alles roger?-Kolumne von Peter Westenthaler
Nationalratswahl 3. Oktober 1999: Die SPÖ mit Kanzler Viktor Klima wird mit 33,15 Prozent stärkste Kraft. Dahinter Kopf an Kopf FPÖ und ÖVP mit etwa 26,9 Prozent. Nationalratswahl 15. Oktober 2017: Die ÖVP wird mit 31,5 Prozent stärkste Kraft. Dahinter quasi Kopf an Kopf die SPÖ mit 26,9 und die FPÖ mit 26,0 Prozent. Als Koalitionsverhandler des Jahres 2000 auf Seiten der FPÖ, war der Wahltag 2017 mein Déjà-vu. Ja, natürlich hinkt jeder Vergleich etwas: Klima war bereits vor der Wahl 1999 Kanzler und verlor ein paar Prozente, während Kurz 2017 von Platz zwei die SPÖ überholte. Und ja, die ÖVP lag 1999 einen Hauch hinter der FPÖ, während diesmal die SPÖ diesen Hauch vor der FPÖ liegt.
Aber: In der Konsequenz werden sich noch viele Akteure, vor allem in der SPÖ, an genau diese Konstellation und die vier Monate später folgende größte Schmach der roten Parteigeschichte - zugefügt vom eigenen Koalitionspartner - zurückerinnern: Die ÖVP schloss nach monatelangen (Schein?-)Verhandlungen mit der SPÖ kurz vor Torschluss mit der FPÖ ab, sicherte sich den Kanzler und versenkte die "verhassten Roten" in die Opposition.
Wäre so etwas, mit vertauschten Rollen, aber durchaus vergleichbarer Konstellation 2017 denkbar? Natürlich! Zwei wesentliche Unterschiede erleichtern die Sache sogar: Erstens beträgt der Vorsprung der führenden ÖVP auf die Zweite, die SPÖ, gerade einmal über vier Prozentpunkte. 1999 waren es von SPÖ zu ÖVP sogar deutlichere 6,2 Prozentpunkte. Zweitens ist die FPÖ diesmal knapp Dritte und müsste den "Fehler" von 1999 nicht wiederholen, die Dritten zur Kanzlerpartei zu machen.
Noch deutlicher sprechen freilich aktuellere Ereignisse für eine rot-blaue Liaison. An oberster Stelle steht der tief sitzende Frust beider Parteien über die scheinbar seit gefühlten 1.000 Jahren in der Regierung einzementierte und aus ihrer Sicht ebenso überhebliche schwarz-türkise Truppe, die sich den Machterhalt mit wechselnden Partnern permanent sichert.
Es eint FPÖ und SPÖ, endlich einmal die ÖVP in die (nach deren Verständnis verdiente) Opposition zu schicken. Auch die FPÖ wird sich in diesen Tagen sehr gut an die 2000er-Jahre erinnern, in denen Schwarz-Blau beinahe direkt zum Ende von Blau führte. Oder an die letzte Bundespräsidentenwahl, bei der die ÖVP sich zum großen Teil offen auf die Seite Van der Bellens stellte und somit das erste blaue Staatsoberhaupt verhinderte.
Die SPÖ wiederum ist mit der ÖVP nicht zuletzt wegen des vergifteten Wahlkampfes derart "fertig", dass sie wohl alles daran setzen würde, die Sprengmeister der letzten Koalition, Kurz und Co, in die Oppositionswüste zu schicken. Wer die SPÖ kennt, weiß, dass der obersten Maxime "Wir müssen Kanzler bleiben" alles untergeordnet wird.
Das Wahlergebnis lässt es zu, nach einem allfälligen Scheitern bei der Regierungsbildung mit VP-Kurz wiederum den Kanzleranspruch aus der Position des Zweiten und in Koalition mit der FPÖ zu stellen. Häupl hin oder her. Er hat ohnehin bereits die Türklinke in der Hand und wird daher, je länger die Koalitionsverhandlungen dauern, immer weniger Einfluss darauf haben.
Und was ist nun mit den politischen Inhalten? Mit Verlaub: Jede der drei Parteien findet mit jeder anderen genügend Schnittmengen, um daraus ein Regierungsprogramm zu formulieren. Es geht in erster Linie um das Wollen und eine neue Form des Regierens. Wir steuern jedenfalls auf Regierungsverhandlungen zu, die noch an Eigendynamik zulegen und jegliche mögliche und unmögliche Variante - wie zum Beispiel eine Minderheitsregierung oder Allparteienregierung - ans Tageslicht befördern werden.
Christian Kern und Sebastian Kurz sind nicht in die Politik gegangen, um Juniorpartner oder Oppositionschefs zu werden. Beide werden um den Kanzler kämpfen. Einer wird gewinnen, der andere aus der Politik ausscheiden, genau wie 1999. Damals hatten sich übrigens SPÖ-Chef Klima und FPÖ-Chef Haider bereits auf eine rot-blaue Zusammenarbeit verständigt, die in letzter Sekunde von ein paar wenigen Mächtigen in der SPÖ verhindert wurde. Damals wie heute wird es aufgrund des Wahlergebnisses letztlich der Chef der erstarkten FPÖ sein, der entscheiden könnte, wer künftig regiert. Alles zusammen: Déjà-vu ...