Zurück zu den Wurzeln treibt es derzeit so viele Österreicher wie nie zuvor. Ahnenforschung ist im Trend. Manche machen sich selbst auf die Spurensuche ihrer Herkunft, andere beauftragen jenen Mann, der herausfand, dass der Ex-US-Außenminister John Kerry seine Wurzeln in Mödling hat: Felix Gundacker.
Text: Martina Bauer
In den Familienangelegenheiten anderer Leute herumzuschnüffeln, das Hobby Ahnenforschung, hat Felix Gundacker zu seinem Beruf gemacht. Mit der Digitalisierung von Quellen ist auch das Interesse der Österreicher an ihren Wurzeln stark gestiegen. Wer den Genealogen nicht beauftragen, sondern selbst forschen möchte, der kann das in diesbezüglichen Seminaren lernen.
Sieben Leute sitzen in der VHS Mödling. Sie alle wollen wissen, woher sie kommen, wer ihre Ahnen waren, und vor allem wie sie das herausfinden können. Gundacker erläutert zunächst die Matriken, also die Quellen, wo man forschen kann. Österreichs populärster Genealoge weiß, wovon er spricht. Kaum eine Information ohne Geschichte dazu. Geschichte ist generell das Thema hinter der Ahnenforschung. "Viele Menschen entdecken erst so ihr Interesse für das Zeitgeschehen von früher. Sie wollen wissen, wie man zu der Zeit gelebt hat, welche Regeln galten", erklärt Gundacker seinem Publikum.
Es ist erschreckend, wie rau die Sitten im 17. und auch noch im 18. Jahrhundert in Österreich waren. Vor allem, was die Religion anging. Von den Lebensbedingungen ganz abgesehen. Die waren damals für heutige Verhältnisse nahezu unvorstellbar. So wurde zum Beispiel eine Mutter, die kurz zuvor Zwillingen das Leben geschenkt hatte, verblutet am Acker gefunden. Gleich nach der Geburt ging sie zurück zum Erdäpfelklauben und starb dabei. Vor 1600 steht die Mutter aber mitunter erst gar nicht im Taufbuch, weil sie ja "nur das Kind auf die Welt brachte", weiß Gundacker.
Wer sich also auf die Spuren seiner Ahnen machen möchte, muss nicht nur viel Geduld und Akribie mitbringen, sondern vor allem auch gute Nerven. Nicht immer war tatsächlich alles so, wie es in der Familie überliefert ist. Nicht selten wurde Kindern ein anderer Vater untergejubelt. Gerne wurde auch angegeben, dass der Vater gefallen sei, was sich bei sorgfältiger Recherche als Lüge herausgestellt hat. "Wenn man etwas an einer Stelle nicht findet, dann findet man es eben woanders. Dann hat an den Überlieferungen etwas nicht gestimmt", so Felix Gundacker.
Bei Familiengeschichten gibt es nichts, was dem Forscher nicht schon untergekommen ist. "Manchmal ist es auch gar nicht so einfach, den Leuten ihre wahre Abstammung näherzubringen. Vor allem dann, wenn sich herausstellt, dass der Auftraggeber selbst ein ,Windischer? (Slowene) ist, der bis dahin aber mit hingebungsvoller Leidenschaft gegen die ,Windischen? geschimpft hat", sagt der Forscher.
Inzucht, die in Expertenkreisen als Ahnenschwund bezeichnet wird, ist ebenfalls ein Thema, auf das man nicht nur in diversen Tälern oder besonders ärmlichen Gegenden stoßen kann. "Mathematisch ist das einfach zwingend. Rein rechnerisch würde sich das sonst gar nicht ausgehen. Ich hatte erst drei Forschungen, wo es keinen Ahnenschwund gab", erklärt Gundacker. Hinzu kommt, dass um 1850 uneheliche Kinder eher die Regel als die Ausnahme waren.
Man muss es also genau wissen wollen, wenn man in der Vergangenheit schnüffelt. Wer sich dafür entscheidet, kann auf Standesämtern, in Kirchen- oder Grundbüchern forschen. Evangelische Matriken gibt es allerdings erst seit 1784, zumal die Protestanten im 17. Jahrhundert aus dem Land gejagt wurden. Eine weitere Hürde ist zweifelsohne die Kurrentschrift. Wer diese Schrift nicht lesen kann, ist im Aufzeichnungsdschungel so gut wie verloren. Sonderlich schwer zu erlernen ist das Lesen aber nicht.
Bei den Forschungen kann es mitunter richtig witzig oder kurios werden. Bei Namen zum Beispiel. Maushirn, Blödy, Hühnerbein, Fettfleisch - das sind nur einige ungewöhnliche Nachnamen, denen Felix Gundacker im Zuge seiner Arbeit begegnete. Saturnin, Gundobaldine, Pyrrhus und Johann der Enthauptete sind Vornamen, die dem Genealogen auch schon untergekommen sind.
Abenteuerlich ist dieser Job allemal. Wie er dazu gekommen ist, erklärt der Ahnenforscher gegenüber alles roger? so: "Mein Großvater hat hobbymäßig Ahnenforschung betrieben und davon bei den zwei Familienfesten im Jahr erzählt. Während die anderen dachten ,nicht schon wieder?, habe ich mich schon mit 14 Jahren dafür interessiert. Damit hatte auch ich ein Hobby. Später wurde ich Bautechniker, aber schon bald habe ich gemerkt, dass es für Ahnenforschung einen Markt gibt und das meine Berufung ist."
Das merkt man bei jedem Wort in seinem Vortrag. Kürzlich wurde Gundacker sogar der Professorentitel verliehen. Für seinen Einsatz als Genealoge und Kulturvermittler. Seine Kunden kommen von allen Kontinenten. Geforscht wird aber primär in der ehemaligen Habsburgermonarchie und in den Nachbarstaaten. Jeden Tag aufs Neue. Es sind Sätze wie jener, die auch den erfahrenen Forscher staunen lassen: "Sie verheiraten einander nichts außer ihrer Lieb und Treu". Dieser Satz stand dort, wo für gewöhnlich die Mitgift der Ehepartner festgehalten wurde. Da sie aber kein Vermögen hatten, wurde eben dies niedergeschrieben. Ebenfalls ein bewegender Moment war für Gundacker, als er he-rausfand, dass 1667 im burgenländischen Breitenbrunn ein 102 Jahre alter Bettelmann geheiratet hat - mit dem Namen Simon Trieb. Wenn das nicht Liebe war.
Ob Liebe oder Vernunft, im Wiener Stadt- und Landesarchiv schlummern viele Familien-Geschichten, die auf ihre Entdeckung warten. Einen Einblick dazu gibt's bei der Ausstellung "Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm", die noch bis 25. August im Wiener Gasometer zu sehen ist. Wer seine eigenen Wurzeln erforschen möchte, schaut am besten einmal auf der Internetseite von Felix Gundacker vorbei: www.ihff.at. Es wird spannend, zumindest das ist garantiert ...