Vor 20 Jahren, im April 1997, fand das Anti-Gentechnik-Volksbegehren statt. Mehr als 1,2 Millionen Österreicher unterschrieben gegen Gentechnik am Acker, am Teller und gegen Patente auf Leben. Doch die Politik versagte. Nur stillen Helden ist es zu verdanken, dass trotzdem viel erreicht wurde: Die Äcker blieben sauber, und der Anteil gentechnikfreier Futtermittel nimmt zu.
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Text: Klaus Faißner
Es war ein heißer Frühlingsbeginn, zumindest politisch. Es war die Woche zwischen 7. und 14. April 1997, als das Volk gegen die Gentechnik begehrte. Die "Eliten" waren über dieses Aufbegehren entsetzt: "Wir ziehen einen ziemlichen Haufen an Idioten heran", polterte im Vorfeld etwa der hochrangige Mikrobiologe Hermann Katinger gegen Gentechnikkritiker. Wissenschaftler, die rot-schwarze Regierung und viele Medien verkauften die neue Technologie als zukunftsweisend und versprachen gesündere Nahrungsmittel, höhere Erträge und weniger Spritzmitteleinsatz. All das stellte sich inzwischen als Lüge he-raus. "Beim Volksbegehren hat es geheißen, Österreich würde sich vor der Welt als technikfeindliches Land blamieren - so wie 1978 beim Atomkraftwerk Zwentendorf. Doch wie sich mit der Zeit herausstellte, haben die Österreicher wieder die Nase vorne gehabt, weil sie eine gesunde Skepsis vor Industrielobbyisten gezeigt haben", erklärt der Sprecher des Volksbegehrens, der Ökologe Peter Weish.
"Größter Betrug der Wissenschaft"
Inzwischen ist bekannt, dass die Gentechnik nur mittels "Betrug und systematischer Täuschung durch Konzerne, Wissenschaftler, Medien und Regulierungs-Behörden" in die Welt gesetzt werden konnte. Das deckte Rechtsanwalt Steven Druker zusammen mit seinem Kollegen Andrew Kimbrell auf, die 1998 vor Gericht die Herausgabe von 60.000 Seiten an Akten rund um die politische Freigabe der Gentechnik in den USA erwirkten. Top-Wissenschafter hatten vor "unerwartet hohen Werten von Pflanzengiftstoffen" oder "unvorhersehbaren Pflanzeneigenschaften" gewarnt. Vergeblich. "Die gesamte Täuschung, um Gen-Nahrungsmittel zu begünstigen, ist bei Weitem der größte Betrug in der Geschichte der Wissenschaft", erklärt Druker in seinem Enthüllungsbuch über "veränderte Gene und verdrehte Wahrheit".
Es war geplant, innerhalb weniger Jahre weltweit die natürliche Nahrung durch Gentechnik zu ersetzen: "Gen-Food ist das Essen der Zukunft. Wer in zehn Jahren Lebensmittel essen will, die nicht genmanipuliert sind, muss verhungern oder sehr reich sein", erklärte 1997 Helmut Maucher, damaliger Präsident des Nahrungsmittel-Konzerns Nestlé.
Ein Anti-Gentechnik-Volksbegehren schien die letzte Rettung zu sein. Die drei Forderungen lauteten:
1.) kein Essen aus dem Genlabor
2.) keine Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in der Landwirtschaft
3.) keine Patente auf Leben
1.226.551 Österreicher unterschrieben auf den Gemeinde- sowie magistratischen Bezirksämtern, womit es das erfolgreichste parteiunabhängige Volksbegehren bis heute wurde.
Politiker als Konzernvertreter
Auch 20 Jahre nach dem Volksbegehren sind Österreichs Äcker immer noch sauber. Punkt zwei wurde also erfüllt. Mehrere Male konnte der Versuch der EU-Kommission, Österreich zum Anbau von Genmais zu zwingen, abgewehrt werden. Zuletzt war das 2009 der Fall. Doch die Forderungen eins und drei - keine Gentechnik am Teller und keine Patente auf Leben - wurden von der Politik ignoriert (siehe auch Kasten). Da Schweine und Rinder genmanipulierte Futtermittel fressen, landet "Genfleisch" auf unseren Tellern. "Das Parlament hat nichts zusammengebracht. Die Volksvertreter haben sich als Volksvertreter disqualifiziert und als Konzernvertreter qualifiziert", so Volksbegehren-Sprecher Weish. Immerhin sei es gelungen, dass in Supermärkten nur wenige Gentechnik-Produkte zu finden sind. "Außerparlamentarisch war das Volksbegehren ein Erfolg. Die Entwicklung gibt denen recht, die sich engagiert haben." Aktuell ist die Gefahr groß, dass durch das EU-Kanada-Abkommen CETA vermehrt Gentechnik importiert wird.
Debatte um "Fenstersturz"
Seit dem Volksbegehren haben sich einige Menschen mit großem Einsatz für den Erhalt der natürlichen Nahrung engagiert. Manche davon sind fast unbekannt. Denn während Greenpeace & Co. am Anfang aktiv waren und dann immer stiller wurden, hatten andere einen langen Atem. Einer davon ist der Agrarhändler Karl Pilstl aus Raab in Oberösterreich. "Wenn der Konsument gentechnikfreie Produkte haben will, sind wir verpflichtet, diese zur Verfügung zu stellen", beschloss er "aus vollem Herzen" nach dem Volksbegehren gemeinsam mit seinem Sohn und Mitgeschäftsführer Andreas. Am 11. August 1997 kam seine erste Ladung garantiert gentechnikfreies Soja aus Brasilien in Österreich an. Die Gentechnikgegner jubelten. Jedoch habe es einen enormen Widerstand von der Politik, der Raiffeisengruppe und multinationalen Konzernen gegeben, wie Pilstl erzählt. So habe ihn der Chef des Agrarhändlers Toepfer (heute ADM) angerufen und ihm nach einer Dreiviertelstunde Telefonat am Schluss versteckt gedroht: "Herr Pilstl, ich hoffe, Sie hängen sich nicht zu weit beim Fenster hinaus." Pilstls Antwort: "Keine Sorge, mein Büro ist im Erdgeschoß." Anfangs wurde Pilstl für seinen Alleingang abgestraft: "Es sind uns Top-Kunden im Bereich GVO-Sojaschrot teilweise abgesprungen, und wir haben damals fast 35 Prozent des Inlandsumsatzes verloren." Doch auf lange Sicht lohnte sich der gerade Weg: Zusammen mit dem bayerischen Landwirt und Agrarhändler Josef Feilmeier drängte Pilstl die Gentechnik in Bayern zurück, und er war 2010 die Speerspitze bei der Umstellung der österreichischen Milchwirtschaft auf Gentechnikfreiheit. Nur ein paar Monate später erfolgte die österreichweite Umstellung auf Gentechnikfreiheit bei den Eiern und 2012 beim Hühnerfleisch. Aktuell geht es bei den Schweinen in diese Richtung. Eines ist für Pilstl wichtig: "Der Mehrpreis für gentechnikfreien Sojaschrot muss den Bauern abgegolten werden."
"Pro Leben" schafft Wunder
500.000 Tonnen Soja wurden 2016 nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums als Futtermittel importiert, davon geschätzt knapp 400.000 Tonnen genmanipuliert. Der Großteil der Schweine und Mastrinder wird noch mit Gensoja gefüttert. Milch, Eier und Geflügelfleisch aus Österreich sind hingegen gentechnikfrei. Das ist zu einem bedeutenden Teil Richard Leopold Tomasch aus Feistritz ob Bleiburg in Kärnten und seinen Mitstreitern zu verdanken. Da für ihn die Gentechnik "der größte Wahnsinn der Menschheit" ist, gründete er im Jahr 2000 die erste Anti-Gentechnikplattform Österreichs, Pro Leben (www.proleben.at). Er knüpfte weltweit Kontakte und nahm sich regelmäßig heimische Politiker, Journalisten sowie andere Entscheidungsträger zur Brust. Auch sparte er nicht mit Kritik an Greenpeace, Bio-Verbänden und den Grünen, als sie 2007 beispielsweise die Erhöhung des Wertes für die gesetzlich mögliche Verschmutzung von Bio-Ware von 0,1 auf 0,9 Prozent hinnahmen. Mit Aktionismus und zahlreichen Gesprächen mit Verantwortlichen von Handelskonzernen oder Eierverpackern schaffte er das "gentechnikfreie Wunder" und zeigte, dass sich Ausdauer lohnt.
An Tomaschs Seite kämpfte eine Zeit lang der Bio-Landwirt Volker Helldorff aus Haimburg bei Völkermarkt in Kärnten, der dann die Plattform Ärzte, Bauern und Juristen für gentechnikfreie Nahrung gründete. Helldorffs Nachbarbauer hatte 1997 - ohne es zu wissen - gentechnisch verseuchtes Maissaatgut ausgebracht, das der noch vor der Blüte wieder vernichten musste. Helldorff wurde klar, dass die Gentechnik seine Existenz als Biobauer zerstören würde. Denn genmanipulierte Pollen machen nicht an der Grenze des Ackers halt. Er stellte riesige Plakate auf seiner Grundstücksgrenze auf, mit denen er Autofahrer vor der Gentechnik warnte und nahm dafür Ärger mit Behörden in Kauf. Er wurde als Gentechnik-Kabarettist aktiv, um die Menschen zum Lachen und Nachdenken zu bringen. Und er schreibt unermüdlich Politiker an, um ein Gentechnik-Verbot zu erwirken und die biologische Landwirtschaft zu fördern - als das beste Mittel gegen das Bauernsterben, gegen Krisen und den Hunger in der Welt.
Gentechfreier Leberkäse als Renner
Viel in Bewegung brachte auch der Schlachthausbetreiber Franz Oberndorfer aus Ried im oberösterreichischen Traunkreis. Während Landwirtschaftsfunktionäre ununterbrochen das "Wachsen oder Weichen" der Höfe predigten, sah er nur in höchsten Qualitätsprodukten eine Chance für heimische Bauern. "Als ich das vor zehn Jahren sagte, wurde ich ausgebuht und ausgelacht. Doch jetzt habe ich recht bekommen", erzählt Oberndorfer. 2011 stellte er bei seinen zuliefernden Bauern auf gentechnikfreies Soja um. Der Widerstand, vor allem von Seiten der Landwirtschaftskammer, war enorm und noch schien die Zeit nicht reif zu sein. Im April 2015 schaffte er als Partner der Firma "Gourmetfein" in Michaelnbach in Oberösterreich mit einem bislang einzigartigen Konzept den Durchbruch: Die Schweine und Rinder stammen aus Oberösterreich, sie werden ausschließlich gentechnikfrei gefüttert. Bei jedem Stück Leberkäse ist der Name des Schweine- und des Rinderbauern ausgelobt, von dem das Tier stammt. Inzwischen ist die Nachfrage um das Fünffache gestiegen. Erstmals besteht auch die Chance, in ganz Österreich Schnitzel und Schweinsbraten gentechnikfrei zu bekommen. Die Handelskette Hofer zog im Jänner mit der gentechnikfreien Linie "FairHof" nach. Demnächst will auch die von oberösterreichischen Landwirtschaftsfunktionären betriebene Marke Gustino auf Gentechnikfreiheit umsteigen. Die Forderung: "Keine Gentechnik am Teller" ist nicht mehr utopisch. Die Mehrkosten für die Verfütterung von ausschließlich gentechnikfreier Soja würden sich auf 20 bis 30 Millionen Euro pro Jahr belaufen. Also ein paar Euro pro Kopf - für die eigene Gesundheit, die Bauernschaft, die Freiheit und die Umwelt. Wenn Sie sich gentechnikfrei ernähren wollen, kaufen Sie insbesondere bei tierischen Produkten und Sojaprodukten österreichische Ware mit dem Siegel "Gentechnikfrei" und/oder "Bio". Guten Appetit!