Knalleffekt: So tickt der Identitären-Boss

Foto: beigestellt

Martin Sellner hat jüngst zwei Mal aus einer Pfefferspraypistole gefeuert und sich damit ins mediale Kreuzfeuer geschossen. Der 28-jährige Chef der Wiener Identitären Bewegung spricht von Selbstverteidigung. alles roger? verriet er, wie es wirklich war, wie er tickt und dass er Origami macht.


Interview: Martina Bauer

Herr Sellner, wie war das wirklich bei dem Überfall in der U-Bahn-Station?

Ich wurde von acht Leuten in zwei Gruppen angegriffen. Einige waren vermummt. Sie haben mich getreten und geschlagen. Ich wehrte mich mit meiner Pfefferspraypistole JPX, die man auf Amazon bestellen kann. Betätigte sie zwei Mal. Offenbar hat mich jemand erkannt und die Demonstranten informiert.

 Wann waren Sie dort und warum?

Ich dachte, die Demo sei vorbei. Die war fünf Stunden vorher. Ich wollte einen Freund treffen, aber der hat mir abgesagt. Dann hat mich ein Student erkannt und wir haben ein interessantes Gespräch geführt. Ein linker Student übrigens.

 Sind Sie immer bewaffnet?

Mit der Pfefferspraypistole, ja, weil ich davor schon drei Mal von Linken überfallen wurde.

 Medien haben mit einer Gefängnisstrafe spekuliert.

Das ist absurd. Ich wurde als Einzelner von mehreren Leuten attackiert. Das wird auch der linke Student aussagen. Das finde ich ganz toll von ihm. Ich hoffe, der Vorfall ist auf Video.

 Was ist Ihr Beruf?

Ich habe Philosophie studiert und mit einem Bachelor abgeschlossen. Jus habe ich noch nicht fertig. Ich arbeite aber als selbstständiger Grafik- und Webdesigner. Außerdem schreibe ich ein Buch über die IB und für mehrere Zeitschriften. Viel Zeit geht für den Aktionismus drauf.

 

Wie sind Sie Aktionist geworden?

Mit 15 habe ich gemerkt, dass ich anders bin. Es gab keine politische Heimat für mich. Patriotische Demos gab es damals nicht. Dann bin ich durch die Strömungen des rechten Lagers gegangen. Auch auf Irrwegen.

 Mit Irrwegen meinen Sie Ihre Küssel-Zeit?

Ja. Dann erkannte ich, dass ich was Eigenes gründen muss. Zwei Lehrerinnen wollten uns verbieten, die FPÖ zu wählen. Das schürte meinen Widerstandsgeist.

 Wann haben Sie die erste identitäre Aktion gesetzt?

Im Herbst 2012. Das war ein Flashmob gegen den Caritas-Workshop Tanz für Toleranz. Es war eine Störaktion.

 Gefällt es Ihnen zu stören?

Eigentlich nicht. Am liebsten habe ich meine Ruhe. Aber es gibt sonst keine Plattformen. Wir werden ja auch überall rausgeekelt. Eine Bank nach der anderen kündigt uns, jede Woche müssen wir neue Stammtischorte wählen. Man will uns aus dem öffentlichen Raum verdrängen.

 Was sollen die Aktionen bewirken?

Sie sollen die Regierung an ihre Versprechen erinnern. Wir wollen ein Kontrollorgan sein.

 Wie viele Identitäre gibt es in Österreich?

Österreichweit haben wir 10.000 Sympathisanten, die man mobilisieren kann, die Geld spenden, wenn die Linken wieder mal unsere Autos beschädigt oder Fassaden beschmiert haben. Außerdem errichten wir patriotische Zentren für Jugendliche in Graz, Linz und Wien. In Summe gibt es bei uns 300 Aktivisten, in Wien sind wir 50. Auf Facebook haben wir 30.000 Fans.

 Wovor habt ihr Angst?

Die Leute haben Angst, dass der Islam in Österreich zu einem politischen Machtfaktor wird. Die Integration wird immer schlechter. Die Moslems sind eine große Gruppe, und bald werden sie bestimmend sein.

 Sind Sie grundsätzlich ängstlich?

Überhaupt nicht. Ich bin ja auch aufs Burgtheater raufgeklettert. Ich habe auch vor dem Islam keine Angst, aber ich habe Sorge vor der Entwicklung. Die Angst ist in dem Fall kein psychologisches Problem. Es ist eine Sorge, die meist nicht ernst genommen wird, und das macht die Leute wütend.

 Sie haben ein Islamseminar gemacht. Warum?

Das war im Zuge meines Philosophiestudiums. Ich finde den Islam auch interessant, aber alles muss sein Maß haben.

 Ist Politik ein Thema für Sie?

Nein, ich bin nicht für Parteipolitik gemacht.

 Efgani Dönmez hat Sie bei Servus-TV eingeladen, mit ihm ein Flüchtlingscamp zu besuchen. Ist das passiert?

Nein, aber wir sind in Kontakt. Wir haben bei einem Camp angefragt, aber die wollten

das nicht. Wenn man so einen Ruf hat, ist das nicht leicht.

 Glauben Sie, dass Ihnen Ihr Ruf zu Unrecht voraus eilt?

Absolut. Ich glaube, dass es vielen Leuten egal ist, wie wir auftreten. Es wird einfach Stimmung gegen uns gemacht.

 Was ist so böse an euch?

Ich weiß es nicht. Wir distanzieren uns von Extremismus. Unsere Aktionen sind gewaltfrei. Ich bin immer bereit, mit allen zu reden.

 

Warum haben Sie die ehemalige Gau-Schule als Facebook-Titelbild?

Ähm. Was? Was ist das? Was hab ich als Titelbild? Was ist eine Gau-Schule?

 Die Burg Hohenwerfen war die Gau-Schule der NSDAP.

Das haben Sie erkannt? Ich wusste nicht, was das für eine Burg ist. Ist das wirklich eine Gau-Schule?

 Sie war eine.

Danke, dass Sie mir das sagen. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich es nicht als Titelbild genommen.

 Wie sind Sie auf das Bild gekommen?

Aus dem Internet. Ich liebe Burgen. Ich gebe das gleich weg.

 Das ist also ein Zufall?

Ja, ich weiß eh, aber ich will mit den Nazis nichts zu tun haben. Ich wäre ein schöner Trottel, wenn ich so etwas posten würde.

 Wie würden Sie Ihren Charakter beschreiben?

Zielstrebig, ungeduldig, rastlos. Ich begeistere und langweile mich schnell. Ich bin eher positiv eingestellt.

 Haben Sie Ausländer als Freunde?

Ja, Kroaten und Serben, die sind auch bei unseren Demos dabei.

 Moslems?

Nein.

 Wie steht Ihre Familie zur IB?

Meine Eltern respektieren meine Meinung. Mein Bruder Thomas (26) ist auch dabei. Meine anderen zwei Brüder nicht.

 Sind Sie liiert?

Nein, aus Zeitgründen. Ich bin mit der Bewegung liiert. (lacht)

 Was machen Sie in der Freizeit?

Sport, lesen, Origami und Yoga, was man mir wohl nicht zutrauen würde.

 Sind Sie gläubig?

Das ist kompliziert. Ich bin römisch-katholisch aufgewachsen. Je älter ich werde, umso mehr merke ich, dass Religion eine Rolle im Leben spielt.

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