Das Impulstanz-Festival in Wien erhält Millionenförderungen aus öffentlicher Hand. Heimische Künstler haben wenig davon, dafür gab es heuer einen handfesten Rassismus-Eklat.
Text: Bianca Winkler
Alle Jahre wieder versammelt sich die performative Kunst- und Kulturszene in Wien zum mittlerweile weltweit größten Festival für zeitgenössischen Tanz, dem Impulstanzfestival. Was vor rund 33 Jahren als Workshopserie begann, hat heute eine große Bedeutung über Österreichs Grenzen hinaus. Dafür fließt von Bund und Stadt Wien eine Millionenförderung - die Rede ist von rund 2,8 Millionen Euro. Die heimische Tanzszene hat jedoch so gut wie nichts davon: Sie beklagt schon lange die exorbitanten Preise bei Workshops, während Theaterkarten vergleichsweise günstig zu haben sind. Sie finanziert vielmehr den überproportionierten Theaterbereich und die überall in Wien sichtbare Werbung mit. Viele professionelle Tänzer können und wollen sich das Festival mittlerweile nicht mehr leisten: Heuer musste der Laie schon 195 Euro für einen Workshop mit fünf Einheiten à 90 Minuten zahlen. Tanzen wird so zum Elitesport, was dem ursprünglichen Gedanken widerspricht.
Seit Jahren liefert Impulstanz also viel Stoff für Kritik, doch der Shitstorm, der diesen Sommer im Internet losgebrochen ist, hat dann auch die meisten Kenner der Szene überrascht. Eine weithin unbekannte Tänzerin aus Südamerika namens Fannie Sosa wurde vom Organisationsteam eingeladen, einen Workshop für Twerking zu geben. Sie hat sich anscheinend eine Zusage abringen lassen, obwohl sie dann selbst auf Facebook vermeldete, dass ihr der Kontakt mit den Organisatoren von Anfang an unsympathisch und unheimlich gewesen sei.
Rassentrennung vorgeschrieben
Fannie Sosa wollte dem Organisator Rio Rutzinger nach eigenen Angaben ein Rassismus-Coaching als Bedingung für ihre Teilnahme aufzwingen. Sie hätte ihn gegen eine finanzielle Entschädigung von 300 Euro gecoacht, um ihn für seinen Rassismus zu sensibilisieren. Er sei natürlich ein Rassist, weil er ein weißer Mann ist - die schlimmste Sorte Mensch, die man in den Augen von Personen wie Sosa offensichtlich sein kann. Welche Kompetenz brachte sie mit, um andere über "strukturellen Rassismus" zu belehren? Sie bezeichnet sich selbst als "negro" oder "black femme" - nachvollziehbar ist dabei aber nur, dass sie eine Frau ist, denn "negro" bzw. "black" ist die Argentinierin weder nach anthropologischer noch nach kultureller Definition. Sie stellt sich auch als Wissenschaftlerin dar, ohne jedoch ein konkretes Fachgebiet oder einen Studienabschluss zu deklarieren. Um bei dem Festival zu unterrichten, bestand sie darüber hinaus bei ihren Workshops auf Rassentrennung. "Weiße" Menschen waren nicht zugelassen, der Prospekttext lautete: "Only for coloured people." ("Nur für farbige Personen").
Dass man im 21. Jahrhundert mitten Wien, wo es nie eine offizielle Rassentrennung gegeben hat, einen Workshop veranstaltet, bei dem die Menschen nach Hautfarbe sortiert werden, nur um sich um eine weithin unbekannte Tänzerin mit fragwürdiger Gesinnung zu bemühen, ist schon ziemlich verstörend. Wenn man dann auch noch weiß, wie schwierig es ist, einen Workshop bei Impulstanz zu bekommen, und wie viele heimische Tanztalente abgelehnt werden, dann erscheint die ganze Geschichte noch viel absurder.
Österreicher in Tanzwelt nicht gefragt
Zu Recht verorten da manche einen gewissen Rassismus, wenn Tänzer mit vermeintlich "exotischem" Hintergrund jenen vorgezogen werden, die diesen nicht haben. Doch diese Art von kulturell-selektiver Präferenz ist in der Tanzwelt gang und gäbe. Das geht so weit, dass selbst in Österreich geborene Tänzer lieber einen anderen nationalen Hintergrund vorweisen, wenn sie es aufgrund ihrer Abstammung können. Dabei sollte die Frage der nationalen Herkunft für die Buchung einer Tanzveranstaltung heutzutage vollkommen belanglos sein - schließlich erlernt man Tänze durch Üben und nicht durch Geografie. Da sich die Tanzwelt global und weltoffen gibt, stellt dieser implizite Nationalismus beziehungsweise Rassismus einen noch viel größeren Widerspruch dar.
"Will nicht von Weißen umgeben sein"
Fannie Sosa sagte ihr Erscheinen bei Impulstanz dann kurzfristig ab, offenbar ist sie nicht einmal nach Wien gekommen. In einem langen Post auf Facebook schildert sie die Geschehnisse und rechnet mit dem Impulstanzteam ab. Obwohl sie offensichtlich nur via Facebook und E-Mail Kontakt hatte, ist ihr ganzer Text sehr emotional und umfangreich. Offenbar angewidert von der Tatsache, in ein Land mit überwiegend weißer Bevölkerung zu reisen und mit der Frage, wie Impulstanz dort für ihre Sicherheit sorgen will, benutzt sie "weiß" als Schimpfwort und kulturelles Adjektiv gleichermaßen. Impulstanz ist demnach eine weiße und kolonialistische Organisation. "Ich will nicht an einem Ort sein, an dem ich von Weißen und ihrer Weißheit umgeben bin." ("I do not want to be out numbered by white people and their whiteness ...") Ebenso drückte sie aus, dass sie sich durch die Tatsache, dass ihr die Organisatoren dasselbe Gehalt und dieselben Bedingungen anboten wie allen anderen Workshoplehrern, rassistisch diskriminiert fühlt. Sie schloss ihre Schimpftirade mit folgender, hier auf Deutsch übersetzter Bemerkung: "Ich bin nicht eure spekulative Negerin, die im Herzen des Imperiums sanft den strukturellen Rassismus und Kolonialismus analysieren wird, ohne sich auf die realen, konkreten Auswirkungen des strukturellen Rassismus und Kolonialismus auf MICH zu beziehen." Als Frau mit Migrationshintergrund sei sie in Gefahr und Impulstanz habe durch seine Handlungen sich als "weiß-rassistisch" erwiesen. "Impuls-tanz ist gestrichen", so Sosa.
Auch noch Unterstützung
Der Grund für all den Ärger wird schnell klar: Die Dame forderte eine Entlohnung von Impulstanz für ihre Mühen und ihre Arbeitszeit. Die wurde ihr selbstredend verweigert, denn sie kam nicht und hielt keinen Workshop. So weit, so banal, doch das wirklich Entscheidende sind die seltsamen Reaktionen und Kreise, die diese Geschichte zieht. Impulstanz löschte alle Infos und schwieg zu dem Thema, anstatt darauf aufmerksam zu machen, was da in der "postkolonialen" Theorie auch alles schieflaufen kann. Dabei ist es extrem verstörend, dass der offen gelebte Rassismus einer Frau unter dem Deckmantel der "Dekolonialisierung" keine Kritik nach sich zog. Weil sie ethnisch eine nicht weiße Frau ist, wagte niemand, sie als Rassistin zu charakterisieren - von einer Anzeige wegen Verhetzung ganz zu schweigen. Anstelle von Kritik fand sie auch noch Zuspruch und Bestätigung von anderen, wie rassistisch und kolonialistisch Impulstanz sei oder wie er Menschen vorsortiere. Ebendiese Leute starteten eine Online-Petition, dass Impulstanz Fannie Sosa gefälligst bezahlen soll. Wofür noch mal?
In Österreich werden Unsummen an Fördergeldern für Kunst- und Kulturprojekte ausgegeben, so auch für Impulstanz. Da dürfte es doch nicht sein, dass unter dem Deckmantel von kulturologischer Pseudowissenschaftlichkeit rassistische Handlungsmuster importiert werden, anstatt Tanzbegeisterte zu fördern. Man kann nur hoffen, dass die Veranstalter aus diesem Vorfall lernen.