Seit Wochen sorgt die SPÖ Stadträtin Ulli Sima mit der neuen Gesetzgebung um Hunde und Hundehalter für Aufregung. Aufgrund der teilweise nicht nachvollziehbaren Gesetzesnovelle, wie das Einschläfern von Hunden die Einbrecher beißen, baten wir zwei der größten Kritiker der Stadträtin zum Gespräch: Die Leiterin des Wiener Tierschutzvereins und frühere Grün-Politikerin, Madeleine Petrovic, und den FPÖ-Politiker und bekennenden Tierschützer, Udo Guggenbichler.
Interview: Roland Hofbauer
Wie finden Sie, geht Stadträtin Sima mit dem Thema Hund generell um?
Petrovic: Die Wiener Stadtpolitik scheint in letzter Zeit der Meinung zu sein, dass generelle Verbote das beste Mittel zur Problemlösung sind. Daneben setzt man bewusst auf Panikmache und Polarisierung, um die oftmals noch uninformierte oder unkundige Bevölkerung auf seine Seite zu ziehen. Besonders die Wiener Umweltstadträtin hat sich in diesem Bereich mittlerweile einen sehr zweifelhaften Ruf erarbeitet, wird vielerorts hinter vorgehaltener Hand "Verbotsstadträtin" genannt. Wie die Debatte über Hunde zeigt, wird jeder sinnvolle Diskurs mit jenen Gruppen, Experten oder Interessensvertretungen, welche die jeweiligen Problemstellungen betreffen, konsequent vermieden. Stattdessen wird gezielt Populismus betrieben.
Guggenbichler: Leider hat es Stadträtin Sima bei den Gesetzesnovellen verabsäumt, sich mit Experten und Betroffenen an einen Tisch zu setzen und nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen. Wie schon bei der Einführung der sogenannten "Rasseliste für Hunde". Mit der letzten Novelle hat sie dazu beigetragen, dass bei der Wiener Bevölkerung Verunsicherung herrscht! Das ist für alle schlecht, für die Bürger, die Hundehalter und natürlich auch für die Hunde.
Viele sagen ihr eine Abneigung gegen Hunde nach. Glauben Sie, da ist etwas dran?
Petrovic: Dieses Gerücht hält sich hartnäckig. Gewissen Hunderassen dürfte sie jedenfalls nicht sehr zugetan sein, wie auch das aktuelle legistische Machwerk zeigt. Wenn man Hunde aus der Stadt verbannen will, dann soll man das auch offen sagen, statt immer neue, unsinnige Bestimmungen vorzuschieben.
Guggenbichler: Persönlich will ich das nicht werten. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand, der Hunde und Tiere wirklich mag, solche Gesetze durchpeitscht, ohne an die Folgen für die Tiere und deren Besitzer zu denken, wie es Sima in diesem Fall getan hat.
Wie und durch wen müssten neue Vorschläge und Verbesserungen beschlossen werden, um Sinn zu machen?
Guggenbichler: Ich konnte in den letzten Wochen viele Experten in diesem Bereich kennenlernen. Seien es Tierschützer, Hundehalter, Hundetrainer, Veterinärmediziner, Züchter - die sind sich alle einig, dass die Rassenliste von Sima einfach unwissenschaftlicher Unsinn ist! Es wird schon einen Grund geben, warum sich Sima seit Jahren weigert, die Namen der Experten zu nennen, von denen sie beraten wurde. In Deutschland wurden die Rasselisten in einigen Bundesländern schon wieder abgeschafft, weil es nichts gebracht hat.
Petrovic: Wäre eine Kooperation zwischen Politik, den Behörden und den NGOs möglich, so könnten wir sehr viel in Richtung eines sicheren, menschlichen und artgerechten Umgangs mit Tieren leisten. Eine bundesweite Lösung, im Sinne der Hunde, welche Kernprobleme wie unseriöse Zucht und Handel nicht ausspart, wäre wünschenswert. Beim Wiener Hundegesetz wurde weder jemand aus dem Tierschutz, noch aus dem Hundetrainingsbereich miteinbezogen. Man hat hier ein populistisches Placebo geschaffen.
Was halten Sie von der generellen Beißkorbpflicht für Listenhunde?
Guggenbichler: Ich glaube, die jetzigen Gesetze sind ausreichend. Mit einer Verschärfung treffen wir ganz sicher nicht die, die sich sowieso nicht an bestehende Gesetze gehalten haben, sondern es werden nur jene schikaniert, die schon bisher verantwortungsvoll mit ihren Hunden umgegangen sind.
Petrovic: Gar nichts. Man hat hier im Vorfeld nicht einen einzigen Experten oder eine Expertin, sprich jemanden aus dem Hundetrainings- oder Verhaltensforschungsbereich, dazu befragt beziehungsweise deren Einwände konsequent ignoriert. So werden Hunde durch das ständige Tragen eines Maulkorbs in ihrem Sozialverhalten extrem eingeschränkt und können mit ihren Artgenossen nur schwer interagieren. Auffälliges Verhalten wird damit geradezu vom Gesetzgeber provoziert. Dabei wünscht sich die amtsführende Stadträtin gerade von Listenhunden ein gutes Sozialverhalten. Ein Widerspruch in sich. Dazu kommt, dass auch ein Maulkorb schwere Verletzungen oft nicht verhindert.
Was halten Sie überhaupt von dem Begriff Listenhunde?
Petrovic: Es ist ein Stigma. Die berüchtigte Liste ist eine willkürlich verordnete Trennlinie, die weder sinnvoll noch wissenschaftlich haltbar ist, aber dennoch als rechtlich gültiger Unfug die Arbeit der Tierschutzvereine in der Praxis wesentlich erschwert, Hunde stigmatisiert und redliche HundebesitzerInnen verunglimpft. Während etwa viele deutsche Bundesländer diese Liste wieder abgeschafft haben, weil man eingesehen hat, dass sie unsinnig ist, denkt man in Wien gar darüber nach sie zu erweitern. Weit schlimmer ist aber der Begriff "Kampfhunde", der in der Diskussion um das Gesetz, besonders von Vertretern der Stadt Wien, fast gebetsmühlenartig wiederholt wurde.
Guggenbichler: Wie gesagt - viele Länder haben die Liste schon wieder abgeschafft - Hunde auf Grund ihrer Rasse als "gefährlich" abzustempeln ist Unsinn.
Ein Hund der einen Einbrecher beißt und verletzt, soll eingeschläfert werden. Was sagen Sie dazu?
Petrovic: Dieser Passus wurde im Gesetz nachträglich noch entschärft. Er ist zwar noch enthalten, aber nicht mehr in ganz extremer Form, er ist aber dennoch zu verurteilen. Zudem sind wir davon überzeugt, dass er verfassungswidrig ist, denn er widerspricht dem Tierschutzgesetz, das als Bundesgesetz höher steht. Wir werden uns hier für eine Prüfung stark machen.
Guggenbichler: Einer der Schnellschüsse von Sima, den wir Gottseidank entschärfen könnten - undifferenzierte Todesstrafen ex lege sind abzulehnen.
Für dieses Thema haben der Tierschutzverein und die FPÖ gemeinsam gekämpft, sind sogar gemeinsam auf der Bühne gestanden. Ist bei Tierschutz die Parteifarbe egal?
Petrovic: So sollte es sein. Es geht hier nicht um politische Befindlichkeiten, sondern um das Wohl der Tiere.
Guggenbichler: Für mich ist Tierschutz ein persönliches Anliegen. Wenn es um das Wohl der Tiere geht, muss man natürlich auch über alle (Partei)grenzen hinweg zusammenarbeiten. Mit Madeleine Petrovic habe ich schon öfter gut zusammengearbeitet. Sie hat ein großes Herz für Tiere und sehr viel Fachwissen. Die Parteifarbe ist da kein Thema. Leider kann ich diese Einstellung bei den Wiener Grünen und Ulli Sima nicht erkennen.
Haben Sie das Gefühl, dass es aktuell eine Hetzjagd gegen Hunde und Hundebesitzer geben könnte?
Guggenbichler: Ganz klar hat sich, seit Ulli Sima mit ihrer populistischen Hetze begonnen hat, das Klima massiv verschlechtert. Viele Tierhalter erzählen mir, dass sie auf der Straße oft schief angeschaut oder sogar angepöbelt werden, wenn sie mit ihren Haustieren spazieren gehen. Die Hundehalter werden dadurch verunsichert, viele wollen gar nicht mehr mit ihren Hunden in den Park. Dieses Aufhetzen gegeneinander ist nicht gut für die Menschen und Tiere in Wien. Wenn der Halter verunsichert ist, spüren das auch die Tiere - und das trägt nicht dazu bei, dass weniger passiert. In dieser Verantwortung steht Sima, die das vom Zaun gebrochen hat.
Petrovic: Seit Bekanntwerden dieser zwölften "Verschlimmbesserung" der Tierhalteverordnung in der Amtszeit der Umweltstadträtin, meldeten sich mehrere verzweifelte HundehalterInnen, insbesondere redliche HalterInnen von Listenhunden, die in der Öffentlichkeit angepöbelt werden. Etliche halten dem Druck nicht mehr stand und wollen sich schweren Herzens von ihren Hunden trennen. Wir hatten bereits zahlreiche Anfragen betreffend Abgabe von Listenhunden und zwar von durchwegs seriös anmutenden TierhalterInnnen. Mit der Regelung hat die Stadträtin jedenfalls erneut zu einer Polarisierung der Gesellschaft beigetragen. Statt für geregelte, sichere Tierhaltung und für eine allgemeine Verbesserung der Mensch-Tier-Beziehung Sorge zu tragen, wird die Bevölkerung absichtlich gespalten. Zuerst waren es die Stadttauben, jetzt wird die Kluft zwischen verschiedenen HundehalterInnnen und auch der restlichen Bevölkerung tiefer aufgerissen. Es ist kein gutes Zeichen einer öffentlichen Verantwortung, wenn man so einen Konflikt auf der Straße derart provoziert.
Was würden Sie sich für das Jahr 2019 für die Hunde in Österreich wünschen?
Guggenbichler: Dass sie von ihren Haltern gut behandelt werden und, dass Simas Hetze nicht dazu führt, dass viele Hunde im Tierheim landen! Aber auch, dass es ein friedliches und sicheres Miteinander zwischen Menschen und Hunden gibt! Hunde werden nicht ohne Grund als die besten Freunde des Menschen bezeichnet. Wir sollten auch ihnen gegenüber das gleiche Verständnis aufbringen.
Petrovic: Ich würde mir generell endlich echte Rechte für alle Tiere, egal ob Haus-, Wild-, oder Nutztier wünschen. Doch davon sind wir in Österreich leider noch weit entfernt. Wir werden aber nicht aufgeben und auch weiterhin dafür kämpfen.