei uns solche Raritäten entdecken können. Generell gibt es auch Serien, bei denen uns vorgeworfen wird, wir verherrlichen den Drogenhandel, zum Beispiel Narcos. Aber niemand muss sich die Serie ansehen, wir haben genug Schnulzen und Herzserien anzubieten und auch viele sehr anspruchsvolle Dokus.
Die Frage, die wohl vor allem die Männer interessiert: Warum gibt es keine Pornos auf Netflix?
Wir haben selbstverständlich darüber nachgedacht, aber im mittlerweile sehr prüden Amerika ist man mit Pornos gleich in eine Ecke gedrängt. Das würde weder dem Unternehmen noch meiner Person wirtschaftlich guttun. Wenn Sie jetzt fragen, ob ich privat Pornos schaue, würde ich das Interview abbrechen ? und geheim beide Daumen hochhalten.
Stimmt es, dass Sie mit bestimmten Algorithmen vieles über Ihre Kunden erfahren können und sich deren Seherverhalten zunutze machen?
Wie in jedem größeren Betrieb gibt es mathematische Programme, die das Nutzungsverhalten der Kunden zu berechnen versuchen. Das hat zwar seinen Sinn, ist aber nicht immer ein Erfolgs-
garant. Bei sehr vielen Produktionen lagen unsere Berechnungen komplett daneben, und die Formate floppten. Und nein, als früherer Mathematiker berechne ich diese Programme nicht selbst, dafür haben wir ein eigenes Team.
Was kostet denn im Schnitt eine große Filmproduktion, die Netflix in Auftrag gibt?
Im Schnitt kostet ein Film zwischen 4 und 52 Millionen Dollar. Es ist genau durchdacht, in was wir investieren. Da kommen aber auch unglaublich dumme Vorschläge für Serien und Filme. Die dümmste Idee war von einem unserer Mitarbeiter. Er wollte die Lebensgeschichte der Gründer von Netflix verfilmen. Der Idiot gehört eigentlich gefeuert.
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