Egal ob im ÖFB bei Sportdirektor und Teamchef oder in der Bundesliga: Überall gibt es Baustellen!
alles fußball? von Peter Linden
Auf die letzte Sitzung des Präsidiums des Österreichischen Fußballbundes in Gmunden mit dem mehrheitlichen Beschluss, den mit Jahresende auslaufenden Vertrag mit Marcel Koller nicht zu verlängern, folgte ein Bankett im Schlosshotel Orth. Die kleine Insel im Traunsee ist bekannt geworden durch die zwischen 1996 und 2004 produzierte gleichnamige TV-Serie. Aber anders als dort gibt es im ÖFB derzeit keinen umsichtigen Direktor, wie es der vom verstorbenen Klaus Wildbolz dargestellte Wenzel Hofer im Hotel war. Oder keinen, der alles genau beobachtete und aus dem Hintergrund meist für ein Happy End sorgte, wie Hans Kraemmer als Hotelportier Josef Schimek.
ÖFB-Präsident Leo Windtner kann sich nicht mehr mit Sportdirektor Willi Ruttensteiner im Glanz des Sommermärchens durch die Damen mit ihrer Semifinal-Sensation bei der Europameisterschaft in Holland sonnen. Die harte Realität hat beide mit der verpassten WM-Qualifikation eingeholt. Was nach dem 1:1 gegen Irland im Juni bereits abzusehen war, bewahrheitete sich im September in Car-diff: Mit Marcel Koller gelingt keine Wende. Seit der glorreichen Qualifikation für die EURO 2016 gab es ab November 2015 in 18 Spielen nur vier Siege. Und die gegen Albanien, Malta, Georgien und Moldawien.
Desaströses Marketing-Konzept
Keine Magic Moments mehr oder herausragende Events, zu denen interessante Gäste aus allen Lagern kommen. Das sollen ja die Heimspiele der Nationalmannschaft sein, wie es in einem Werbeschreiben bei der Suche nach neuen Mitgliedern des VIP-Clubs steht. Mit der Unterschrift von Teamkapitän Julian Baumgartlinger. Aber das im November 2016 präsentierte neue Marketing-Konzept entwickelte sich bisher ähnlich desaströs wie die WM-Qualifikation.
Wer will jetzt noch für ein Jahr 5.900 Euro zahlen, um ein VIP im "Team Top 100" zu sein? Oder legt 495 Euro für eine Tages-VIP-Karte im Sektor B hin? Es kostet nur fünf Euro mehr, um bei einem Champions-League-Heimspiel von Bayern München ein VIP zu sein. Beim 2:0 über Moldawien und dem 1:1 gegen Georgien war der VIP-Club so leer wie selten. So tobte auch keine Schlacht mehr am Buffet des besten Caterers des Landes Do&Co, da blieb erstmals sogar etwas übrig. Und wer sich in den Sektor E, in den Bereich "Team Friends" locken ließ ("nur" 2.790 Euro im Jahresabo und 145 Euro für die Tageskarte), beschwerte sich über das schlechte Service. Do&Co gibt's nur für die "Top 100".
Schöttel als Alternative
In der Marketing-Abteilung gab es bereits eine "Umstellung". Bei der Diskussion um den neuen Teamchef bekam Windtner deutlich die Folgen der Kompromisse, die er im Juni eingehen musste, um wieder gewählt zu werden, zu spüren. Die Stimmung war ja schon damals gegen ihn, nur fanden seine Kritiker keinen Gegenkandidaten. Wählten ihn alle mit Ausnahme von Salzburgs Landespräsident Herbert Hübel, um ihn nicht zu beschädigen - das passierte drei Monate später.
Es ging in Gmunden in Wahrheit nicht in erster Linie um Koller, sondern um die Zerschlagung der oberösterreichischen Achse zwischen Windtner und Sportdirektor Willi Ruttensteiner. Mit den Argumenten, Ruttensteiner stehe für die Talfahrt des Nationalteams ebenfalls in der Verantwortung, buckle nach oben, trete nach unten. Da ergab sich eine Achse zwischen Salzburg, Tirol (Josef Geisler), Burgenland (Gerhard Milletich), Niederösterreich (Johann Gartner, der Bürgermeister von Ziersdorf) und der Bundesliga, deren Vorbehalte ihr Vizepräsident, Austrias AG-Vorstand Markus Kraetschmer, artikulierte.
Nur fehlt eine Alternative, die überzeugend wirkt. Bei der Liga kursiert der Name von Thomas Janeschitz. Aber der war als Assistent von Koller an allem, was zu dessen Ablöse führte, voll beteiligt, galt für viele sogar als dessen "Fehlerflüsterer". Da würde eine andere interne Lösung mit dem Aufstieg von U19-Teamchef Peter Schöttel mehr Sinn haben. Der bewies bei Rapid schon vor einem Jahrzehnt, dass er diesen Job beherrscht.
Chaos und fehlende Logik
Windtner klagte gegenüber der Kronen Zeitung über einen Partisanen im Präsidium. Der offenbar damit gemeinte Hübel stellte in seiner offenen Art fest: "Ich bin Gefreiter der Reserve, schieße von vorne, nie von hinten." Trotzdem: Es sieht sehr dilettantisch aus, was sich bei der Suche nach Sportdirektor und Teamchef abspielt. Ein Beispiel: Oberösterreichs Präsident Gerhard Götschhofer, der sicher nicht ohne Absprache mit seinem engeren Landsmann Windtner seine Stimme erhebt, sah beim Interview in den Oberösterreichischen Nachrichten keine Basis mehr für Koller, stellte dann aber im Präsidium eine Vertragsverlängerung zur Diskussion.
Kollers Vertrag nicht vor den letzten zwei Spielen der Qualifikation gegen Serbien und Moldawien aufzulösen, hat ja etwas für sich. Stand aber nur fünf Tage nach dem Beschluss wieder in Frage, als die Besprechung des Trainerteams für diese Partien neu terminisiert wurde. Erst fünf Tage später sollte sie stattfinden. Mit oder ohne Koller? Den Schweizer im November ein Trainingslager im Süden Europas leiten zu lassen, danach bei einem Freundschaftsspiel zu verabschieden, würde komplett sinnlos sein. Bei der Präsidiumssitzung im Oktober soll über Teamchefkandidaten geredet werden. Aber welcher Sportdirektor verhandelt mit ihnen? Das Chaos regiert.
Bundesliga als zweite Baustelle
Ähnliche Baustellen wie im Verband, in dem die Nachfolger des in Pension gegangenen "Generals" Alfred Ludwig, Thomas Hollerer und Bernhard Neuhold, bisher nicht durch neue Akzente auffielen, gibt es auch in der Bundesliga. Nur 18.977 Zuschauer in den fünf Partien der achten Runde Mitte September: ein Alarmzeichen! Immer mehr befürchten, dass die Reform ab 2018 mit Zwölferliga und Play-off zum Schuss ins eigene Knie wird. Die Variante gab es ja schon 1985 und 1993 ohne Mithilfe der niederländischen Agentur Hypercube, die jetzt für die Neuauflage ein nettes Honorar kassierte.
Wegen großen Erfolgs wurde die Zwölferliga in den Neunzigerjahren nicht abgeschafft. Ligavorstand Christian Ebenbauer tut sich bei den Verhandlungen um einen neuen TV-Vertrag, der mindestens 30 Millionen Euro, zehn mehr als bisher, bringen soll, ziemlich schwer. Kein Interesse beim Streamingdienst DAZN. Ebenbauer flog nach Amsterdam zu Foxsport, dem TV-Partner der höchsten niederländischen Fußbal-Liga Eredivisie. Die Pläne, wie in den Niederlanden ein Ligafernsehen zu installieren, sind wieder vom Tisch.
Verluste vorprogrammiert
Am 6. Oktober soll die weitere Vorgangsweise festgelegt werden. Die sich abzeichnende Lösung heißt: Nur Pay-TV, sprich Sky, die Bundesliga nicht mehr im ORF. Also müssten die Fans ab Juli 2018 zahlen, um Meisterschaftsspiele zu sehen. Eine schlechte Lösung für die Allgemeinheit und die Vereine, denen sie sogar finanzielle Verluste bringen wird: Durch geringere Einnahmen ihrer Sponsoren, die darauf reagieren werden, dass es vier Runden weniger als in der Zehnerliga gibt und bei Sky die Einschaltquoten geringer sind als beim ORF. Ob die Liga wirklich weiß, was sie tut?