Gentechnik-Produkte sind biologische Kampfstoffe

Foto: 123RF
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Gottfried Glöckner war einer der ersten Gentechnik-Bauern Deutschlands und der engste Verbündete der Gentechnik-Industrie. Jetzt ist er ihr größter Gegner. Nach dem Verlust seiner ganzen Rinderherde ging er an die Öffentlichkeit, durchlebte die Hölle und bewirkte wohl mehr für die Gentechnikfreiheit als die meisten Umweltschutzorganisationen. Anfang November kommt er für einen Vortrag nach Tirol.


Text: Klaus Faißner

 Derzeit arbeitet er am Flughafen Frankfurt statt auf seinem geliebten Weidenhof in Wölfersheim in Hessen. Seine Landwirtschaft wurde zwangsversteigert, er zwangsenteignet. "Das Ganze ist aber noch nicht abgeschlossen. Ich habe Strafanzeige erstattet, der Sachverhalt liegt bei der Staatsanwaltschaft", berichtet Gottfried Glöckner gegenüber

alles roger?. Seine Geschichte ist spannender als jeder Krimi und zeigt nicht nur die große Stärke dieses Mannes, sondern auch, dass die Wahrheit am Ende siegt. Doch zuvor durchlebte er die Hölle auf Erden.

Bereits ab dem Jahr 1995 erlaubte er auf seinen Feldern den versuchsweisen Anbau von Gentechnik-Pflanzen, nachdem gentechnisch verändertes Sojaschrot aus den USA angeliefert worden war. 1997 säte er erstmals auf einem halben Hektar den EU-weit zugelassenen Genmais Bt176 von Syngenta an. Dieser produzierte ein Insektengift gegen den Maiszünsler, einen Schmetterling, der Maispflanzen schädigen kann. Als Perfektionist dachte er, auch die perfekten Pflanzen für den Anbau und die Verfütterung gefunden zu haben. Aufgrund der positiven Erfahrungen dehnte er den Anbau laufend aus und verfütterte zuerst den genmanipulierten Silomais - also die ganze grüne Maispflanze - sowie später auch den Körnermais an seine Kühe. Er war der Vorzeigemann der Gentechnikindustrie - nicht zuletzt auch wegen seiner genauen Arbeit, die er vollständig dokumentierte.

 Zwölf Kühe tot

Ende des Jahres 2000 begann jedoch ein Albtraum. "Die Tiere erkrankten an Durchfall, hatten ein struppiges Fell, es kam zu Aborten und Missbildungen von Kälbern, Kühe waren anfällig für jede Krankheit und die Wiederkautätigkeit ließ nach. Das war alles nicht normal", so Glöckner. Im Sommer wurde es noch ärger: "Die Tiere kamen von der Weide in die Box und schliefen ein." 2001 starben fünf Kühe, 2002 sieben. Als Ursache identifizierte der Bauer den Genmais - weil es sonst keine Änderungen bei der Fütterung gegeben habe. Doch weder die Verantwortlichen bei Syngenta noch das in Deutschland zuständige Robert Koch Institut (RKI) interessierten sich dafür.

Glöckner ließ selbst Untersuchungen in geprüften Labors durchführen und konnte so in den Futtermitteln erhebliche Mengen des Bt-Gifts nachweisen (= Gift des Bodenbakteriums Bacillus thuringiensis, das der Genmais produziert). Er fragte beim RKI nach, ob es einen Fütterungsversuch mit dem betreffenden Genmais bei Milchkühen gibt, was verneint wurde. 2009 händigte ihm der französische Wissenschaftler Gilles-Éric Séralini jedoch eine solche, geheim gehaltene, bereits 1996 gefertigte Studie von Syngenta aus: "Bei der Bt-Mais-Gruppe verendete eine Kuh in der ersten Woche und in der zweiten Woche wurde der Versuch abgebrochen", erklärt Glöckner.

 Schweizer hörten auf ihn

2004 erhielt der Bauer die Einladung zu einer großen Veranstaltung in die Schweiz, die die Initialzündung für eine Volksabstimmung über eine gentechnikfreie Schweiz gewesen sei. Die Schweizer Wissenschaftlerin Angelika Hillbeck sei tief erschüttert über die Bilder seiner Kühe gewesen und analysierte das Bt-Gift in der Maispflanze. Es war - im Gegensatz zur bisherigen wissenschaftlichen Darstellung - komplett anders und aggressiver als jenes, das in der biologischen Landwirtschaft verwendet werden darf. "Ich hatte das Bt-Toxin auf meine Weiden mit der Gülle ausgebracht. Es verbreitete sich wie ein Sporenteppich, die Kühe fraßen das Gras, wir hatten das Bt-Toxin im ganzen Betrieb. Es war nicht mehr möglich, die Herde zu entgiften."

Glöckner hielt im Herbst 2005 in der Schweiz auf großen Veranstaltungen Vorträge. Tatsächlich stimmten die Bürger danach für ein Verbot des kommerziellen Gentechnik-Anbaus - es war das erste in Europa. "Ein Meilenstein wurde gesetzt." Doch damals quälte ihn ein anderes Thema noch mehr: Seine Exfrau hatte ihn während des vorher "ganz normal laufenden Scheidungsverfahrens" aus heiterem Himmel wegen "Vergewaltigung in der Ehe" angezeigt - just, als er an die Öffentlichkeit gegangen war und es Probleme mit "seinem" Gentechnikkonzern Syngenta gegeben hatte. Dabei konnte seine Exfrau nicht das exakte Datum der angeblichen Vergewaltigung nennen und hatte, als sie Haus und Hof verließ, ihre zwei minderjährigen Töchter bei ihm gelassen.

 Unschuldig im Gefängnis

Glöckner wurde in Abwesenheit zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. "Es ging darum, mich ruhigzustellen." Alle seine Versuche, das Unheil abzuwenden, fruchteten nichts: Am 6. März 2006 musste er seine Haft in Weiterstadt antreten. Schon wenige Wochen später wurde er nach Butzbach verlegt, ein Gefängnis mit höchster Sicherheitsstufe. Als letzte Station musste er in Friedberg sitzen. Von dort aus musste er ansehen, wie Teile seines geliebten Bauernhofs versteigert wurden. Im offiziellen Abschlussgutachten im Gefängnis hieß es unter anderem: "... tragen seine Bemühungen teilweise sicher grandiose Züge ...", "kein sprachgewandter Blender ..." "kein typischer Sexualtäter", "Tatleugner". Glöckner war offensichtlich unschuldig gesessen.

2009 präsentierte die TU München eine Fütterungsstudie über den Genmais MON810 von Monsanto - und dass es keine Unterschiede zum gentechnikfreien Mais gäbe. Glöckner erkannte, dass 50 Prozent der Tiere ausgetauscht worden waren, der Genmais erhitzt worden war und die Tiere kein Gensoja bekommen hatten. "Ich schlüsselte die Studie auf, schrieb allen Verantwortlichen und Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner sprach im April 2009 ein Anbauverbot in Deutschland aus. Das war für mich ein Riesenerfolg."

 Erfolge in Russland und China

Im Sommer 2009 traf sich Glöckner mit dem Russen Wladimir Golubew, der ihm nach einem Gespräch erklärt habe: "Wir organisieren eine internationale Konferenz. Das Geld dafür bekommen wir vom Verteidigungsministerium, weil es um die innere Sicherheit geht." 2011 fand ein internationales Treffen in Brüssel mit russischer Beteiligung statt, bei dem sich weder Industrievertreter noch EU-Kommissare einer Diskussion stellen wollten. 2013 wurde Glöckner nach Moskau zu einer internationalen Konferenz eingeladen - wieder kniffen die Industrievertreter. Die Folge: "Russland machte den Sack zu und entschied sich gegen Gentechnik." Im Juli 2014 ging es für ihn dann nach Peking. Seine Botschaft: "China ist der Wendepunkt. Man muss Schiffe auf nicht zugelassene gentechnisch veränderte Organismen kontrollieren und gegebenenfalls zurückschicken, weil es sich um biologische Kampfstoffe handelt." Tatsächlich schickte China nur vier Wochen später kontaminierte Schiffsladungen in die USA zurück.

 Vortrag in Tirol

Anfang 2016 erschien in der Zeitschrift Scholarly Journal of Agricultural Sciences (SJAS) die wissenschaftliche Publikation zu seinem Fall, verfasst von ihm und Gilles-Éric Séralini. "Es gab keinen Widerspruch dazu. Es war die Krönung meiner Arbeit", so Glöckner. Derzeit arbeitet er an einem Buch und wartet den Ausgang mehrerer juristischer Verfahren ab.

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