Nach dem Ibiza-Skandal wurde es ruhig um HC Strache - zumindest in den Mainstream-Medien vermisst man die Interviews mit dem ehemaligen Vizekanzler. Er macht sich rar, ist für Journalisten nicht zu erreichen. Für alles roger? machte HC Strache eine Ausnahme und sprach exklusiv über seinen emotionalen Zustand nach dem Rücktritt, über Vertrauen, Enttäuschung und über seinen Fels in der Brandung, seine Frau Philippa.
Interview: Roland Hofbauer
Wie ging es Ihnen emotional nach Ihrem Rücktritt?
Ich versuche nach besten Kräften diese politische und zugleich persönliche Krise zu bewältigen. Meine Frau Philippa und meine Familie sind mir hierbei eine unersetzliche Stütze und geben mir genauso Kraft wie der unbedingte Wille, dieses auf mich verübte politische Attentat aufzuklären. Auch die bislang ermittelten Anhaltspunkte motivieren hierbei ungemein. Natürlich sind mir Diffamierungskampagnen nicht neu und ich habe lernen müssen, mit zunehmenden politischen Erfolgen eine Steigerung solcher Angriffe hinzunehmen. Dennoch hat dieser Anschlag auf mich, die FPÖ und die Regierung dieses Landes, in seiner demokratieverachtenden und kriminellen Dimension auch meine Vorstellungskraft gesprengt. Wenn anstelle eines offenen politischen Diskurses mit derartig niederträchtigen Methoden und Mitteln operiert und der Meinungskampf unter Missachtung von Recht und Gesetz geführt wird, und wir frei nach dem Motto "Der Zweck heilige alle Mittel" zur Tagesordnung übergehen, hat ein Abschied auf Raten von Demokratie, Rechtsstaat und Bürgerrechten begonnen. Wir müssen daher verstehen, wer und was hinter der Erstellung des Videos steckt. Wir brauchen eine weitestgehende Aufklärung.
Diese Aufklärung kann und will ich aber nicht nur den Behörden, namentlich den Staatsanwaltschaften in Österreich und Deutschland überlassen. Vielmehr will ich diese aktiv betreiben und meinen Teil dazu beitragen. Dies bereits mit ersten Erfolgen. Das ist für mich die logische Folge des sofortigen und bedingungslos erklärten Rücktritts. Umfassend Verantwortung übernehmen heißt nicht nur, zum Schutze der Regierungskoalition sofort sämtliche politischen Ämter niederzulegen, sondern auch die Hintergründe des politischen Erdrutsches vollständig aufklären zu helfen. Vorher gebe ich keine Ruhe. Das schulde ich meinen Wählern, der FPÖ, den Bürgern dieses Landes, meiner Familie und mir selbst.
Warum haben Sie nun auf das EU-Mandat verzichtet?
Ein politisches Amt, egal welches und egal wo dieses wahrgenommen wird, verträgt sich nicht mit der derzeit noch offenen Sachlage. Effiziente, erfolgsorientierte und glaubwürdige politische Arbeit erfordert klare Verhältnisse. Die Bürger haben ein Recht zu wissen, woran sie sind. Ich habe deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Nichtannahme des EU-Mandats kein Abschied von der aktiven Politik ist, sondern dass ich jetzt unter den gegebenen Umständen das Richtige zum richtigen Zeitpunkt tue. Nämlich die Aufklärung voranzutreiben und sicherzustellen. Und nach Bewältigung einer Krise, welche auch eine Chance darstellt, kann man gestärkt daraus hervorgehen.
Gibt es einen Deal mit der FPÖ, wie von manchen Medien kolportiert?
Natürlich gibt es keinen Deal. Politischer Verantwortung hat man gerecht zu werden. Die wirft man nicht in die Waagschale. Ich bleibe uneingeschränkt bei meiner Aussage: Erst die Aufklärung, dann das Befinden über meine politische Zukunft. Hier müssen und werden dann zu gegebener Zeit meine treuen Anhänger und Wähler demokratisch entscheiden, wie es weitergeht.
Angeblich ist das Verhältnis zu der FPÖ-Spitze zurzeit angespannt. Ist da etwas Wahres dran?
Nein. Die FPÖ-Spitze und FPÖ-Familie stehen geschlossen zusammen und lassen keine Spaltung zu. Ich stelle mich bis auf Weiteres als einfaches Mitglied in den Dienst der Partei und voll und ganz hinter unseren designierten Parteiobmann Norbert Hofer und sein Team.
Schließen Sie Ihre Kandidatur bei der kommenden Wiener Wahl aus?
Darüber denke ich nach, wenn die Aufklärung abgeschlossen ist. Es ist jetzt noch nicht an der Zeit für politische Zukunftspläne. Natürlich aber ist eine Kandidatur eine Option, wenn die Umstände es zulassen. Wien ist meine Heimat und mir besonders wichtig.
Wie werden Sie im Nationalratswahlkampf mitmischen?
Wenn meine Frau es will, dann unterstützte ich sie gerne. Sonst werde ich bei diesem
Wahlkampf zum ersten Mal seit 30 Jahren ein einfaches Parteimitglied sein und die eine oder andere Wahl- und Bürgerveranstaltung besuchen und meine Freiheitliche Familie als Bürger unterstützen.
War die Reaktion auf das Ibiza-Video von Sebastian Kurz überzogen? Welches Kalkül vermuten Sie dahinter?
Aufklären heißt nicht spekulieren. Die Wahrheit wird ermittelt werden. Davon bin ich überzeugt. Und die Wahrheit kommt immer ans Licht.
Wie schaut es mit der Aufdeckung der Hintermänner und Auftraggeber des Ibiza-Videos aus? Was sind die bisherigen Erkenntnisse?
Aus ermittlungstaktischen Gründen möchte ich hierzu nichts sagen. Nur so viel: Es gibt erste Erkenntnisse und wir erfahren nahezu täglich mehr.
Wird man jemals das ganze Video sehen, und gibt es noch heikle Szenen?
Uns wurde von Journalisten, die das gesamte Video gesehen haben, das bestätigt, was ich selbst zu bestätigen in der Lage bin: Es gibt keinerlei weitere Szenen in dem Video, die mich kompromittieren könnten. Daher fürchte ich das Video in seiner vollen Länge keinesfalls und hoffe, dass es gelingen wird, an das gesamte Filmmaterial zu kommen, damit es auch durch die Staatsanwaltschaften ausgewertet werden kann.
Wie sieht Ihr Leben nun abseits der Politik aus?
Ich habe eine tolle Frau und Familie sowie enge Freunde und Unterstützer, die mir jetzt Rückhalt geben. Ohne dieses Netz würde es mir wahrscheinlich sehr schlecht gehen. Ich konzentriere mich jetzt voll und ganz auf die Aufklärung und werde bei Zeiten entscheiden, wie es weitergeht.
Sind Sie von Sebastian Kurz enttäuscht?
Enttäuschend ist es besonders für die Wählerinnen und Wähler dieser sehr gut arbeitenden VP/FP-Koalition. Wahrscheinlich war ich als Vizekanzler sowie die FPÖ-Regierungsmannschaft aus der Sicht derjenigen, die diese Regierung mit kriminellen Methoden sabotiert haben, zu erfolgreich. Der Umstand, dass die Täter und Hintermänner sich zu ihrem Tun nicht bekennen, spricht für sich. Die Regierungsarbeit war sehr gut und hat viel für die Menschen weitergebracht. Kurz und seine ÖVP, dort vor allem die Landeshauptleute Mikl-Leitner und Schützenhöfer, haben diese Zusammenarbeit nach meinem Rücktritt ohne Not einseitig gekündigt. Die Frage nach den Gründen muss erlaubt sein, nachdem Kurz mir noch unmittelbar vor meinem Rücktritt zugesagt hatte, die erfolgreiche Koalition mit der FPÖ fortsetzen zu wollen. Das wirkt in der Nachbetrachtung alles recht geplant, muss aber nicht so sein. Auch das wird sich zeigen.
War die Sprengung der Regierung durch Kurz schon länger geplant? Angeblich wurden Wahlplakatflächen und Werbemittel mit Geheimhaltungsverträgen zwischen der ÖVP und diversen Firmen bereits im Jänner 2019 bestellt und abgeschlossen. Wissen Sie davon?
Auch ich habe davon gehört, möchte mich hier aber keinerlei Spekulationen anschließen. Wenn das wahr wäre, würde das ein völlig neues Licht auf die Affäre werfen.
Wie enttäuscht sind Sie von Johann Gudenus, und wie sieht Ihr aktuelles Verhältnis aus?
Wir gehen jeder unseren Weg der Aufarbeitung. Natürlich bin ich enttäuscht, dass er mich in diese Situation gebracht hat. Ich hatte mich darauf verlassen, dass die anwesenden Personen keine kriminellen Lockvögel sind und der Ort des Treffens zuvor umfassend überprüft worden ist. Das war offenbar eine fatale Fehleinschätzung.
Wie darf man sich aktuell einen Alltag von HC Strache vorstellen?
Nach wie vor enorm arbeitsreich. Wir bewältigen täglich Termine mit Anwälten, mit Besprechungen mit unserer Task-Force für die Aufklärung, Gesprächen mit Informanten und zahlreichen Beantwortungen von Presseanfragen. Als Ausgleich verbringe ich Zeit mit den Kindern, der Familie und Freunden und achte darauf, auch wieder Kräfte zu tanken. Denn die kommenden Monate werden in vielerlei Hinsicht spannend und herausfordernd. Eine Zeit, auf die ich mich freuen und für die ich vorbereitet sein möchte.
Welche Chancen räumen Sie Ihrer Frau für ihre Kandidatur ein?
Ich räume meiner Frau große Chancen ein! Sie ist eine überzeugte, glaubwürdige und willensstarke Persönlichkeit, die sich enorm für ihre Themen einsetzt: Tierschutz, Umweltschutz und damit auch Heimatschutz. Auch der Schutz und die Förderung der Familie sind ihre sowie zentrale Themen der Bürger unseres Landes. Sie setzt mit ihren Schwerpunkten auch meine bisher gelebte Politik für mehr Fairness und soziale Gerechtigkeit und für mehr Sicherheit in Österreich konsequent fort, sodass sich auch meine treuen Unterstützer uneingeschränkt auf Philippa Strache verlassen können.
Wie fühlt sich diese "Machtumkehrung" im Haus Strache für Sie an?
Es ist keine "Machtumkehr", denn meine Frau war mit ihren Themen bereits eigenständig und an meiner Seite stets präsent und hörbar. Wir haben schon bisher gemeinsam als Paar und Familie Politik aus Leidenschaft rund um die Uhr, 365 Tage gelebt. Da ist es zweitrangig, wer von uns Funktionsträger ist. Wir sind einander unentbehrliche Stützen und ich freue mich, dass ich nun Philippa nach besten Kräften unterstützen und im Wahlkampf begleiten darf.
Kein Nachteil ohne Vorteile: Können Sie es genießen - auch wenn die Umstände unerfreulich sind - jetzt mehr Zeit mit Ihrem Sohn verbringen zu können?
Natürlich kann und werde ich es genießen, in den kommenden Wochen auch wieder Zeit für meine Kinder, meine Frau und das Familienleben zu haben. Ich möchte nicht den gleichen Fehler wie bei meinen schon fast erwachsenen Kinder machen, denen ich aus Interesse an der Politik zu wenig Zeit gewidmet habe. Es ist aber keinesfalls so, dass ich nun Zeit im Überfluss hätte. Ganz im Gegenteil. Die von mir vorangetriebene Aufklärung nimmt mich enorm in Anspruch. Die Bevölkerung hat ein berechtigtes Interesse daran, Hintergründe und Hintermänner der Ibiza-Affäre zu erfahren. Mein Team und ich haben daher den Anspruch, nach besten Kräften die Ermittlungen voranzutreiben.