Hanf-Shops schießen derzeit in Österreich aus dem Boden wie Schwammerl. Die alte Kulturpflanze boomt auf dem Sektor der Gesundheit. Man besinnt sich wieder darauf, was die Menschheit schon vor Tausenden von Jahren wusste. alles roger? unternahm einen Lokalaugenschein und erforschte die Gründe dafür.
Text: Martina Bauer
In dem Moment, als wir das Geschäft betreten wollen, öffnet von innen ein Pensionisten-Pärchen die Tür. Oha, das ist nicht ganz das Bild, das man sich erwartet, wenn man erstmals einen Hanf-Shop ansteuert. Das Vorurteil sitzt tief. Daran besteht kein Zweifel. Die weltweite, einer Gehirnwäsche ähnelnde, Anti-Cannabis-Kampagne hat offenbar ganze Arbeit geleistet.
Die ältere Frau und der Mann an ihrer Seite lächeln, halten einladend die Tür auf. Drinnen gibt's dann gleich das nächste Oha. Man kommt sich eher vor wie in einer Apotheke, aber nicht wie in einem Hanf-Shop, so wie man sich ihn ausmalen könnte, wäre man voreingenommen. Keine Rauchschwaden, keine übertönende Reggae-Musik und weit und breit niemand mit Rasta-Zöpfen und Augen auf Halbmast. Statt einem "Ay man", sagt der adrette junge Mann hinter dem Pult "Guten Tag und bitte schön ...", nachdem er einen anderen Kunden fertig bedient hat.
Medizinische Produkte
Es ist was los am frühen Vormittag, im Shop Greenfield - Die mit dem Hanf im steirischen Leoben. Ein Schelm, wer Böses denkt. Um Drogen geht's hier nämlich nicht. Inhaber Bernhard Pirker und dessen Sohn Christian Pirker haben die Zeichen der Zeit erkannt. Sie haben sich auf medizinische Hanfprodukte spezialisiert - und auf Aufklärung. Vor rund einem Jahr haben sie ihren Shop eröffnet.
Der Hanf war aber bereits vor Jahrtausenden als Nutzpflanze bekannt. Also lange bevor Henry Ford sein legendäres Hanf-Auto kreierte. In Asien, in Afrika, aber auch in Europa war Hanf ein gefragter Rohstoff mit vielseitigem Verwendungszweck. Kleidung, Taue, Segel, Heilmittel, Waffen und Papier - all das wurde aus Hanf hergestellt. Die berühmte Gutenberg-Bibel wurde zum Beispiel auf Hanfpapier gedruckt. Heute ist der Industriehanf auch als Dämmschutz hochgeschätzt. Und während der erste amerikanische Präsident George Washington noch selbst Hanf im großen Stil anbaute, darf heute in den USA nicht mal mehr Faserhanf angebaut werden. Die wertvolle Nutzpflanze wurde aus vielerlei Gründen einfach verteufelt.
CBD: gegen Schmerzen, ohne Rausch
Nicht zuletzt deshalb, weil man sie auch rauchen kann (siehe Kasten). Allerdings haben nur gewisse Blüten der Pflanze die berauschende Wirkung. Darum hängt im Greenfield über den Hanfpflanzen ein Schild, auf dem extra darauf hingewiesen wird. Abschlusssatz des Textes: "Wir sind Zierpflanzenhändler und keine Drogenhändler". Was muss, das muss. "Gute Tipps" zur gar nicht so einfachen Aufzucht gibt's natürlich keine.
Wichtig sind bei den Produkten vor allem die Inhaltsstoffe. CBD (Cannabidiol) ist der nicht psychoaktive Bestandteil der Pflanze. THC (Tetrahydrocannabinol) ist berauschend. Und es sind die CBD-Produkte, deren Nachfrage derzeit explosionsartig in die Höhe geht. "Wie mit allem, wo eine große Nachfrage herrscht, wird auch hier am Markt sehr viel Schindluder betrieben", sagt Christian Bisail, der Verkäufer im Greenfield. Er weiß: "Der Käufer kann das Endprodukt ja nicht auf seine Inhaltsstoffe kontrollieren."
Das Produkt von Greenfield heißt Goldextrakt, weil es eine gelb-orange Farbe hat und ist an der schweizerischen Qualität angelehnt. Es enthält 50 Prozent CBD, der Rest sind THC-freie Pflanzenanteile. Der Wirkstoff wird bei vielseitigen Beschwerden eingesetzt. Von Kopfschmerzen angefangen bis zur Linderung von Schmerzen bei Krebspatienten. "Das ist unsere Haupt-Klientel", sagt Christian, der es unmöglich findet, dass diese alte Kulturpflanze so verteufelt wird.
Nur Ärzte dürfen Rauschmittel THC verschreiben
Er erzählt von alten Menschen, die sich in Parks rumtreiben und von irgendwelchen Dealern Marihuana ("Gras") kaufen, als wären sie Kriminelle. "Dabei wollen sie nur ihre unerträglichen Schmerzen lindern. Oft kommen Sie damit dann zu uns, weil sie sich ja nicht auskennen, und fragen, ob das eh gut wäre. Meist ist es das nicht. Reines Gras verbrennt zu Asche, aber wenn wir damit den Test machen, bleibt meistens eine schwarze Schmierpaste zurück."
Aufklärung ist alles, was gegen diese Missstände helfen kann, und dafür wird sich künftig der Verein ÖCN (Österreichisches Cannabis Netzwerk) für komplementäre Gesundheitsvorsorge einsetzen. Bisher hieß der Verein CSC (Cannabis Social Club Steiermark). Christian Bisail war davon auch Präsident, möchte die Basisplattform für Information aber als eine adäquate Anlaufstelle für Cannabis als Medizin neu aufstellen. So etwas gab es bis dato nicht.
Mit eingebunden wird ein Netzwerk aus Ärzten, denn die dürfen auch THC verschreiben. THC wird primär bei Krebspatienten eingesetzt. Auch als Appetitanreger. THC besteht aus den Hanfblüten und ist somit jenes "Zeug", das sich Oma und Opa oft noch aus dem Stadtpark checken. Der Verein ÖCN soll nicht nur den Austausch zwischen Ärzten und Patienten erleichtern, sondern auch von Patienten zu Patienten. Erfahrungswerte auszutauschen ist für diese Menschen auch wichtig.
Hanf-Apotheke in Planung
Die Idee zu dem Hanf-Shop hatte Christian Pirker bereits vor zwei Jahren. Das Thema Cannabis und die Medizin haben ihn fasziniert, und damit hat er dann auch seinen Vater angesteckt. Mittlerweile betreiben die beiden zwei Shops in Kapfenberg und je einen in Bruck und in Leoben. Ihr nächster Coup: eine Hempotheke zu eröffnen. Also so etwas wie eine Hanf-Apotheke, in der man dann neben den Nahrungsergänzungsmitteln auch Hanf-Kosmetik und Hanf-Lebensmittel bekommen wird. "Unser Ziel ist es, in jedem Bundesland so eine Hempotheke zu installieren", sagt Bernhard Pirker gegenüber alles roger?.
Warum nicht, der Umsatz seiner derzeitigen Geschäfte spricht dafür. Die Nachfrage steigt. Darum sitzt er auch rund drei Mal in der Woche im Labor, wo er die Produkte, die von einem Partner aus der Schweiz kommen, abfüllt. Dort ist auch die Forschung beheimatet, weil das aufgrund der Gesetze viel einfacher ist als in Österreich. Die Ziele sind aber nicht nur gute Geschäfte. Primär soll den Menschen geholfen werden, die diese Produkte brauchen. Sie sollen - ebenso wie die Pflanze selbst - aus der kriminellen Ecke herausgeholt werden.
Info:
Bedenkliche Folgen
Viele fordern die Legalisierung von Marihuana ("Gras") mit dem Rauschmittel THC und behaupten eine Harmlosigkeit der Droge. Doch zahlreiche Untersuchungen bezeugen das Gegenteil: Sie kann niedergedrückte Stimmung, Unruhe, Erregung, Angst, Panikreaktionen, Verwirrtheit mit Verfolgungswahn bis hin zu paranoiden Wahnvorstellungen auslösen, heißt es auf der populärmedizinischen Seite NetDoktor.de. Auch Psychosen können begünstigt werden. Antriebslosigkeit ist eine offensichtliche Folge. US-Herzspezialisten präsentierten heuer eine Studie mit Daten von mehr als 20 Millionen Patientenakten, nach der Marihuana-Konsum das Risiko, an einer Herzinsuffizienz zu erkranken, um zehn Prozent und für einen Schlaganfall um 26 Prozent erhöht. Das ändert nichts daran, dass Hanf (Cannabis) - solange er nicht geraucht wird - eine wertvolle Nutzpflanze ist. (K. Faißner)