Russland-Sanktionen: Schaden wird immer größer

Foto: 123rf
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Die österreichischen Exporte nach Russland sind wegen der EU-Sanktionen fast um die Hälfte zurückgegangen. Auch wendet sich Russland immer mehr von der EU ab. Dennoch fordern immer weniger Regierungspolitiker die Aufhebung. Russland dürfte hingegen gestärkt aus der Krise hervorgehen: Besonders bei Lebensmitteln versorgt sich die große Nation zu einem immer höheren Anteil selbst.


Text: Klaus Faißner und Martina Bauer

Eine "Entfremdung" sei zunehmend "zwischen Russland und der EU zu spüren". Zusätzlich zu den wirtschaftlichen Sanktionen. Das erklärt der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Moskau, Rudolf Lukavsky, gegenüber alles roger?. Die russische Regierung habe sich entschieden, mehr auf Lokalisierung zu setzen und die früheren Importe durch eigene Waren zu ersetzen. "Immer mehr Verordnungen werden in Russland erlassen, welche die öffentliche Beschaffung auf russische Zulieferer und Produkte mit hoher lokaler Wertschöpfung einschränken", so Lukavsky. Ausländische westliche Anbieter kämen nur dann zum Zug, wenn es keine russische oder asiatische Alternative gibt. Mit anderen Worten: Russland kommt zuerst und dann asiatische Staaten. Obwohl Qualität und Service aus China schlechter seien, hat die EU die europäische Wirtschaft ausrangiert. "Für Europa sind die Sanktionen ein Schuss ins Knie", hatte die Sanktionen schon Lukavskys Vorgänger bezeichnet (alles roger? berichtete).

Dabei sind die Sanktionen gegen Russland völkerrechtswidrig. Die Bevölkerung der Halbinsel Krim schloss sich 2014 freiwillig an Russland an, was sie laut dem Selbstbestimmungsrecht der Völker auch durfte.

"Njet" bei Fleisch und Käse

Laut einer Studie des österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) kosteten die Russland-Sanktionen Österreich 7.000 Arbeitsplätze. Die Ausfuhren nach Russland haben sich mit minus 46 Prozent seit 2013 fast halbiert. Die wichtigsten Exportprodukte österreichischer Firmen nach Russland sind Maschinen und Anlagen, gefolgt von pharmazeutischen Produkten sowie Eisen- und Stahlwaren. Besonders stark brachen die österreichischen Lebensmittelexporte ein. Hier sind nur mehr Getränke von größerer Bedeutung, die von den russischen Einfuhrbeschränkungen nicht betroffen sind. Fleisch, Wurst und Käse dürfen nicht mehr nach Russland exportiert werden, bei Obst und Gemüse sieht es kaum besser aus. Auf fast 150 Millionen Euro beläuft sich das Minus im Agrar- und Lebensmittelbereich. Auch der Tourismus leidet.

Im vergangenen Oktober forderte Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter noch, dass sich Bundeskanzler Christian Kern für ein Ende der Russland-Sanktionen einsetzen solle. Auch Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl mahnte mehrere Male energisch wieder normale Beziehungen mit Russland ein. Kurz nach Ausrufung der Sanktionen hatte er 2014 demonstrativ den russischen Staatschef Wladimir Putin in Wien empfangen. Als Leitl stolz erzählte, dass er schon so lange Wirtschaftskammerpräsident sei, dass er Putin bereits zum dritten Mal begrüßen dürfe, zeigte Putin auf Leitl und sagte scherzend: "Diktatur, aber gute Diktatur" Doch in den vergangenen Monaten sind die Rufe nach einem Ende der Sanktionen leiser geworden.

Alles halb so wild?

Stattdessen heißt es aus dem Landwirtschaftsministerium, dass die in Russland erlittenen Exportverluste in anderen Ländern Asiens und Ozeaniens wettgemacht worden seien. Österreichisches Schweinefleisch werde etwa vermehrt nach Südkorea und Japan exportiert. Eine neue Exportstrategie ziele darauf ab, vom Embargo nicht betroffene Waren nach Russland zu liefern wie etwa Umwelttechnologie oder Holz. Seit Ende 2016 gehe es insgesamt wieder bergauf, meint auch der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Moskau, Rudolf Lukavsky: 2017 könnte es ein Plus von etwa zehn Prozent geben.

Völlig unglaubwürdig ist die positive Stimmung zumindest im Landwirtschaftsbereich für Harald Jannach, Agrarsprecher der FPÖ: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Exportausfälle nach Russland kompensiert wurden. Sonst gäbe es den Preisverfall für landwirtschaftliche Produkte nicht." Es seien deutlich mehr Waren auf dem EU-Markt. Hinter vorgehaltener Hand seien Vertreter aller Parteien gegen die Sanktionen. Landwirtschaftsminister Rupprechter habe gesagt, dass als EU-Mitglied nur ein gemeinsames Vorgehen möglich sei. Es könne nicht sein, dass man mit Diktaturen wie Saudi-Arabien oder China Handel treibt und bei Russland den moralischen Zeigefinger erhebt: "Die Sanktionen sind scheinheilig und schädlich für die Wirtschaft. Wir sind für die sofortige Aufhebung der Sanktionen. Sie haben keinen einzigen Vorteil gebracht", so Jannach.

Russland unabhängiger

Für Russland hatte das EU-Embargo jedoch erstaunlich positive Folgen: Die führenden Politiker erkannten, wie wichtig es ist, unabhängiger von Importen zu werden. Russland kann inzwischen seinen Bedarf an Schweinefleisch, Weizen und Mais decken, was vor wenigen Jahren noch nicht der Fall war. "Selbst wenn die Einfuhrbeschränkungen für österreichisches Fleisch wieder aufgehoben werden, hat Russland nicht mehr den gleichen Importbedarf wie früher", erklärt

Wirtschaftsdelegierter Lukavsky. Russische Bauern bauen auf mehr Flächen an als vor den Sanktionen und produzieren deutlich mehr als vorher. Nach Angaben der russischen Rating-Agentur NRA zählt die Landwirtschaft zu den Branchen, die sich am besten entwickeln.

"Durch die starke Rubelabwertung sind Waren aus Russland wettbewerbsfähiger als noch vor einigen Jahren." Schon längst ist von einer "Wiedergeburt der russischen Landwirtschaft" die Rede. Und diese verläuft gentechnikfrei. "Wenn Amerikaner Gentechnik-Produkte essen wollen, sollen sie sie essen. Wir brauchen das nicht zu tun. Wir haben genug Platz und Gelegenheit, biologische Lebensmittel zu produzieren", sagte Russlands Premierminister Medwedew schon 2014. Putin äußerte sich später ähnlich. Das flächenmäßig größte Land der Welt ist auf einmal eine, wenn nicht die Speerspitze im Kampf gegen die Gentechnik und bei der Umstellung auf biologische Landwirtschaft. Auch dank der EU-Sanktionen.

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