Ein Konzern steht unter Strom. Im gleichen Ausmaß wie der Gewinn und der Aktienkurs beim Verbund fiel, stiegen die Einkommen der Vorstände. Für Milliarden-Fehlinvestitionen gab es keine Konsequenzen. Besonders die Auslandsgeschäfte endeten im Desaster, mitten drin war damals der jetzige Bundeskanzler Christian Kern.
Text: Klaus Faißner
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte – kaum woanders trifft dieser Spruch so zu wie auf eine Grafik zur Entwicklung des Verbund-Konzerns. Während der Aktienkurs in den vergangenen sechs Jahren um 60 Prozent sank, schnellten die Vorstandsgehälter fast um den gleichen Anteil in die Höhe. Hinzu kommen die Freunderl- und Parteibuchwirtschaft und die (legale) Medienbestechung über Inserate, die schon immer Teil der Politik des Unternehmens waren. Kein Wunder, dass dem Vernehmen nach die Stimmung nicht nur bei vielen Aktienbesitzern, sondern auch bei Teilen der Belegschaft mies ist. Außerdem ist der Strom-riese ein Unternehmen, das uns alle angeht: Er gehört zu mehr als 80 Prozent dem Staat. Der Rest der Anteile wird an der Wiener Börse gehandelt.
Glaubt der Vorstand nicht ans Unternehmen?
Die Vergütungen der Vorstände beliefen sich im Vorjahr auf 4,1 Millionen Euro. Das ist das Doppelte des Betrags von 2006, als für drei Vorstandsmitglieder zwei Millionen Euro flossen. Aufgestockt auf vier Mitglieder wurde die oberste Führungsriege im Jahr 2007, als der jetzige Bundeskanzler Christian Kern hierher aufstieg, um – bis zu seinem Abgang zu den ÖBB 2010 – die Auslandsaktivitäten zu verantworten. Damals wurden für die vier Vorstände zusammen fast exakt drei Millionen Euro bezahlt.
Die 4,1 Millionen Euro des Vorjahres setzten sich aus 2,9 Millionen Euro an fixen Vergütungen, 1,1 Millionen Euro an variablen Vergütungen und rund 100.000 Euro an Sachleistungen zusammen. Davon sollen etwa 60.000 Euro Schulgeld für die Ausbildung der Kinder der Vorstände enthalten sein – jedenfalls widersprachen die Vorstände auf Anfrage von alles roger? nicht.
Auch scheinen die derzeitigen Vorstände Wolfgang Anzengruber, Johann Sereinig, Günther Rabensteiner und Peter Kollmann nur bedingt Vertrauen in eine aufstrebende Unternehmensentwicklung zu haben. Keiner von ihnen besitzt auch nur eine einzige Aktie „seines“ Betriebs. Warum das so ist, wollten sie nicht erklären.
Stillschweigen herrschte auch auf die Frage, ob die beträchtlichen variablen Vorstandsvergütungen – wie bei Unternehmen sonst üblich – an Ziele wie das Erreichen eines gewissen Gewinns geknüpft sind.
Doch nicht nur der Vorstand verdient beim Verbund bestens. Kein einziges an der Wiener Börse notiertes Unternehmen hat annähernd so hohe durchschnittliche Personalkosten (siehe Grafik). 2015 beliefen sie sich auf rund 107.800 Euro pro Kopf. Das ist etwa das 2,5-Fache vom Durchschnitt der anderen 19 größten Wiener-Börse-Unternehmen und noch immer ganz deutlich vor der CA Immobilien AG, der Nummer zwei. Nur die als Privilegien-Paradies bekannte Österreichische Nationalbank hat ähnliche Lohnstrukturen.
Der Verbund-Vorstand rechtfertigt das mit Lohnnebenkosten (die allerdings jedes Unternehmen zu zahlen hat, Anm.) und „vertraglichen Altansprüchen aus der Zeit vor der Strommarktliberalisierung“. Weiters sei der Verbund „im ATX-Vergleich das einzige Unternehmen ohne nennenswerte Aktivitäten in ausländischen Märkten“, auf denen es „signifikant niedrigere Lohnkosten“ gebe, wie Pressesprecherin Ingun Metelko im Namen des Verbund-Vorstandes schriftlich wissen ließ.
Schlechterverdiener fürchten um den Job
Das dürfte aber nur ein Teil der Wahrheit sein. „Der Verbund dient ausschließlich den Interessen des Vorstandes und der besser verdienenden Hälfte der Mitarbeiter. Er gehört aber acht Millionen Österreichern“, erklärt ein Verbund-Kenner gegenüber alles roger?. Die andere, nicht privilegierte Hälfte der Verbund-Mitarbeiter verdiene nämlich eher durchschnittlich bis schlecht. Die Angst um den Arbeitsplatz kommt noch hinzu, denn der Verbund-Vorstand kündigte weitere „Kostensenkungsprogramme“ an: Bis 2020 sei der Abbau von 660 der derzeit etwa 3.000 Arbeitsplätze vorgesehen und zusätzlich ein „weiteres einschneidendes Reduktionsprogramm“ in Ausarbeitung. Parallel dazu seien Verhandlungen mit den Gewerkschaften für neue und flexiblere Kollektivverträge im Laufen.
Von speziellen Einsparungsmaßnahmen im Vorstandsbereich oder im mittleren und höheren Management ist nicht die Rede. Dabei würde jeder im Unternehmen eingesparte Euro dem Finanzminister potenziell 73 Cent bringen, wie Berechnungen zeigen, die alles roger? vorliegen. Hier fände sich erhebliches Potenzial, das aufgrund der herrschenden Privilegien nicht angetastet werde.
Dass der Verbund trotz allem einen höheren Betriebsgewinn pro Mitarbeiter ausweisen kann als deutsche Konzerne, sei kein Wunder. Der österreichische Stromkonzern verlange für den Strom fast den gleichen Preis wie die deutsche Konkurrenz, müsse aber viel weniger für Rohstoffe ausgeben. Grund dafür: Die meisten Verbund-Kraftwerke erzeugen Strom mit der Gratis-Energiequelle Wasser, während E.ON oder RWE in Deutschland viel Geld für Erdgas, Kohle oder auch Atombrennstäbe in die Hand nehmen müssen. „Das wäre, als ob ein Formel-1-
Auto bei einem Gokart-Rennen mitfahren würde.“
Milliarden-Fehlinvestitionen – keine Konsequenzen
Der Lenker des Formel-1-Autos namens Verbund tätigten speziell seit 2005 eine Reihe von Fehlinvestitionen im In- und Ausland. So wurde das erst 2011 in Betrieb gegangene, 550 Millionen Euro teure Erdgaskraftwerk Mellach schon wieder eingemottet. Aufgrund des Preisverfalls für Spitzenstrom durch erneuerbare Energien rechnete es sich nicht. In erster Linie für Mellach wurde eine 200 Millionen Euro teure Erdgasleitung gebaut und der Landwirt Erwin Haider aus Gloggnitz enteignet.
Im Ausland scheiterte das Verbund-Engagement in Frankreich, Italien und Rumänien. 2014 kritisierte der Rechnungshof in einem Bericht, dass der Konzern „vor dem Markteintritt keine tiefergehenden Analysen“ und „seine Expansionsstrategie trotz der festgestellten Risiken“ durchgeführt habe. Eine Strategie für den Ausstieg habe es nicht gegeben. Bereits vor dem Eintritt Chris-tian Kerns in den Vorstand als Verantwortlicher fürs Ausland im Mai 2007 wurden viele Fehlinvestitionen getätigt. Doch laut Rechnungshof ging es 2007 und 2008 – also auch unter Kerns Verantwortung – darum, international zu expandieren und die Kapazitäten auszuweiten.
Noch im Juni 2009 erwarb der Verbund weitere Anteile am französischen Energieanbieter Poweo. „Die Stärkung unserer Position als Poweo-Aktionär unterstreicht unsere Überzeugung, dass der französische Markt weiter wachsen und sich sehr positiv entwickeln wird“, erklärte Kern damals. Zwei Jahre später – nach dem Rückzug Kerns aus dem Vorstand – verkaufte der Verbund das defizitäre französische Unternehmen.
Der Rechnungshof empfahl in seinem Bericht, „eingehende Untersuchungen“ zur Klärung der Haftung der Zuständigen und allfälliger Schadenersatzpflichten einzuleiten und „gegebenenfalls Haftungsklagen“ einzubringen. Es bestehe der begründete Verdacht, dass Sorgfaltspflichten verletzt wurden. Einer der hier indirekt Angesprochenen war Kern. Die Prüfung fand aber nie statt. Unter anderem wegen eines entlastenden Gutachtens der Wirtschaftsuni Wien, das der Verbund-Aufsichtsrat präsentierte. Trotz mündlicher und schriftlicher Anfrage um Stellungnahme des Kanzlers meldete sich nicht einmal Kern-Pressesprecher Jürgen Schwarz bei alles roger?.
Schwarz-roter Postenschacher
Postenschacher und Freunderlwirtschaft spielen beim traditionell ÖVP-nahen Verbund mit roter Proporzbesetzung – siehe Kern – seit jeher eine Rolle. Wie eine 2013 erschienene Dissertation von Laurenz Ennser-Jedenastik an der Universität Wien zeigt, sind bei Unternehmen wie dem Verbund 67 Prozent der Spitzenmanager einer Partei zuzuordnen. So wurde 2013 für das Verbund-Vorstandsmitglied Ulrike Baumgartner-Gabitzer, frühere Kabinettchefin von Wolfgang Schüssel, nach ihrem Abgang ein eigener Posten im Vorstand der Verbund-Tochter APG geschaffen. Dort verdient sie als Vorsitzende deutlich mehr als ihre APG-Vorstandskollegen.
Trotz all dieser Fakten ist in den Hauptstrommedien nur selten etwas Negatives über den Verbund zu lesen, zu sehen oder zu hören. Grund sind „Medienkooperationen“ und das großzügige Schalten von Inseraten, die viele Millionen in die Kassen der oft unter Leserschwund leidenden Medien spülen. Und Stermann & Grissemann werden wohl weiter als Werbeträger des Verbunds der Wasserkraft danken können.
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