Leo Aberer zählt zu den besten und unbequemsten Musikern des Landes. Obwohl er mit seiner direkten Art beim Musikmonopol Ö3 auf Konfrontation geht, liefert er verlässlich jedes Jahr einen Sommerhit. Sein aktuelles Werk heißt "Spring in die Sonne" und hat schon jetzt Kult-Charakter. Mit alles roger? sprach das Ausnahmetalent über Erfolg, wie Casting-Shows Menschen zerstören und warum er sich gerne verkauft und verhurt.
Interview: Roland Hofbauer
Sie liefern aktuell wieder einen Sommerhit, eigentlich wie auch die Jahre davor. Fällt es Ihnen so leicht, einen Hit zu schreiben?
Hits zu schreiben fällt mir schon sehr leicht. Doch ich mache es mir meist selbst schwer und will möglichst viel hineinpacken. Ich erwarte von meiner Musik das Höchste und es sollte immer ein musikalischer Anspruch gegeben sein. Ich denke, einen schnelllebigen Hit zu fabrizieren ist leicht. Aber mein Ziel ist es, einen echten Evergreen zu schreiben und einen Welthit zu landen. Ich sehe mich als Jazz-Musiker, der aber auch im Pop und Reggae stattfindet. Das ist schon ein gehöriger Spagat. Umso mehr merke ich, wenn ich Nummern he-rausbringe wie "Auf Die Schi", oder den zuletzt erfolgreichen Song "Jump Down Deep" mit den ÖSV-Adlern, dass mir von der Musiker-Szene gehörig Wind entgegenbläst. Ich verkaufe und verhure mich, heißt es dann. Mittlerweile ist es mir egal. Es gibt so viele begnadetete Musiker da draußen. Und was machen die? Arbeiten dann im Call Center, weil sie zu stolz sind, Schlager und auf Hochzeiten zu singen. Man muss das respektieren. Aber ich habe mich entschlossen, diesen Weg zu gehen.
Auf welche Ihrer Songs sind sie besonders stolz und warum?
Ich bin auf alle Songs stolz, denn sie kommen aus meinem Herzen und mein Herz ist gut. Auf "I wanna be free" und "Wann geht er" vielleicht am meisten. Aber auch bei "There will never be another you" mit Patricia Kaiser habe ich viel Schmerz und Liebe in den Song hineingelegt und mich vor dem Publikum nackt gezeigt.
Wie würden Sie sich und ihre Musik in drei Sätzen beschreiben?
Immer ehrlich, verrückt und emotionsgeladen. Aber niemals 08/15. Das würde auch schwer funktionieren, weil ich aus Scheiße Gold mache. Wenn ich einen Schlager singen würde, klänge er mehr nach R 'n' B. Ich bin von der musikalischen Gesinnung eher ein Afrikaner. (lacht)
Wie schwer hat man es als Musiker in Österreich, wenn man nicht von einem großen Label oder einer Institution gepusht wird?
Es wird jedes Jahr schwerer. Mit "Giovanna" hatte ich zwei Millionen Views auf YouTube. Bekommen habe ich dafür 200 Euro. Ich bin traurig, nicht bereits in den 80er-Jahren Musik gemacht zu haben, wo es noch eine Musikindustrie gab. Heute ist das alles irgendwie anders. Und wenn man es einmal nach oben geschafft hat, gerät man nach einem Jahr in Vergessenheit.
Können Sie von der Musik gut leben oder gab es auch Momente, an denen Sie überlegt haben, etwas anderes zu tun?
Na ja, ich habe mit der Zeit viele Ausbildungen genossen. Ich habe BWL fertig studiert und auch kurz gearbeitet, mir war aber sofort klar, dass das nicht meins ist. Ich habe eine psychologische Ausbildung genossen: Familienaufstellung, EFT, Psycho-Kinesiologie und so weiter, außerdem habe ich meine eigene Filmfirma gegründet. So hatte ich immer andere Standbeine. Aber derzeit geht es gut. Mittlerweile habe ich über 270 Songs die man kaufen kann. Wenn einer nicht gut läuft, kompensiere ich es über die Masse. Ich kann mir vorstellen, noch größere Videoproduktionen zu machen, mehr Werbespots und Musik-Videos für andere. Und wer weiß, vielleicht entdeckt mich Hollywood einmal. (lacht)
Vor einiger Zeit haben Sie die Machenschaften der österreichischen Sender angeprangert. Was kam dabei raus und wie stehen Sie heute dazu?
Na ja, das Problem ist ein weltweites. Das nennt sich Format-radio. Die Radiosender sind ein Wirtschaftsunternehmen. Sie haben sicher schon gemerkt, dass es immer nur 250 Titel gibt, die rauf und runter laufen. Ö3 ist die Cashcow des ORF. Sie müssen Gewinn erzielen. Die Menschen, die dort arbeiten, müssen dies verantworten. Aus Gefallen werden keine Songs mehr gespielt. Deswegen bin ich nie jemandem böse, wenn ein Song von mir abgelehnt wird. Sie machen ihren Job und müssen schauen, dass der Sender überlebt. Das ist auch nicht mehr einfach im digitalen Zeitalter. Wer weiß, vielleicht gibt es in fünfzig Jahren kein Radio mehr.
Es muss für beide Seiten stimmen. Aber da der ORF ein öffentlich-rechtlicher Sender ist, würde ich mir schon eine Quote von 30 Prozent erwarten. Es würde ja weiter in die Wirtschaft fließen. Nur, das wird nicht verstanden. Hätten wir in Österreich erfolgreichere Musiker, würden die automatisch mehr Steuern zahlen und wären als Exportartikel hoch im Kurs. Ich kenne mittlerweile 20 Musiker, die Notstandshilfe beziehen. Würde ihre Musik im Funk vertreten sein, könnten sie nicht nur toll leben, sondern auch ihre Projekte auf einen anderen Level heben. Sonst ist das alles Schnitzelprackerei, also lächerlich. Und warum soll ich die Pink 30 Mal am Tag spielen und das Geld nach Amerika fließen lassen, statt es in ein paar Österreicher zu investieren?
Sie arbeiten immer wieder mit anderen Musikern wie zum Beispiel Shaggy zusammen. Wer wäre ihr Wunschpartner und wieso?
Mein größter Wunsch wäre es, mit Sting und Stevie Wonder zusammenzuarbeiten. Sie haben mich enorm inspiriert. Michael Jackson ist ja leider verstorben.
Wie sehen Sie die aktuelle Musikentwicklung in Österreich?
Es ist bewundernswert, dass es immer wieder Musiker schaffen, nach oben zu klettern. Und ich bin sehr stolz auf den Kampfgeist der österreichischen Musiker. Ich freue mich immer wieder, wenn ein Musiker es nach oben schafft. Aber ein Beispiel: Wo war Nathan Trent vor ein paar Monaten? Wir haben so tolle Musiker in diesem Land. Der hat ja nicht gestern singen gelernt. Es liegt so viel brach. Dieses Land braucht Shows, aber keine Casting-Scheiße. Und es kann mir niemand erzählen, dass es zu teuer ist. Es gibt keine Musik-Sendung im österreichischen Fernsehen, das ist ein Wahnsinn. Uns Musikern wird immer wieder suggeriert, wenn sie österreichische Musik spielen, verlieren sie Quote. Das ist oft sehr niederschmetternd und sobald was vom Ausland kommt, wird es verherrlicht. Ich habe mit "I wanna be free" einen Riesenerfolg gehabt. Ich habe viele Konzerte vor 50.000 Leuten gespielt, der Song ist auf allen Radiostationen in Italien gelaufen, und für Österreich war er zu schlecht? Ich sehe generell die Entwicklung als sehr erschreckend.
Was halten Sie von Castingshows wie DSDS, wo ehemalige Gewinner Pfandflaschen sammeln müssen, um nicht zu verhungern?
Wieso kann man keine normale, anständige Musikshow gestalten? Musik ist kein Wettbewerb, frei nach dem Motto, wer ist besser, Elvis oder Michael Jackson. Wer ist ein guter Sänger? Man kann das so nicht sagen. Menschen werden bei Castingshows verheizt und zerstört. Das Medium nutzt den Selbstwertmangel und den Drang nach Erfolg schamlos aus. Auch da geht es nicht um Musik. Es werden künstlich Storys kreiert, um es den Fernsehzuschauern schmackhaft zu machen.
Würden Sie als Juror für österreichische Musikformate zur Verfügung stehen?
Eventuell schon, aber ich sage das, was ich will, und nicht, was man mir vorschreibt.
Bei welcher Art von Musik oder welchen Künstlern stellt es Ihnen die Haare auf?
Wenn ich betrunken bin, kann ich auch DJ Ötzi und Andreas Gabalier hören (lacht). Wir sind alle eine große Familie und jede Musikrichtung hat ihre Daseinsberechtigung. Für Techno bräuchte ich wahrscheinlich schwere Drogen, aber davon habe ich Gott sei Dank immer die Finger gelassen.