Bewegung 2.0

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Das Ende der Parteien?


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alles roger?-Kolumne von Peter Westenthaler

"Wir müssen die Allmacht der Parteien brechen und Ihren Einfluss zurückdrängen. Wir wollen uns für Neues öffnen. Inhaltlich und personell. Ab heute werden wir eine breite, offene Bewegung für die Zukunft Österreichs sein".

Alle Sebastian-Kurz-Fans müssen jetzt sehr tapfer sein, denn diese Worte stammen nicht vom neuen "schwarzen Messias", sondern vom ehemaligen "Gottseibeiuns" der österreichischen Innenpolitik Jörg Haider. Bereits im Jänner 1995 verwandelte er am damaligen Parteitag die FPÖ in die F-Bewegung. Kurz war damals gerade mal neun Jahre jung. Und trotzdem hat es den Anschein, als würde er Stein für Stein am selben politischen Konzept basteln wie einst Haider. Ein Schelm, der da an schlaue, grauhaarige Kurz-Berater im Hintergrund denkt, die diese Zeit politisch aktiv miterlebt haben und nun Versatzstücke daraus für die Kurz-Bewegung 2.0 verwenden. Denn es sind erstaunliche Parallelen zur aktuellen Entwicklung in der ÖVP, Pardon, "neuen Volkspartei" zu erkennen. Nicht nur das interessante Detail, des Verschwindens unseres Landes "Österreichs" aus dem Parteinamen oder besser Bewegungsnamen. Nein, auch die weitreichenden Vollmachten für den Obmann weisen - damals wie heute - erstaunliche Ähnlichkeiten auf. Die nunmehrigen "Beweger" von Schwarz haben allerdings in einem Jörg Haider sogar noch übertroffen: Während bei künftigen Listenerstellungen ohne Kurz gar nichts mehr geht, setzte Haider mit seiner F-Bewegung in dieser Frage zu einem Demokratisierungsschub an. Denn nicht mehr Parteigremien sollten damals die Wahllisten hinter Polstertüren geheim ausmauscheln, auch nicht der Obmann, sondern offene Konvente, an welchen jeder teilnehmen konnte - auch Nichtmitglieder.

Trotzdem wurde Haiders neuer Bewegung ab dem ersten Tag von den Medien die Punze "Führer-Partei" aufgedrückt. Gar nicht auszudenken, was mit dem armen Österreich alles passieren würde, wenn Haider Bundeskanzler würde und seine Allmachtsfantasien auf die ganze Republik übertragen würde. Das war das Schreckgespenst, welches damals von der vereinten Linken und auch so manchen ÖVP-Prota-gonisten im Lande aus der Truhe geholt wurde. Und womit? Mit Erfolg! Die F-Bewegung verlor prompt die NR-Wahlen nur knapp ein Jahr nach Ihrer Gründung - übrigens die einzige NR-Wahl, die unter Haider verloren ging. Bereits Ende 1996 war die Bewegung wieder Geschichte und wurde wieder zur ursprünglichen FPÖ. Das Ende der Parteien wurde abgesagt. Auch hier gibt es Parallelen zu heute. Während etwa in Frankreich Monsieur Macron erst gewann, als er seine SP-Partei abstreifte und dort wie auch bei uns in Österreich bei der Präsidentenwahl Sozialisten und Konservative schwer vom Wähler abgestraft wurden, deuten alle Zeichen für die Bundestagswahl in Deutschland darauf hin, dass dort die klassischen Parteien eine Renaissance erleben werden.

Von wegen Ende der Parteien. In Österreich sind bisher sämtliche Versuche, neben den etablierten Parteien etwas Neues zu probieren, gescheitert. Die Liste ist lang: LIF, Dinkhauser, Lugner, BZÖ, Frank, Piraten, EUAUS usw. Wahrscheinlich wird diese Liste im Herbst um Neos und TS ergänzt werden. Österreich ist auf dem Weg zurück zu einem Vier-Parteien-Parlament, wobei die Betonung auf Parteien (!) liegt. Um genau eine solche handelt es sich natürlich auch bei der Liste Kurz. Bei allem Engagement und jugendlichem Elan wird Kurz dabei aufpassen müssen, dass am Ende nicht ein Etikettenschwindel übrig bleibt, also nur das Türschild gewechselt, die Verpackung erneuert und ein paar Köpfe ausgetauscht werden, aber die politischen Inhalte die gleichen bleiben. Wir wissen jetzt, dass Kurz die Politik verändern und vor allem "bewegen" will, aber wohin wissen wir noch nicht. Bisher hat Kurz leider jene Politik tatkräftig unterstützt, die bei den letzten Wahlen europaweit eine Abfuhr vom Wähler erhielt. Hat er vor dem Hintergrund des mittlerweile weitreichenden Polit-Common-Sense in der EU - siehe völliges Versagen in der Asylpolitik - überhaupt einen Handlungsspielraum? Die kommende Wahlauseinandersetzung bietet eine gute Gelegenheit, diese Fragen klar zu beantworten, denn es kommt, wie es kommen musste: Ein Dreikampf Kern-Kurz-Strache, bevor einer im Herbst die Nase knapp vorne hat und Kanzler werden wird. Für diese "Zielfotoentscheidung" wird Glaubwürdigkeit, Authentizität und Originalität wichtiger sein als billige Taktiererei, plumpes Polit-Marketing und leere Versprech-ungen.

 

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