Die einen sind davon überzeugt, dass sie unter Mobilfunkstrahlen leiden. Andere erklären das als Nonsens. Die Fronten sind verhärtet. alles roger? bat Univ.-Prof. Wilhelm Mosgöller, aktiver Forscher und Projektmanager in der Mobilfunkforschung, sowie Gregor Wagner, Pressesprecher des Forum Mobilkommunikation, zu einem spannenden Pro-und-Contra-Gespräch.
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Text: Martina Bauer
Die Weltgesundheitsorganisation WHO stuft elektromagnetische Felder als "potenziell krebserregend" ein, die Ärztekammer warnt vor Handys, WLAN, DECT-Telefonen etc. Sind hier lauter Paranoiker am Werk?
Gregor Wagner: Die WHO stuft Funkwellen allgemein und damit unter anderem Mobilfunk als möglicherweise krebserregend ein. Das klingt nach Wortklauberei, ist aber wichtig, weil die einzelnen Stufen der Klassifizierung 1, 2, 2b, 3 und 4 sind. Funk fällt unter 2b - also möglicherweise, aber nicht wahrscheinlich. Ich weiß es nicht, ob da Paranoiker unterwegs sind. Die Ärztekammer warnt, aber sie schreibt nicht wovor genau, was die Auswirkung ist, wenn man viel telefoniert.
Wilhelm Mosgöller: Nein, das ist keine Paranoia, sondern sind unterschiedliche Herangehensweisen zum infiltrierenden Ausbreiten der Mobiltelefonie. Die Handy-Werbung macht sozialen Druck - eines haben zu müssen - bereits in der Volksschule. Der ärztliche Zugang ist ein anderer. Das WHO-Votum "möglichweise krebserregend" sehe ich als Auftrag an Forscher und Sponsoren, die industrieunabhängige Forschung voranzutreiben. Ärzte plädieren für weniger Exposition, weil "die Dosis macht die Wirkung".
Einige Menschen bezeichnen sich als elektrosensibel und geben an, nur fernab der Zivilisation einigermaßen beschwerdefrei leben zu können - das bekannteste Beispiel ist der Bayer Uli Weiner. Bilden sich diese Menschen die Beschwerden nur ein?
Gregor Wagner: Nein. Und die WHO sagt in Factsheet 296, dass Menschen, die glauben, an Elektrosensibilität zu leiden, reale Symptome haben. Die WHO sagt aber auch, dass die Ursache ihrer realen Symptome nicht die elektromagnetische Strahlung ist, sondern die Angst, die mit diffusen Warnungen geschürt wird. In einer Kleinstadt wurde eine ganz große Mobilfunkstation errichtet. Die Leute haben sich plötzlich beschwert, dass sie schlecht schlafen, aber sie war noch gar nicht angeschlossen. Wichtig ist für uns, was die WHO sagt.
Wilhelm Mosgöller: Der Begriff "Elektrosensibilität" ist ein vielschichtiges Phänomen. Weil aber der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, für die Namensgebung herhalten muss, hat uns der Mobilfunk-Netzausbau eine Flut von Elektrosensiblen beschert. Die Netzbetreiber sehen sich selbst aber nicht als die Täter, sondern erklären die Situation als Folge "diffuser Ängste". Das wiede-rum steigert bei den Betroffenen das Unbehagen, Angst und Wut, nicht ernst genommen zu werden.
Bei mehreren iPhone-Modellen heißt es in der Gebrauchsanweisung, dass diese aufgrund der Strahlenbelastung nicht direkt am Körper getragen werden sollen. Warum?
Gregor Wagner: Das weiß ich nicht, das muss Apple selbst beantworten. Ich spreche für die Mobilfunknetzbetreiber.
Wilhelm Mosgöller: Das gilt mehr oder weniger für jeden Gerätetyp. Ein Handy in der Tragtasche ist besser aufgehoben als in der Hosentasche, nur eine Stoffbreite neben der Haut. Das Handy ist in der Handtasche besser aufgehoben als in den BH gesteckt. Der Grund dafür ist einfach: Beim Herstellertest, ob die Geräte den verbindlichen Grenzwerten genügen, wird ein Abstand von 0,5 bis 1,5 Zentimeter einkalkuliert. In der Folge muss also der Konsument den Abstand einhalten, um grenzwertkonform zu sein. Aber wer liest schon das Kleingedruckte in den Gebrauchsanweisungen? Allerdings, führt man das Handy in der Tragetasche mit sich und verwendet zum Telefonieren ein Ohrkabel, ist man auf der sicheren Seite.
Die Mobilfunkindustrie gibt Milliarden für Werbung aus. Kann es sein, dass dadurch Medien kaum über - mögliche - gesundheitliche Auswirkungen des Mobilfunks berichten?
Gregor Wagner: In Österreich gibt die Mobilfunkindustrie Millionen aus, nicht Milliarden. Die Mobilfunkindustrie hat sich in Österreich noch nie in die Medien eingemischt. Ich mache diesen Job seit sieben Jahren und ich kann mit bestem Wissen sagen, dass ich noch nie bei einem Medium interveniert habe. Ganz einfach, weil das unlauter ist. Die Anbieter die ich kenne, nehmen die Pressefreiheit und die Redaktionsstatuten ernst. Es wird nie mit dem Druckmittel des Werbebudgets gearbeitet. Was wir sehr wohl tun: danach intervenieren beim Redakteur, aber das mach' ich als Pressesprecher.
Wilhelm Mosgöller: Der Volksmund sagt, "kein Hund beißt die Hand, die ihn füttert". Überdies ist es ja wie ein Outing als Spaßbremse, über mögliche Gesundheitsauswirkungen von Smartphones zu berichten. Angesichts der sich dahinschleppenden Forschung gilt für die Konsumenten: Wer Hirn hat, sollte Bestrahlung vermeiden.
Prof. Dr. Ing. Konstantin Meyl sagt, dass nicht die elektromagnetischen Wellen das Problem sind, sondern die Skalarwellen. Wie sehen Sie das?
Gregor Wagner: Ich kenne den Herrn nicht, aber es ist erstaunlich, dass er von etwas spricht, das es in der Wissenschaft nicht gibt.
Wilhelm Mosgöller: Vor einer konkreten Anwendung der Skalarwellen wäre es erforderlich, praxistaugliche auf Skalarwellen basierende Technologien zu entwickeln, und den klinischen Wirknachweis erbracht zu haben.
Es laufen in der Medizin Forschungen mit Skalarwellen.
Gregor Wagner: Dann sollen sie forschen, aber es gibt keine Hinweise darauf, dass das was Ernstzunehmendes ist.
Wilhelm Mosgöller: In der medizinischen Forschung wird nach der Wirkung die Anwendungssicherheit geprüft. Erst wenn diese geklärt ist, dürfen Ärzte Patienten behandeln. Bis also die Skalarwellen-Forschung Früchte bringt, hat der Konsument eigentlich nur die Wahl, sich dem Vorsorgeprinzip zu verschreiben, also das eigene Mobiltelefon nicht gedankenlos, sondern bewusst und umsichtig einzusetzen.
Wird die Wissenschaft von denen regiert, die dafür bezahlen, oder ist sie frei?
Gregor Wagner: Meine persönliche Meinung ist, dass die Wissenschaft, die natürlich bezahlt wird, dem Zweck dient, die Wissenschaft weiterzubringen. Zum Glück gibt es aber auch wissenschaftliche Forschungsprojekte, von denen man heute nicht sagen kann wohin sie führen, was wir davon haben werden.
Wilhelm Mosgöller: Die Kino-Dokumentation "Thank you for Calling" beschreibt Einflussnahmen auf die Mobilfunkforschung hinter den Kulissen. Sie lief nur kurz im Jahr 2016, aber zumindest den Trailer gibt es auf YouTube zu sehen. Ich selbst habe erst kürzlich wieder mal erleben dürfen, dass das Anschwärzen von Wissenschaftlern zum Tagesgeschäft von Lobbyisten gehört, die damit von einem nicht genehmen Gerichtsurteil ablenken. Derartiges darf man als Wissenschaftler nicht persönlich nehmen, muss es sich aber auch leisten können.