Alexander Markovics ist Sprecher der Identitären Bewegung Österreichs. Der 25-jährige Geschichte-Student gefällt sich in der Rolle des Patrioten. Als Rechtsextremist verschrien, kämpft er für radikale Ideale und gegen drohende Islamisierung. Seine Eltern schütteln nur den Kopf. alles roger?-Porträt über einen politischen Brandredner.
Text: Andrea Fehringer & Thomas Köpf
Für einen Neonazi hat er eindeutig zu viele Haare. Alexander Markovics, 25 und blond, ist von stämmiger Statur, nicht unbedingt groß, aber mit strammem Rücken und entschlossenem Gang. Er redet bestimmt, beinahe gepresst und einen Deut zu laut. Als spreche er in ein Mikrofon und wolle jeder Silbe Nachdruck verleihen. Hier ist gelebte Dringlichkeit. Die blauen Augen starren einen an wie Gasflammen.
Kaffeetratsch in einem Garten in Döbling. Rosen ranken sich um gusseiserne Torbögen. Auf der Terrasse stehen Teak-Möbel. Die Sonne scheint dezent. Es ist ein lauer, unverdächtiger Mittwoch. In der Villa mit kleinem Park war schon Napoleon zu Besuch, jetzt ist von Hitler die Rede. Sind Sie rechtsradikal, Herr Markovics? „Nein, das bin ich nicht. Ich lehne Gewalt als Mittel der Politik ab. Ich glaube nicht an dieses Links/Rechts-Schema. Die Frage, die sich mir stellt, ist der Identitätsverlust. Die Amerikanisierung. Die Islamisierung. Der Nihilismus. Die Masseneinwanderung. Deswegen bezeichne ich mich nicht als extrem. Sondern als identitär.“
Er nippt an seinem kleinen Schwarzen, gestikuliert wie ein Minister bei der Pressestunde. Ein Identitärer hat’s schwerer. In Alexander Markovics’ Welt geht es um Ethnopluralismus, wie er sagt. „Jedes Volk soll sein eigenes Land haben. Das heißt auch, dass Europa eigenständig sein soll.“ Es sei sein Bekenntnis zum europäischen Gedanken, unabhängig von äußeren Einflüssen, „eine Festung Europa“, wie er sagt. Sich besinnen auf die eigenen Wurzeln. Befreien von kultureller Geiselhaft. Eine Festung Österreich alleine würde nie reichen. Das gehe nur, wenn alle Europäer zusammenhelfen. „Wir Identitären lehnen den Liberalismus ab. Wir glauben an die Familie. An das Volk. Dass es wert ist, diese Gemeinschaften aufrechtzuerhalten. Wichtig ist der Schutz. Die Herkunft. Alle reden von Solidarität, aber niemand lebt sie. Kritisiert werden historisch gewachsene Völker. Als wäre es schlimm, dass es Unterschiede gibt. Dass nicht alle Menschen gleich sind. Uniformismus ist gefährlich, Konformismus tückisch. Alles soll eins werden? Das ist doch Wahnsinn.“ Die Worte zischen hervor wie geschmiedeter Stahl. Rot glühend und heiß. Der Name Markovics wird am Ende mit -wits ausgesprochen; bitte nicht mit -witsch. Der Mann ist Wiener von Geburt und Nationaler aus Neigung. Recht so. Die Menschen seien verblendet, eigene Meinungen im Vexierspiegel der öffentlichen Meinung verzerrt. „Jede patriotische Gesinnung ist heutzutage automatisch rechtsextrem. Man darf sich nicht auf das Spiel einlassen. Rechtsradikal soll ich sein? Falsch. Ein Neonazi? Falsch. Ich stelle mich dem Vergleich. Radikal ist nur die verschwommene Außensicht auf uns. Das Etikett bekommt man weg, indem man beweist, dass man nach hehren Motiven lebt und kein totalitäres System errichten will. Im Grunde wollen wir nur die Demokratie verteidigen. Dem Volk mehr Demokratie schenken.“
Essenziell sei in erster Linie eine Abrüstung der Worte. Markovics trägt ein kariertes Hemd, lädierte braune Schuhe und einen flaumigen Bart. Er lacht wie ein Kabarettist. Outriert wie ein Schauspieler. Parliert wie ein Festredner. „Identität ist das Bewusstsein des Selbst. Die Herkunft. Wo komme ich her, wo gehe ich hin. Wer bin ich. Kulturell. Regional, für mich Wien mit seiner Stadtgeschichte. Dann kommt Österreich. Und dann Europa.“ Ein Schluck Wasser, vom vielen Reden bekommt man einen trockenen Mund. Sind Sie eigentlich religiös, Herr Markovics? „Ich glaube an Gott, ja, aber ich gehe nicht mehr in die evangelische Kirche. Weil die Werte, die dort vertreten werden, Selbsthass und Selbstlüge sind. Damit kann ich mich nicht identifizieren.“
Alexander Markovics ist Single. Die Frau, die ihn aushält, muss vielleicht noch geboren werden. Aber echt sollte sie sein. Politisch interessiert. „Ich suche nicht“, sagt er. „Als Mann kommt man am besten zu einer Freundin, wenn man nicht hinter Frauen her ist. Die Richtige zu finden, ist heutzutage nicht leicht.“ Wenn seine Traumfrau Muslimin wäre? Da lacht er. Na ja. Da würde ihm das Schicksal den Mittelfinger zeigen. Aber man kann nie wissen, wo die Liebe hinfällt. Genauso wie ein Molotowcocktail. Oder das Bekenntnis zum Rechtsdrall. Irgendwie wirkt er auf eine Art sympathisch, der junge Mann. Wenn die Leute begreifen, wer er ist, wird es oft ruhig in einem Lokal. Oder es keimt der Zorn linker Rabauken auf. „Manchmal passen mich die Leute ab und wollen sich schlagen. Aber von Sun-Tzu, Die Kunst des Krieges, habe ich gelernt: Ein General sucht sich sein Schlachtfeld immer selbst aus. Also schaue ich, dass ich solchen Gelegenheiten aus dem Weg gehe.“ Bewaffnet sei er nie, kein Messer, kein Stock, kein Totschläger. „Es ist wichtiger, wenn man politisch aktiv ist und die Leute mit Worten überzeugt.“ Er mache Systema, eine Selbstverteidigungsart, ein bulliger Russe trainiere das mit ihm, für den Ernstfall.
Jetzt wird fotografiert. Klick-klick. Objektive Einstellungen und gefällige Brennweiten. Markovics ist das Posieren nicht gewöhnt. Er kann aber lächeln. Ja, auch Rechte können lächeln. Im Hintergrund spielt es Die lustige Witwe. Das passt zur Stimmung. Das Leben ist eine Operette. „Nach der Bundespräsidentenwahl hat sich gezeigt: Fünfzig Prozent der Österreicher sind falsch informiert. Ich will das ändern, mit ihnen reden, sie aufklären.“ Er predigt Wein und trinkt Wasser. „Patriotisch versus globalistisch. In Wahrheit geht es um amerikanische Wertvorstellungen. Sie wollen uns weismachen, dass man in einer indirekten Demokratie leben sollte. Wo das hinführt, sieht man an den kriegerischen Einsätzen der USA. Globalisierung ist nichts anderes als Kontrolle. Macht und Geld. Eine gut kaschierte Smarties-Mentalität. Oberflächlich betrachtet gibt es bunte Unterschiede, aber überall ist Schokolade drin.“
Was wollen Sie eigentlich, Herr Markovics? „Freiheit“, sagt er. „Freiheit bedeutet Verantwortung zu übernehmen.“ Identität ist das Bekenntnis zur Vergangenheit, zur Gegenwart, zur Zukunft. Zum Ich. Wir und die anderen. Es gebe in Österreich ein König-Abdullah-Zentrum, aber kein Haus der Heimat. „Das Fremde wird dem Eigenen vorgezogen. Aus einem pathologischen Selbsthass, aus einer Politik der Schuld heraus. Das Volk wurde nicht gefragt. Es wird abgeschafft. Sukzessive ausgetauscht. Das kann zum Ende der westlichen Zivilisation führen. Irgendwann werden wir die Syrer im eigenen Land sein. Vertrieben aus Österreich. Und in Afrika warten 400 Millionen Menschen. Die kann Europa nicht aufnehmen.“ Ist es schlecht, das zu sagen? Noch einen Kaffee, bitte, danke. Ja, mit Milchschaum. Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja. „Patriotische Hegemonie erreichen, das ist mein Ziel. Damit man in zehn Jahren ungestraft sagen kann: Ich bin Patriot. Genauso wie man heute leutselig sagt: Ich bin für die Masseneinwanderung. In den USA ist man gern Patriot, bei uns ein rechtes Arschloch.“ Wie wird man Identitärer, Herr Markovics? Mit Wurzelfleisch? Ha, nein, sagt er. Die Anfänge, hm. Es gab eigentlich kein Schlüsselerlebnis, eher eine Anhäufung von Erfahrungen. 2013 war es an der Zeit, eine Gruppe aufzubauen. „Davor, bis 2010 war ich bei der jungen FPÖ. Mir gab es zu wenig Aktionismus. Linke Gruppen machen das andauernd, aber rechte gehen kaum auf die Straße.“ Das habe ihm aufseiten der Rechten gefehlt. Aber dann. „2011 habe ich ein Aktionsvideo von Paris gesehen. Wie Identitäre mit Schweinemasken durch muslimische Vierteln gezogen sind. Ich dachte: Eigentlich muss man genau so etwas auch machen. Ich habe mich intensiv mit der Nouvelle Droite beschäftigt, mit der neuen Rechten in Frankreich.“ Im Februar 2013 das Gründungstreffen in Wien, bescheiden mit 20, 30 Leuten. Und dann die ersten Auseinandersetzungen mit dem anderen Extrem. „Plötzlich steht man auf der Mariahilfer Straße und das erste, was passiert, 500 Meter weiter war ein linksradikales Straßenfest, und die sind zu uns hergerannt, haben unseren Stand umgeworfen, fünf Minuten später war die WEGA da.“ Politik ist Konflikt.
Es braucht Agitation. Haltung, wenn andere einknicken. „Wir haben darauf eine Gegenbesetzung der Besetzung der Votivkirche gestartet. Die Linken forderten unseren Kopf. Die Polizei hat uns hinausgeleitet und die Hände geschüttelt, weil wir uns das getraut haben. Dass wir uns die Politik, die gemacht wird, nicht gefallen lassen. Bei der ersten Demo im Mai 2014 hat man uns mit Stahlkugeln beschossen und mit Pflastersteinen beworfen. Ich hatte Glück, wurde nie getroffen.“ Heuchler, eure Dekadenz ist unser Untergang! Das stand auf einem Banner, das die Identitären im April bei einer Aufführung des Jelinek-Stücks Die Schutzbefohlenen auf der Bühne ausgerollt und mit Kunstblut überschüttet haben. Im Audimax in Wien. Großer Aufruhr. Trubel und allerhand Gewese. Aktionismus. Alexander Markovics nennt das „ästhetische Intervention“. Eine ästhetische Intervention ist dazu da, um „Figuren wie Elfriede Jelinek zu zeigen, dass man mit ihrer sogenannten Kunst nicht einverstanden ist. Ihren Hass auf Österreich, den sie ganz offen kundtut, haben wir konterkariert. Um dem antipatriotischen Furor des Theaters etwas dagegenzusetzen. Wir wollten der Staatskünstlerin zeigen, dass wir nicht konform gehen mit dem, was sie transportieren will.“ Das war an der Universität und kurz darauf im Burgtheater. Ein medialer Schrei Kategorie Edvard Munch.
„Die Linken haben behauptet, wir hätten eine Schlägerei angezettelt. Nichts davon stimmt, gar nichts. Leute haben Bauschmerzen simuliert und uns beschuldigt. Jedes Handgemenge in einem Kindergarten ist dramatischer. Es zeigt sich: Die Linken sind Lügner. Boxer mit Glaskinn.“
Vorstrafe habe er keine, sagt er. Wäre hinderlich für die politische Laufbahn. Markovics ist Denker, Laien-Philosoph, Historiker und sicher kein Prolet. Er spricht gewählt, verständlich. Etwas zu laut, aber klar. Ein Bollwerk der Überzeugung. Was sagen Ihre Eltern, Herr Markovics? Hm. Seine Mutter würde den Job im Krankenhaus verlieren, wüsste man, wer der Sohn wirklich ist. Sie dürfe das nie erwähnen. Sippenhaftung. Und der Vater ist praktischer Arzt, lustigerweise ein Grüner. Daheim gebe es zum Teil heftige Diskussionen, Schreiereien eher selten. „Gespräche dürfen nie unter die Gürtellinie gehen. Schämen tut er sich aber nicht für mich.“ Worüber reden wir jetzt? „Es braucht ein patriotisches Gegengewicht zur Einheitsmeinung.“ Die Medien seien korrupt und gesteuert, man brauche sich nur Armin Wolf anzuschauen, den selbstherrlichen Geck. Und der Bundeskanzler? Wie stehen Sie zu dem, Herr Markovics?„Kern? Ein staatlich finanzierter Schlepper. Ich hoffe, es kommt der Tag, an dem er sich verantworten muss.“ Kurze Denkpause, dann viel Gestus. „An manchen Politikern klebt das Blut von unschuldigen Menschen. Von Leuten, die in Paris gestorben sind, von Frauen, die in Köln vergewaltigt wurden. Ich habe eine Wut auf diese Menschen, die ihr Volk verraten. Ich hoffe, dass Kern das gleiche Schicksal wie Faymann ereilen wird.“ Unter die Zehn-Prozent-Marke möge die SPÖ rutschen und in der Bedeutungslosigkeit versinken. Der Blick nach Deutschland bringe ihm Gänsehaut, auch an so einem warmen Frühlingstag wie heute. „Angela Merkel ist eine politische Katastrophe. Ein Priester hat mir einmal in einem Gespräch gesagt, sie ist die Verkörperung des Antichristen. Eine fürchterliche Frau.“ Angela als Luzifer. Vielleicht wegen der Frisur, wer weiß. Woher schöpfen Sie die Kraft, hinauszugehen und sich bespucken zu lassen, Herr Markovics? „Ich bekomme Zuspruch von Tausenden Menschen. Das ist es, warum ich alles mache. Ich mache das Richtige. Nicht nur in meinen Augen, auch in denen von zweiundzwanzigtausend Menschen in Österreich, die mich begleiten. Die uns unterstützen.“ Merkwürdigerweise hat sogar Norbert Hofer die Identitären als rechtsextrem bezeichnet. Alexander Markovics zuckt mit den Schultern und meint, das sei im Wahlkampf passiert, so Usus. Sonst gebe es sehr wohl Ähnlichkeiten in der parteipolitischen Ausrichtung mit der FPÖ. „Ich weiß von HC Strache, dass es positive Signale gibt und dass er uns gut findet“, sagt er. Mit Hofer würde er freilich reden und ihn fragen, was er zu bekritteln habe. Wichtig sei der Diskurs. Und noch wichtiger sei es, dass verschiedene Meinungen nebeneinander koexistieren können. Rechts, links, alles hat seine Berechtigung. Die Mitte habe sich ohnedies selbst radikalisiert. Es gebe nur mehr die Ränder. Die Enden des Pendels. Das Metronom der Wutbürger und „selbstgerechten Pseudomoralisten, die ihre Gutmenschlichkeit auf dem Treibsand eines falsch verstandenen Humanismus bauen“. Klingt wuchtig. Er nippt wieder am Kaffee.
Haben Sie Hobbys, Herr Markovics? „Ja, Literatur. H. C. Artmann lese ich gerade, eine Kurzgeschichtensammlung. Und ich bin Burschenschafter. Freundschaft ist mir wichtig, Zusammenhalt. Wir Identitäre treffen uns im Schmankerlspitz, einem Gasthaus im elften Bezirk. Linke haben dort eingebrochen und alles verwüstet, nachdem bekannt geworden war, dass wir dort unsere Treffen abhalten.“ Er erzählt diese Dinge, als würde er über das Wetter reden, alles selbstverständlich und peripher von Belang. „Und ich mag das Café Weingartner im fünfzehnten Bezirk.“ Man kann dort ungestört Karambol spielen und über Philosophen wie Alain de Benoist reden. Wenn eine Fee käme und Sie drei Wünsche frei hätten, was wäre das, Herr Markovics? „Dass Europa seine Außengrenzen schließt. Dass wir eine Politik der Remigration einleiten. Und dass Europa endlich wieder ein unabhängiger Faktor in der Weltpolitik wird.“ Er streckt die Hand zum Gruß aus. Die blauen Augen fixieren einen zum letzten Mal. Dann dreht er sich um und geht. Die Rosen schauen ihm nicht nach. Ihre Dornen sieht man nicht auf den ersten Blick.
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