Mitten in Wien schlagen sich Männer zum Spaß die Schädel ein. Einmal im Monat gibt es Platzwunden und gebrochene Finger. Lokalaugenschein in einem geheimen Fight Club, wo nur eine Regel existiert: Du darfst nicht verlieren. Text: Roland Hofbauer
Treffpunkt ist eine alte Autowerkstatt in Wien-Floridsdorf. Reifen lehnen an der Wand. Rostige Kotflügel liegen auf öligem Boden. Es riecht nach Testosteron. Ein paar Dutzend Leute warten.
Erster Kampf: Marco, Aufzugstechniker bei Otis, und Robert, Kellner in einem Biergarten. Bei der Vorbereitung geht alles flott. Oberkörper frei machen, Uhren, Gürtel und Ringe weg, Schuhe ausziehen. Ringrichter Adrian sagt "Fight!", und es geht los. Haut drauf, Leute.
Es gibt ein paar Schwinger an die Köpfe. Knapp eine Minute dauert die unkontrolliert wirkende Rauferei. Der Kellner will abducken, doch der Techniker ist schneller. Vier, fünf Mal trifft er sein Gegenüber am Kopf, dann geht der Kellner zu Boden. Die Menge tobt, die beiden Kontrahenten werden angefeuert. Noch ist der Kampf nicht aus.
Wetten wurden keine abgeschlossen. Das ist verpönt, wie jeder hier weiß. Die Schlägerei geht weiter. Nach drei Tritten gegen den Schädel fällt der Kellner um, liegt auf dem Boden, klopft benommen ab. Aus seiner Nase rinnt ein Schwall Blut. Gleich wird ihm aufgeholfen. Die zwei Männer umarmen sich, klopfen sich gegenseitig auf die Schulter und gehen ein Bier trinken. Kein Ausrasten, kein Nachschlagen. Alles wirkt sehr hart, aber fair. Fast wie kameradschaftliches Schädeleinhauen.
Für die Zuschauer daheim: So einfach war es nicht, Einblick in diesen Schauplatz zu bekommen. Nach langer Recherche in Sportstudios, Motoradclubs und der Freefightszene haben wir den entscheidenden Tipp bekommen. "Ihr sucht in der ganz falschen Richtung", sagte seltsamerweise ein Yogalehrer aus dem ersten Bezirk. Nicht Profis oder Kampfsportler würden sich einmal im Monat prügeln, sondern ganz normale Durchschnittstypen. Hanseln, die Dampf ablassen wollen. Durch den Yogi bekamen wir Kontakt zu Veranstalter Adrian und eine Einladung zur ungewöhnlichsten Wochenendveranstaltung Österreichs. Freitagnachmittag, 16 Uhr, in der Wagramer Straße in Floridsdorf. Die alte Autowerkstatt hat eine große Halle. Hier versammeln sich schon seit fünf Jahren Männer der verschiedensten Gesellschaftsschichten, um sich anständig in die Goschen zu hauen. Wir sehen Männer im Blaumann, Herren im Anzug, Figuren im Sportgewand und Typen in Poloshirt und Jeans. Wir werden freundlich begrüßt, aber zurechtgewiesen: Keine Gesichter fotografieren. Sonst gibt?s Haue. In der Halle stehen zwei Kühlschränke mit Wasser und Bier zur freien Entnahme. Lockere Atmosphäre und zehn Minuten Smalltalk. Gesprochen wird über Kinder, Job und Modellfliegen. Dann geht die Tür auf und ein schlaksiger Typ mit Lederjacke und langen Haaren betritt die Halle. "So, auf geht?s, Burschen", sagt Gründer und Gastgeber Adrian W. mit breitem Lächeln. Es folgen ein paar Worte über Verbote und Fairness, wobei man sagen muss, dass alles erlaubt ist - außer in die Weichteile treten und mit den Fingern in Mund oder Augen stechen.
Zweiter Kampf: ein Jurist aus Gänserndorf und ein Lackierer aus Meidling. Hier geht es schon heftiger zur Sache, da beide Männer eine Grundahnung vom Boxen haben und sehr sportlich sind. Die Fäuste fliegen platziert, schnell fließt Blut aus einem Cut über dem Auge und einer offenen Lippe. Dann geht es nach einem Tackling auf den Boden, und weiter wird mit Knien und Ellbogen aufeinander eingeprügelt. Auf ein Break des Veranstalters wartet man vergeblich. Nur die ?Gib?s der Sau!?-Rufe und taktische Tipps sind aus der grölenden Menge herauszuhören. Nach drei Minuten endet die Auseinandersetzung mit einem Würgegriff des Lackierers. Der Jurist ist schon blau im Gesicht und gibt auf. Der Sieger hat eine dicke Platzwunde über dem rechten Auge, der zukünftige Anwalt ein geschwollenes Jochbein und eine offene Lippe. Auch hier wird fest gedrückt und gemeinsam mit Bier angestoßen. Beide Männer werden von der Gruppe wie Helden gefeiert. Das Volk braucht Blut und Spiele.
Juristische Spitzfindigkeiten kann man vom Verlierer hören: "Gott sei Dank sind die Veranstaltungen nur einmal im Monat. Es ist oft schwierig, die Blessuren zu erklären. Zu Hause erzähle ich von einem Grundkurs im Boxen. Oder von einer Backhand, die ich beim Squashspielen kassiert habe. Vor einem wichtigen Termin oder einer Anhörung geb ich mir das natürlich nicht."
Zwischendurch trinken die Leute Bier. Es ist ein warmer Tag und der Durst groß. Die Zuschauer sind verschieden und mitteilsam. "Bei mir in der Familie gab es immer Gewalt", sagt ein Mitarbeiter der MA 48, "mein Vater hat mich grün und blau geschlagen. Ich will das meiner Familie nicht antun, und hier kann ich meinen Frust oder meine Aggressionen unter Gleichgesinnten abbauen." Den Einwand, dass er das auch in einem normalem Boxstudio erledigen könnte, wischt er vom Tisch: "Des verstehen so Leut wie du halt ned."
Nach knapp zwei Stunden ist die Schlägerei vorbei, und die Mitglieder des Fightclubs gehen getrennte Wege. Zwar ein bisschen lädierter als vorher, aber glücklich. Ein gebrochener Zeigefinger, eine blutende Nase, ein Cut über dem Auge und etliche blaue Flecken. Das Ergebnis nach dem Abenteuer im 21. Wiener Gemeindebezirk. Ob es wirklich Sinn macht, kann man nur persönlich erfahren. Vielleicht sollte man das wirklich einmal ausprobieren, aber da lasse ich doch lieber meinem lieben Kollegen Peter Westenthaler den Vortritt.