Dr. Eifersucht

Foto: i-Stock

In Innsbruck befindet sich die erste Eifersuchtsambulanz im deutschsprachigen Raum. Dort kann sich jeder heilen lassen, der seinen Partner ständig zu Unrecht verdächtigt. alles roger? hat vorbeigeschaut und eine Patientin bei ihrer Therapie begleitet.


Text: Lauren Seywald

"Hinter jeder Staude wartet eine Frau auf meinen Mann" - so beschreibt Frau Z. ihr Gefühl, das ihr Leben zerstört. "Der Drang überwiegt die Logik." Seit fünf Monaten hat sie nun wieder einen Freund. Sie blickt auf zwei schmerzhaft gescheiterte Beziehungen zurück. Der Letzte hat sie mit drei Frauen beschissen. Der Neue scheint treu zu sein. Doch auch der rennt ihr bald wieder davon, wenn sie nicht lernt, mit ihrer Eifersucht umzugehen. Deshalb ist sie heute hier. In der Eifersuchtsambulanz.

 Dr. Harald Oberbauer erscheint mit seinem Assistenzarzt um Schlag elf Uhr vormittags im Warteraum. Wir befinden uns in der Allgemeinen Psychiatrischen Ambulanz des Innsbrucker Landeskrankenhauses. Wie bei jedem anderen Arzt checkt man hier mit der E-Card ein. Die heutige Patientin: Frau Z. Diagnose: krankhafte Eifersucht. Sie erklärt sich bereit, ihre Geschichte mit der Öffentlichkeit zu teilen.

Dafür begeben wir uns in den Raum für Eifersuchtssprechstunden. Neutral in Weiß gehalten, wird er einzig durch die Ansichten der Betroffenen gefüllt. Hier wird keiner verurteilt. Keiner als Spinner abgestempelt. Hier ist neu-trales Gebiet. Die Patientin ist heute das zweite Mal hier. Deshalb beginnt das Gespräch mit einer zusammenfassenden Analyse seitens des Doktors. "Wenn ich das richtig verstehe, haben Sie einfach Angst, betrogen zu werden, durch die schlechten gesammelten Erfahrungen. Doch Sie geben der Liebe und jedem neuen Mann eine Chance. Sie wollen dem Partner auf Augenhöhe begegnen und sich fallen lassen können. Deshalb führen Sie nun wieder eine Beziehung." - "Vollkommen richtig. Leider hat mein Freund den Ruf fremdzugehen. Was mir die Sache nicht einfacher macht." - "Die Antworten seitens des Partners geben Ihnen also nie Gewissheit. Es sind Worte, die man nicht beweisen kann. Verfolgen Sie ihn?" - "Nein. Er hat mir gesagt, ich darf jederzeit sein Handy checken. Aber das will ich gar nicht. Ich sehe ja, wie sehr ich ihn mit meinem Verhalten nerve."

 Die Patientin ist ein typisches Beispiel für eine "introperspektive Frau". Sie denkt über sich und ihr Verhalten nach. Ist sich sogar bewusst, was sie mit ihrer Eifersucht bewirkt. Damit ist Frau Z. eine Paradepatientin. Sie geht sehr offen und reflexiv mit dem Thema um.

"Woher kommt dieses Misstrauen? Sind Sie generell misstrauisch?", führt Dr. Oberbauer das Gespräch fort. Die Dame mittleren Alters kratzt mit einem Finger an ihrem türkisen Nagellack. "Ich war immer a dumms klans Madel. So hat mich mein Vater gerne genannt." Ein Mann, der die Mutter aus Eifersucht nicht einmal alleine einkaufen gehen ließ. Dem das Geschäft wichtiger war als die Familie. Ein Negativbeispiel, bei dem das Kind sagt, "so möchte ich niemals werden." Und trotzdem fließen Verhaltensmuster unbewusst in die eigene Person ein. "Als ich drei Jahre alt war, habe ich mich durch eine Lauge am ganzen Körper verätzt", erzählt Frau Z. weiter. "Ich war in Lebensgefahr und lag im Bett unserer Gastwirtschaft. Wir hatten nie ein eigenes Haus. Meine Mutter streckte den Kopf bei der Türe rein und meinte: ?wenns lebt is gut, wenn ned is a gut.? Liebe hat es bei uns nie gegeben." Der Doktor hört ruhig und aufmerksam zu. "Sie hatten also in der Kindheit nie das Gefühl, erwünscht zu sein. Was sich bis in die Gegenwart weiterführt. Frau Z, wenn Sie vorm Spiegel stehen, was sehen Sie?" - "Eine Frau, die sich für ihr Alter durchaus gut gehalten hat. Die ned gschamig sein muss, wenn sie rausgeht. Aber ich sehe auch eine Frau, die immer alleine ist. Die alles alleine schaffen muss." - "Sie sind eine starke Frau", der Doktor hebt im Gespräch stets das Positive hervor, ohne dabei oberflächlich zu wirken.

 Die pathologische Eifersucht basiert überwiegend auf anderen Krankheiten. Alkoholismus, Depression, körperliche Krankheiten, latente Homosexualität - also die unterdrückte, und fehlendes Selbstwertgefühl. Diese Ursachen führen meist zu eifersüchtigem Verhalten. Bei Frau Z. analysiert Dr. Oberbauer das fehlende Selbstwertgefühl. Die geschürten Zweifel aus der Kindheit lassen es nicht zu, das Leben zu genießen, sich in einer Partnerschaft fallen zu lassen. "Frau Z., ich empfehle Ihnen eine Psychotherapie. Vorzugsweise bei einer Frau, um auf gleicher Ebene kommunizieren zu können." Zusätzlich verschreibt er Zyprexa 2,5 mg - für die Gelassenheit. In ein paar Wochen soll sie sich wieder melden, um die Entwicklungen zu besprechen. Das Gespräch endet, die Therapie beginnt.

 

Das Interview mit Dr. Eifersucht

 Wie haben Sie begonnen?

Vor 17 Jahren wurde die Ambulanz gegründet. Hintergrund war ein Gutachten über einen Patienten gewesen, der im Eifersuchtswahn seine Frau erschlagen hat. Ich musste entscheiden, ob der Täter schuldfähig war oder nicht. Zum Beispiel, ist jemand, der an einer schweren psychischen Störung leidet, nicht schuldfähig. Die Frage war also, ob er in einen normalen Strafvollzug, sprich Gefängnis, oder in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher kommt. Im Zuge dieses Gutachten habe ich mich eben tiefer mit dem Thema Eifersucht auseinandersetzen müssen, wodurch das dann alles entstanden ist. Da mir bewusst wurde, dass Menschen hier Unterstützung benötigen.

 Was verstehen Sie unter Eifersucht? Und welche Ausprägungen gibt es?

Ich sehe Eifersucht als ein ansteigendes Kontinuum. Das heißt, die normale, beziehungsfördernde Eifersucht, die fast alle kennen, geht fließend in die krankhafte Eifersucht über. Letztere ist dadurch gekennzeichnet, dass meine Lebensqualität als Eifersüchtiger und/ oder die des Partners beeinträchtigt ist. Durch ständige Ungewissheit, durch die Angst verlassen zu werden, kontrolliert man den Partner. Will immer wissen, wo er war und hingeht. Krankhaft ist auch, wenn sich diese Angst auf andere Lebensbereiche niederschlägt. Beispielsweise auf die Arbeit, wo man nicht bei der Sache ist, die Gedanken abschweifen und das in manchen Fällen sogar zur Kündigung führen kann.

 Wie kommt es, dass Menschen eifersüchtig werden? Was passiert im Gehirn?

Ich denke Eifersucht existiert, seitdem Menschen eine Form von Beziehung führen, besonders eine sexualisierte. Im Gehirn entsteht ein Gefühlscocktail aus Verzweiflung, Depression, Hass, Wut und Misstrauen. Ausgelöst durch Botenstoffe, wie Serotonin, Dopamin, Adrenalin, die aus dem Gleichgewicht geraten. Ist man emotional und körperlich ausgeglichen, sind es die Level der Botenstoffe auch. Und umgekehrt. Deshalb verschreibe ich auch zu Beginn öfters Medikamente, um das Gleichgewicht wiederherzustellen.

 Hat sich da etwas im Laufe der Jahre verändert?

Vor 17 Jahren sind Frauen zu mir gekommen und waren wegen dem roten Lippenstift am Hemdkragen oder dem blonden Haar am schwarzen Jackett irritiert. Jetzt ist es gang und gäbe, dass der Partner im Facebook- und WhatsApp-Account eingeloggt ist. Dass man Dating-Apps überprüft. Also die Elektronik hat das Ganze auf ein neues Level gehoben. Eifersucht ist auch immer schon Thema in der Weltliteratur und Filmen gewesen. So spricht man vom Othello-Syndrom beim Eifersuchtswahn. Abstammend vom berühmten Theaterstück von Shakespeare.

 Aus welchen Gründen kommen Patienten zu Ihnen? Wie viele haben Sie?

In der Woche sind es ungefähr zwei bis drei Erstkontakte. Das Überraschende ist, dass überwiegend Betroffene selber kommen. Ich dachte eher, dass sich Angehörige bei mir ausjammern. Dem ist aber nicht so, was mir zeigt, dass es den Menschen wirklich schlecht geht, wenn sie die Hürde überwinden und den Weg in die Psychiatrische Ambulanz auf sich nehmen. Wobei Frauen sich leichter überwinden als Männer.

 Was sind die absurdesten Fälle, die sie an Patienten hatten?

In dieser quälenden Ungewissheit hat zum Beispiel ein Patient die Unterwäsche der Partnerin zur Gerichtsmedizin getragen, um analysieren zu lassen, ob Fremdspermaspuren enthalten sind. Was natürlich eine unglaubliche Demütigung für die Partnerin bedeutet. Ein sehr dramatisches Beispiel hatte ich vor einigen Jahren mit einem älteren Herrn. Dieser hat das höchste Level der Eifersucht erfüllt, sprich den Eifersuchtswahn. Er hat seiner 73-jährigen Frau unterstellt, mit dem ganzen Dorf zu schlafen. Was in diesem Alter wirklich absurd ist. Der Patient hat mir sogar Tonbänder von seiner Frau vorgespielt, an denen er durch ihre Stimmlage erkennen wollte, wann sie von einem Mann kam. Einen Tag nach dem letzten Termin hat er seine Frau erschossen und sich selbst im Stadel erhängt. Ein Beispiel dafür, wie schwierig es einzuschätzen ist, wohin Eifersucht führen kann.

 Waren Sie einmal eifersüchtig? Sind Sie der perfekte Ehemann?

Nein, bin ich nicht, weil ich nicht verheiratet bin. Ich war auch nie verheiratet und führe zurzeit keine Beziehung. Deshalb bin ich derzeit nicht eifersüchtig. Aber in meinen vergangenen Partnerschaften habe ich schon das Gefühl der Eifersucht kennengelernt. Ich würde mich hinterfragen, wenn mir alles vollkommen wurscht wäre, was der Partner macht. Denn Eifersucht ist in gemäßigter Form ein Zeichen der Liebe.

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