Text: Martina Bauer
Der Laufsport wird mit all den Themenläufen immer mehr zum Theater der Emotionen, und das ist auch das Motto des 33. Vienna City Marathon. 42,195 Kilometer Bühne, 42.000 Schauspieler, eine Million Zuseher und als Premiere das Grande Finale beim Burgtheater.
Du spinnst ja, hat der Arzt gesagt. Er wollte noch was ergänzen … aber Thomas Visek ist ihm schon davongelaufen. Mit 81 ist er schneller als jede Krankheit. Außerdem einer der Hauptakteure bei der 33. Auflage des Wiener Marathons. Der Running Rentner hat eine Kniescheibe aus Titan und ein Herz aus Gold. „Sie werden nicht mehr laufen können, haben die Mediziner gewarnt. So ein Blödsinn“, sagt der gebürtige Tscheche, der Teil der Herren-Truppe namens „1.392,435“ ist.
Die zehn Gruppenmitglieder haben bisher alle 32 Marathons absolviert. Ihr Name ändert sich jedes Jahr und bezieht sich auf die Marathon-Distanz von 42,195 Kilometer, die heuer mal 33 gerechnet wird. Multipliziert man das noch mit der Anzahl der Gruppe, kommt man auf eine Distanz von 13.924,35 Kilometer, was mehr ist als der Poldurchmesser der Erde (12.713,504).
Für Visek sind das keine beeindruckenden Zahlen. „Der Sport ist mein Leben. Ich spiele im Sommer auch jeden Tag Tennis, im Winter nur drei Mal pro Woche. Früher habe ich als Motorenkonstrukteur bei Steyr Daimler Puch gearbeitet und bin Speedway-, Motocross- und Straßenrennen gefahren. Heute bin ich nicht mehr ganz so flott, aber für den Marathon reicht es.“
111 Marathons auf der ganzen Welt
Mit 49 Jahren ist Bernhard Bruckner das jüngste Mitglied von „1.392,435“. Seinen ersten Wien-Marathon hat der Transportunternehmer mit 17 absolviert und ist nun altgedienter Stammgast. „Ich habe weltweit bisher 111 Marathons hinter mich gebracht, aber in Wien laufe ich am liebsten. Das ist meine Hausstrecke“, sagt Bruckner, für den der Kick ganz klar in der Leistung liegt. „Das macht ja nicht jeder.“ Jeder nicht, aber viele! Rund 40.000 Starter werden am 10. April bei der Reichsbrücke erwartet. „Das Laufen ist global die größte aktive Sportbewegung der Gegenwart, weil es die Menschen emotional tief berührt“, sagt der Veranstalter des VCM, Wolfgang Konrad.
Untote am Start
Zusätzliche Emotionen werden bei diversen nationalen und internationalen Themenläufen geweckt, die immer mehr boomen und oft auch Charity-Events sind. So wie der legendäre Night-Run für „Licht für die Welt“, der Rote-Nasen-Lauf für die „Clini-clowns“, oder der Zoo-Lauf für die „Luftkinder“. Manchmal geht es einfach nur um den Spaß. Der Ghost Run zu Halloween im Prater hat einen hohen Fun-Faktor. Aber nicht nur in Wien setzt man beim Laufen immer mehr auf den Zusatz-Kick. Themen sind zeitgeistig, und da kann es gar nicht verrückt genug zugehen. Für viele Menschen sind Straßenläufe Freiheit, Abenteuer und pure Emotion. Rock ’n’ Roll eben, wie der gleichnamige Rock-’n’-Roll-Marathon in San Diego beweist.
Was Themenläufe so beliebt macht, erklärt Marion Trska, Erfinderin der Charity-Events Night Run und Zoo-Lauf so: „Es ist das Besondere, der außergewöhnliche Rahmen. Laufen tut man ja da wie dort, und gewinnen kann immer nur einer, aber bei einem Themenlauf haben alle einen Mehrwert. Beim Zoo-Lauf passiert es, dass Teilnehmer stehen bleiben, die Kamera zücken und ein Tier fotografieren. Die Verbissenheit fällt weg, und das Erlebnis steht im Vordergrund. Dass es bei Charity-Läufen auch noch um die gute Sache geht, gefällt den Menschen zusätzlich. Der Night Run findet heuer im September zum zehnten Mal statt und bisher haben wir bereits um die 600.000 Euro für ,Licht für die Welt‘ eingenommen.“
Ganz andere Ziele verfolgen die Teilnehmer eines Laufes, der im Rahmen des New York Marathons über die Bühne geht. Dabei müssen sie in jedem Stadtbezirk ein Bier trinken. Kann auch lustig sein. Ebenfalls angesagt sind Zombie-Läufe, bei denen die Läufer von verkleideten und grässlich geschminkten Akteuren verfolgt werden. Einen leichten Grusel-Faktor gibt’s auch bei Vollmond-Läufen, bei denen man sich nur mit dem Mondlicht orientieren kann. In der Hügellandschaft von Wales wiederum läuft der sportliche Mensch gegen das Pferd an, und der Jungfrau Marathon ist nach eigenen Angaben der schönste der Welt. Nicht nur die Kulisse der schweizerischen Bergriesen ist einmalig, sondern auch die Herausforderung mit 1.829 Höhenmetern. In Europa gibt es keinen anderen Marathon mit einer derartigen Dimension.
Premiere mit neuem Ziel
„Sein Marathon“ ist aber natürlich für jeden Veranstalter der schönste und beste der Welt, auch der in Wien. Wer an der Ringstraße noch die Kraft zum nach links und rechts Schauen hat, kann sich zum Beispiel eine Sightseeing-Tour gönnen. Wenngleich der Platz vom Namen her wohl das perfekte Ziel für den Marathon war, so werden die Läufer heuer erstmals nicht am Heldenplatz einlaufen sondern vor dem Burgtheater. Das wiederum passt zum „Theater der Emotionen“.
Gefeiert wird dann gleich gegenüber am Rathausplatz. Ausgelassen für die einen, ums nackte Überleben kämpfend für die anderen. Je nach Kondition und Vorbereitung. Damit aber auf jeden Fall alle Teilnehmer gut gestärkt in den Lauf gehen, findet am Vorabend des großen Sportereignisses die legendäre Carbo Loading Party im Wiener Rathaus statt. Dort werden neben Walzerklängen auch 2,5 Tonnen Kaiserschmarrn und eine Tonne Pasta serviert. Nicht zuletzt deshalb wird sie von den Wienern salopp die „Nudel-Party“ genannt.
Dort trifft sich auch die Gruppe „1.392,435“. Thomas Visek wird nicht das Tanzbein schwingen. Die Begründung des 81-Jährigen: „Ich bin kein Tänzer, ich laufe lieber.“
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