Integration ist das Thema, das die Österreicher vor der Wahl am meisten beschäftigt. Dementsprechend überbieten sich auch Politiker mit "guten" Ideen. Die aktuellen Probleme kommen dabei kaum vor. Es gibt aber Menschen, die sich für Integration engagieren. alles roger? bat Promi-Ärztin Atousa Mastan und Whatchado-Gründer Ali Mahlodji zum Gespräch.
Text: Martina Bauer
Wie man den Flüchtlingsstrom verhindern hätte können, und wie man einen künftigen verhindern muss. Darum drehen sich in erster Linie die Themen im Vorwahlkampf. Massive Integrationsprobleme gibt's in Österreich aber nicht erst seit 2015. Viele Türken, die in der zweiten oder dritten Generation hier leben, sind der deutschen Sprache noch immer nicht mächtig. Es haben sich bereits Parallelgesellschaften gebildet. Um diesem Trend einen Riegel vorzuschieben, bedarf es viel an Aufklärungsarbeit. Am besten können das die tun, die selbst nach Österreich eingewandert oder geflüchtet sind. Sie haben Erfahrung mit Integration und damit, wie wichtig dieses Thema ist.
Aufklärungsarbeit in der Ordination
Das weiß auch Atousa Mastan, die als Integrationsbotschafterin nicht nur in Schulen geht. "Ich betreibe auch in meiner Ordination in Wien-Donaustadt viel Integrationsarbeit", so die praktische Ärztin, die erklärt: "Ich frage Frauen oder junge Mädchen zum Beispiel, warum sie Kopftücher tragen. Ich rede mit ihnen über die Gründe. Meine Familie ist auch deswegen 1984 vom Iran nach Österreich ausgewandert. Wir waren keine Flüchtlinge, Deutsch konnte ich dennoch nicht. Nach der Schule ging es ins Goethe-Institut zum Deutschlernen. Integration wurde bei uns großgeschrieben, weil sie so wichtig ist, um auf eigenen Beinen stehen zu können, und das möchte ich weitergeben."
Von Kopftüchern hält Mastan ebenso wenig wie von Türken, die sich weigern, Deutsch zu sprechen, von rassistischen Österreichern oder von Flüchtlingen, denen nichts gut genug ist. "Da kommen Familien in meine Ordination und verlangen von mir, dass ich mit ihnen Türkisch spreche. In der Polgarstraße, also in der Nähe meiner Ordi, ist ein Flüchtlingsheim. Da kommen welche und wollen Bestätigungen für Nahrungsmittelunverträglichkeiten, damit sie wegen des Essens das Heim wechseln können. Mache ich natürlich nicht, weil ich auch für Österreicher keine Krankmeldungen schreibe, wenn sie nicht krank sind und einfach nur daheimbleiben wollen. Derer gibt es auch mehr als genug. Es gibt echt viel, was mich im Bereich Sozialschmarotzer und Integration aufregt. Genauso, wie ein Österreicher, der fragte: ,Behandeln sie die auch?', und mit die meinte er Ausländer. Ich habe ihm mitgeteilt, dass ich gebürtige Iranerin bin und er sich vielleicht einen anderen Arzt suchen möchte, aber er kommt trotzdem weiterhin zu mir."
Kopftuchpropaganda und Ignoranz
Es gibt also viele Gründe, warum sich Atousa Mastan als Integrationsbotschafterin engagiert. Sie weiß aus Erfahrung, dass man mit Kindern oder Jugendlichen alleine sehr gut reden kann, sie aber ein Produkt ihres Elternhauses sind. "Bei sehr vielen Türken läuft im Fernsehen nur Kopftuch-Propaganda. Etwas Anderes kennt das Kind natürlich gar nicht und weiß auch nicht, dass das nicht im Koran steht. Daheim wird dann auch nur Türkisch gesprochen. Wie soll es denn Deutsch lernen, ohne Übung? Und dann noch ein 80-prozentiger Ausländeranteil in der Schule, wo sich dann Gruppen bilden, die zusammensitzen. Das müsste man mehr durchmischen. Das türkische Kind muss neben einem österreichischen Kind sitzen, ob die wollen oder nicht. Die werden sich schon anfreunden, und auf jeden Fall muss das türkische Kind dann Deutsch reden mit seinem Sitznachbarn. Diese Gruppenbildungen sind einfach nicht förderlich. So wird sich nie was ändern."
Erst jüngst kam eine Mutter mit ihrem schulpflichtigen Kind in die Ordination der Ärztin und musste für das Mädchen übersetzen. "Ich habe sie gefragt, warum das so ist. Sie hat mir geantwortet, weil bei ihnen zu Hause nur Türkisch gesprochen wird und das Kind nicht Deutsch kann. Das ist kein Einzelfall. Das ist bei jeder zweiten Familie so. Wie soll dieses Kind eine Ausbildung bekommen, wie soll es sich integrieren? Wir tun was wir können. Gehen in die Schulen und leisten Aufklärungsarbeit, aber richtig gefordert ist da die Politik. Die sehen das ja alles nicht. Da müsste man viel mehr kontrollieren. Wer nach Österreich kommt, oder gar hier geboren ist, muss auch Deutsch lernen. Das gilt für die Flüchtlinge ebenso wie für jene, die in zweiter oder gar dritter Generation hier sind. Da liegt viel im Argen. Vor zwei Jahren war ich in Berlin, und dort gibt es Bezirke, in denen gar nicht mehr Deutsch gesprochen wird, sondern nur Türkisch. Ich konnte das nicht glauben, aber mit Deutsch hat man dort keine Chance. Ich habe das selbst erlebt. So weit darf es bei uns nicht kommen", sagt die Ärztin, die damit die Wahrnehmung der mehrheitlichen Österreicher auf den Punkt bringt.
In Österreich kann jeder etwas lernen
"Man kann doch niemanden zwingen, Deutsch zu lernen", hörte man ständig von den Grünen. Sollte man aber, denn die Probleme und Kosten, die dadurch entstanden sind und noch entstehen werden, sind enorm und seit Jahrzehnten gewachsen. Eine lange Zeit, in der seitens der Politik viel geredet und gefordert, aber nichts unternommen wurde. Stattdessen wuchs eine Parallelgesellschaft, die nur schwer bis gar nicht mehr einzudämmen ist.
Der "Klassenunterschied" ist jedenfalls nicht daran schuld. In Österreich kann jeder, der das möchte, auch etwas lernen. "Wir haben eine aramäische Haushälterin. Sie und ihre Familie waren auch Flüchtlinge. Die Frau hat drei Kinder. Der Sohn hat jetzt die TU abgeschlossen, und die zwei Mädchen studieren Jus und Medizin. Die sind für mich ein richtig gutes Beispiel für Integration, auch ohne finanziellen Polster im Hintergrund. Es geht, man muss es aber auch wollen", so Atousa Mastan.
Ali Mahlodji - ein Paradebeispiel
Dafür ist auch Ali Mahlodji ein richtiges Paradebeispiel. Der Selfmade-Bürger, wie er sich selbst bezeichnet, hat es vom Schulabbrecher mit der Gründung von Whatchado (www.whatchado.com/de Online-Plattform, auf der Menschen ihre Berufung finden können) zum international erfolgreichen Unternehmer, Redner und Buchautor geschafft, inklusive des Titels Bachelor of Science für verteilte Computersysteme.
Er ist mehr als nur ein Integrationsbotschafter. Auf seiner erfolgreichen Online-Plattform Whatchado berichten Menschen von ihren Werdegängen und geben damit Orientierung für jene, die ihre noch nicht gefunden haben. Der gebürtige Iraner ist mit seiner Familie als kleines Kind vor über 30 Jahren nach Österreich geflüchtet. Einige Jahre lebte er in Traiskirchen und hat gesehen, wie sein Vater an der Flucht und ihren Folgen zerbrochen ist.
Dementsprechend schwierig war es auch für ihn, hier Fuß zu fassen. Aber er hat es geschafft und zwar aus eigener Kraft. Er weiß, wie wichtig es vor allem für Kinder ist, ihnen eine Perspektive zu geben und ihnen vor Augen zu halten, dass jeder Weg über die Integration führt. Im derzeitigen Wahlkampf läuft seiner Meinung nach vieles schief. "Es sollte bei Themen, die das Land immer mehr spalten, um Lösungen und Inhalte gehen", sagt er, weil man Probleme noch selten wegzaubern konnte.
Kinder, die nicht Deutsch lernen, kosten uns später ein Vielfaches
Ali Mahlodji wird oft - auch in Deutschland - in sogenannte Brennpunkt-Schulen zu Vorträgen geladen. Dort gibt's Ausländeranteile von 80 bis 90 Prozent. Seines Erachtens kann das nicht von einem Lehrer gestemmt werden, denn auch im Managementbereich weiß man, dass ein Manager maximal rund acht Leute führen kann, bei 25 ist er nur mehr Administrator. Seiner Meinung nach braucht es an Schulen einfach mehr Ressourcen, mehr Personal. "Kinder, die jetzt nicht Deutsch lernen, kosten uns als Erwachsene ein Vielfaches", weiß Mahlodji.
Das gleiche gilt natürlich auch für erwachsene Flüchtlinge, die so schnell als möglich in den Arbeitsmarkt integriert werden sollten. Wenn es nicht gelingt, sie dazu zu bringen Deutsch zu lernen, als Gegenleistung für die Mindestsicherung zum Beispiel, werden sich die Kosten immer mehr summieren.
Probleme liegen meist im Elternhaus
So wie Atousa Mastan, sieht auch Ali Mahlodji das Problem meist im Elternhaus, wo nicht Deutsch gesprochen wird. Dem aber nicht genug, wird den Kindern oder Jugendlichen dort auch noch eingeredet, dass sie nichts lernen brauchen, weil sie ohnehin nicht studieren können und irgendwas arbeiten müssen. Die Kids übernehmen diese Glaubensmuster von den Eltern. Wenn sie dann auch noch hören, dass sie ohnehin nichts Wert oder Menschen zweiter Klasse sind, dann ist das Problem perfekt.
"Ich war in Berlin in einer der zehn schlimmsten Schulen. Die Kinder dort haben so eine Wut und so einen Frust. Sie haben aber keinen Kanal das rauszulassen und sind richtig aggressiv. Das ist ja bei uns nicht anders. Jede Form von Gewalt hat ihre Wurzeln im Frust. Dagegen muss man etwas unternehmen. Darin sehe ich meine Arbeit, den Jugendlichen Selbstvertrauen zu geben. Meine Mitarbeiter bei Whatchado und ich, wir erklären ihnen immer, dass sich niemand aussucht, wo er geboren wird oder welchen Namen er trägt, sie es aber jetzt selbst in der Hand haben, etwas zu lernen und sich mit Leistung in die Gesellschaft integrieren können."
"Ich werde Präsident!"
Ali Mahlodji geht es um Selbstwirksamkeit. Darum, dem Kind auf Augenhöhe zu begegnen. Ihm zu vermitteln, was für ein Privileg es ist, in Europa und vor allem in Österreich zu leben. Er weiß wovon er spricht, weil ihn sein Unternehmen als Redner um die ganze Welt geführt hat. Früher konnte er kein Wort Englisch. Das hat er sich mit Youtube binnen eines Jahres selbst beigebracht. Heute hält er auf internationalem Parkett auch Vorträge auf Englisch. Mittels Grafiken zeigt er den Kindern, was man alles erreichen kann, wenn man etwas dafür tut. Vielen öffnet er so die Augen und lässt sie sehen, dass das, was zu Hause gesagt wird, kein Dogma sein muss.
Der Weg in die Selbstermächtigung, in den eigenen Anspruch an sich selbst, zum Wissen um die Wichtigkeit einer Ausbildung, das ist zumindest bei Kindern auf jeden Fall einer, der aus dem Integrationsdilemma führen kann. "Einmal hat ein Bursch zu mir nach meinem Vortrag gesagt: ,Ali, ich werde dich übertrumpfen. Ich werde Präsident.' Da wusste ich, dass meine Botschaft angekommen ist", so Mahlodji, der soeben sein Buch Und was machst du so? Vom Flüchtling und Schulabbrecher zum internationalen Unternehmer herausgebracht hat. Jene, die es können, sollten es unbedingt lesen. Mehr Vorbildwirkung geht nicht!