Gesetze gegen die Bürger

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Was die Regierung oder die EU will, das wird beschlossen. Per Gesetz. Damit sich alle daran halten müssen. Immer öfter sind Gesetzesbeschlüsse ebenso sinnbefreit wie dreist. Die Politiker, also die Angestellten des Volkes, scheren sich wenig um das, was die Leute wollen. Sie tanzen nach den Pfeifen der Finanz-Elite. Text: Martina Bauer

Oft schrillen die EU-Pfeifen so laut, dass man im eigenen Land schon nicht mehr weiß, wer wofür zuständig ist. Das Luftfahrtsicherheitsgesetz ist so ein Beispiel. Mitte April wurde die Vorratsdatenspeicherung für Fluggastdaten innerhalb der EU beschlossen. Die Umsetzung liegt bei den jeweiligen Staaten. alles roger? wollte dazu Näheres erfahren.

Anruf in der Pressestelle des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie. Nach interner Weiterreichung der Kompetenz gab man den Ball schließlich ans Bundesministerium für Inneres ab. „Da geht es um Sicherheit, da ist das BMI zuständig“, hieß es.

Dort war aber zu hören: „Die Luftfahrt fällt ja wohl unter Verkehr, also ist eindeutig das BMVIT zuständig!“. Mit dieser Information folgte der nächste Anruf im Verkehrsministerium. „Also sicher nicht, aber ich schicke ihnen gerne einen Link zu diesem Gesetz“, sagte Pressesprecher Mag. Walter Fleißner. Telefonisch war er danach für weitere Fragen erst mal nicht erreichbar.

Was kam, war eine Mail. In der stand: „Ich kann leider mit keinen Neuigkeiten aufwarten, die Sache ist so: Für die innerstaatliche Umsetzung der Richtlinie und die Vollziehung ist das Innenministerium zuständig. Das ist, wie sich aus dem Inhalt der Richtlinie ergibt, eine Angelegenheit für die Sicherheitsbehörden. Hintergrund: Ihr Hinweis auf das Flugsicherheitsgesetz steht dem nicht entgegen, da für dieses Gesetz und seine Vollziehung sowohl das BMI als auch das BMVIT zuständig sind, und zwar je nach ihren Aufgaben, die sie laut Bundesministeriengesetz haben.“

Also ging der nächste Anruf wieder an den Pressesprecher des BMI. Karl-Heinz Grundböck. Der sonst so freundliche Mann zeigte dann schon Nerven und sagte über seinen Kollegen: „Der weiß ja nicht mal, dass es Luftfahrtsicherheitsgesetz heißt und nicht Flugsicherheitsgesetz. Aber auf jeden Fall fällt das in den Bereich des BMVIT!“ Er gab dann doch Auskünfte unter dem Vorbehalt der Mutmaßung, mit weiterem Verweis zum Verkehrsministerium und nach Brüssel.

Irgendwie lustig. Aber irgendwie auch nicht. Denn diese Posse zeigt, wie sehr die Gesetze und ihre Umsetzung von Brüssel gesteuert sind und im eigenen Land zu einem Wirrwarr führen. Zu erfahren war, dass Österreich nun eine PNR (Passenger Name Record)-Zentralstelle installieren muss. Wann und wo, das ist noch offen. In die Umsetzung wird sich aber auch das BMI einbringen. Dort werden dann die Daten der Fluggäste nach und aus der EU gespeichert. Gesammelt werden sie von den Fluglinien. Mutmaßlich von allen. Kolportiert wird die Speicherung von 60 Daten. Näheres war dazu leider nicht zu erfahren.

Vor dem Partner kann man also noch geheim halten, mit wem man wie oft wohin fliegt und über welche Mailadresse oder Kreditkarte die Flüge gebucht werden. Die EU und die USA wissen jedenfalls Bescheid. Fünf Jahre lang. Danach beginnt das Daten-Sammelspiel von vorne.

Dafür gibt es Gründe, und die heißen: Terrorangst oder Kampf dem Terror. Ganz wie man möchte. Dank der Außen- und Kriegspolitik der USA befindet sich die Welt im globalen Chaos. Allgegenwärtige Terrorgefahr inklusive. Überwachung hat nichts gebracht, also hat man sich auf noch mehr Überwachung geeinigt. Das bringt die Mächtigen zumindest ihrem Ziel, der totalen Überwachung, näher. Wenn es schon nichts gegen den Terror hilft.

Sensible Daten, die auf Religion, Rasse, das Sexualleben oder ähnlich Persönliches schließen lassen, müssen herausgefiltert und unkenntlich gemacht werden. Es gibt aber zwei Ausnahmen. Die eine: Wenn Gefahr für Leib und Leben anderer Personen besteht. Und die andere, was für eine Überraschung: Sensible Daten dürfen jedoch zwecks Ermittlungen, Strafverfolgungs- oder Strafvollzugsmaßnahmen in einem konkreten Fall für die in den Vorschriften der Vereinigten Staaten vorgesehene Dauer aufbewahrt werden. Klartext: Die Amis dürfen unsere Daten wieder mal so handhaben, wie sie das möchten. Welchen Stellenwert der Datenschutz in den USA hat, ist bekannt.

Dem großen Bruder überm Teich ist es wohl überhaupt zu verdanken dass dieses Gesetz in der EU beschlossen wurde. Es war nämlich schon so gut wie vom Tisch, bis dann doch – wie meistens – genug umfielen und dafür stimmten. Allen Bedenken der Datenschützer zum Trotz. Was die Bevölkerung davon hält, war den Politikern in der EU auch egal. Interessiert eh keinen, solange die Massenmedien nicht da-rüber berichten, und das haben sie – warum auch immer – ja auch nicht getan.

Politisches Handeln sollte auch soziales Handeln für das Zusammenleben von Menschen sein. Heutzutage sind politische Handlungen aber immer mehr Ungeheuerlichkeiten als alles andere. Die Politikverdrossenheit muss nicht wundern. Früher hatte fast jeder Gauner mehr Ehre in sich als EU-hörige Politiker der Gegenwart. Parteien verraten ihre Werte und ihre Wähler gleich mit. Machterhalt hat oberste Priorität. Hinzu kommt Ahnungslosigkeit, die noch die mildeste Rechtfertigung für diverse Aktionen ist.

Nur Unwissenheit und Kurzsichtigkeit kann dazu geführt haben, dass die österreichische Regierung ein Gesetz zum Wildwuchs für den Drogenhandel abgesegnet hat. Vorausgesetzt man blendet die böse Absicht aus. Mit Monatsbeginn wurde es zwar in Bezug auf den Suchtgifthandel im öffentlichen Raum wieder geändert. Aber von heute auf morgen ist damit auch nicht aufgeräumt.

Einer der Hotspots: Thaliastraße. Dort war die Auswahl an Drogen schon viel größer als an Bio-Produkten. Bei helllichtem Tag und auf offener Straße wurde einem alles angeboten, was die Birne so richtig weich macht. Die Dealer fristeten ihr Dasein in ungestörter Symbiose mit Waren und Kunden. Der Polizei waren per Gesetz die Hände gebunden.

Mit 1. Juni sind die Staatsorgane wieder entfesselt und müssen nun das Chaos in Ordnung bringen, das die Politik ermöglicht hat. Schnellere U-Haft und Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren sind nun möglich. Trotzdem: Der Frust ist groß. Bei der Polizei und bei den Bürgern. Wien als Mekka für Drogendealer wäre vermeidbar gewesen. Wer sich solche Gesetze ausdenkt, dem muss man einfach eine gewisse Realitätsferne attestieren. Vielleicht würden den Nationalratsabgeordneten ab und an Ausflüge nach Ottakring, Favoriten oder auf den Praterstern zeigen, wie anders Wien mittlerweile wirklich ist.

Wenn aber überhaupt über den Tellerrand geschaut wird, dann nach Brüssel. Dort wurde zu Redaktionsschluss noch über den weiteren Einsatz von Glyphosat gestritten. Während die einen Monsantos Kassenschlager Glyphosat genehmigen wollen, lehnen die anderen das als Unkrautmittel Roundup bekannte Gift ab. All das unter heftigen Protesten der Bevölkerung, die gegen das Unkrautmittel ist. Kommt die Zustimmung, ist klar: Die Interessen der Menschen

gelten nichts im Vergleich zu denen eines US-Konzerns. Der Gentechnik-Riese hat es sich dann wieder einmal gerichtet. Die EU-Kommission könnte auch einen Alleingang riskieren. Das wäre demokratiepolitisch aber ein Verrat.

Ähnliches droht uns auch mit TTIP und CETA. Halb Europa ist dagegen schon auf die Straße gegangen. Die

EU-Bürger lehnen diese Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada vehement ab. Den Regierungen, allen voran der selbst ernannten EU-Chefin Angela Merkel, geht das sonst wo vorbei. Anders ist es nicht zu erklären, dass überhaupt noch weiter verhandelt und hinter verschlossenen Türen gemauschelt wird.

Es bedarf Leaks, also Lecks, damit wir überhaupt mitkriegen, worüber da über unseren Willen hinweg verhandelt wird. Wenn das – wenig überraschend – die Menschen noch mehr aufbringt, weil die Wahrheit jede Befürchtung an Schrecklichkeit übertrifft, werden die sogenannten Whistleblower angeklagt. Sie sind dann die Verbrecher. Nicht jene, die gegen die Bedürfnisse des Volkes regieren.

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