Seit 13. März steht fest: Peter Westenthaler muss mindestens vier Monate ins Gefängnis, erst danach darf er einen Antrag auf Fußfesseln stellen. Alles spricht dafür, dass er unschuldig ist. Eine Nachlese eines Justizskandals gegen den nunmehrigen Verlagsleiter von alles roger?.
Text: Klaus Faißner
Peter Westenthaler hat immer polarisiert. So auch nach der jüngsten Entscheidung des Senats des Oberlandesgerichts Wien, der die Gefängnisstrafe bestätigte. Jedoch sehen auch viele seiner Gegner dies als nicht gerechtfertigt an, wie etwa der Falter-Journalist Florian Klenk: "Ich finde es völlig unnötig Peter Westenthaler nach so vielen Jahren einzusperren. Fußfessel und/oder empfindliche Geldstrafe und Schadensersatz hätten auch gereicht", twitterte dieser. Doch ist die Verurteilung vom 13. Jänner 2017, die nun zum tragen kommt, überhaupt gerechtfertigt? Damals wurde Westenthaler im Fall Bundesliga und im Fall der Lotterien Österreich schuldig gesprochen - nachdem dieser 2015 noch eindeutig einen eindeutigen Freispruch erhalten hatte.
Geld kam bestimmungsgemäß an
Zur Chronologie im Fall Westenthaler: Im Jänner 2011 hatte der Grüne Peter Pilz und der Journalist Rainer Fleckl Westenthaler bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft Wien angezeigt. Diese ermittelte jahrelang wegen des Verdachts der missbräuchlichen Verwendung einer Förderung der Österreichischen Fußballbundesliga aus dem Jahr 2004. Die Fußballbundesliga - Westenthaler war schon lange nicht mehr für den ÖFB tätig - ließ vom Wiener Wirtschaftsprüfer Thomas Keppert ein Gutachten anfertigen. Dieser stellte eindeutig fest, dass vom Nationalrat gewidmete eine Million Euro für die Nachwuchsförderung "unstrittig den Klubs der T-Mobile-Bundesliga zugekommen" seien und von ÖFB und Bundesliga übernommenen vertraglichen Verpflichtungen "jedenfalls erfüllt wurden". Staatsanwältin Barbara Schreiber brachte im Mai 2014 die Anklageschrift gegen Westenthaler mit dem Hauptvorwurf des Betruges ein, die vom damaligen Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Werner Pleischl (Ex-SPÖ-Finanzstadtrat von Purkersdorf) durchgewinkt wurde. Staatsanwälte müssen ihre Anklage von der Oberstaatsanwaltschaft legitimieren lassen.
Aggressive Oberstaatsanwältin
Im Prozess zeichnete sich die inzwischen zur Oberstaatsanwältin aufgestiegene Schreiber durch ein besonders aggressives Auftreten gegen Westenthaler aus, wie Medien berichteten. Doch so gut wie alle Zeugen, ein weiteres Gutachten von Alois Birklbauer, Strafrechtsprofessor an der Uni Linz, und die nachgewiesenen Zahlungsflüsse entlasteten Westenthaler klar vom Vorwurf des Betrugs. Eine persönliche Bereicherung stand in der Causa Bundesliga ohnehin nie zur Debatte. Am letzten Prozesstag legte Oberstaatsanwältin Schreiber noch einen "bühnenreifen" Auftritt hin, wie der - sonst nicht gerade Westenthaler-freundliche - Standard formulierte. Schreibers Verhalten wird hier als "wild gestikulierend", "lautstark" und sich "in Rage" reden beschrieben: Die Beweislast sei "erdückend", der Betrugstatbestand "erfüllt, wie es klassischer nicht sein könnte", Westenthaler betrachte "die Republik offensichtlich als Melkkuh", es sei klassisch für "einen Betrüger, dass er wortgewandt ist" und überhaupt sei für Westenthaler "die Prognose für künftiges Wohlverhalten düster". Doch Richter Wolfgang Etl sah das genau umgekehrt: Es gab einen glatten Freispruch, ohne Zweifel - auch im zweiten Verfahren gegen Westenthaler, wo es um eine Lotterien-Scheinrechnung ging. Bei der Causa Bundesliga sei die Fördermillion "den Vereinen tatsächlich zur Gänze zugekommen". Sie hätten folglich "ganz im Sinne des Förderzwecks" von dem Geld profitiert. Von Betrug könne keine Rede sein.
Anklägerin Schreiber legte Nichtigkeitsbeschwerde ein und der Oberste Gerichtshof hob das Urteil aus formellen Gründen auf, wegen nicht ausreichender Begründung. Hier spielte Werner Pleischl eine gewichtige Rolle, der vom Oberstaatsanwalt zum Leiter der Generalprokuratur und damit zum "Rechtswahrer" in Vertretung des Staates aufgestiegen war.
Zweiter Prozess ohne Entlastungszeugen
Bei Westenthaler kam es ab Herbst 2016 zum Wiederholungsprozess mit der "alten" Oberstaatsanwältin Barbara Schreiber und der neuen Richterin Marion Hohenecker. Sie leitet derzeit auch den Prozess rund um die Buwog-Affäre und Karl-Heinz Grasser und fiel in der Vergangenheit unter anderem durch eine E-Mail-Affäre auf (siehe unten). "Oberstaatsanwältin Schreiber agierte auf einmal ganz ruhig und es gab ein augenfälliges Zusammenspiel mit der Richterin", beschreibt Westenthaler die Harmonie zwischen den beiden. Das Verfahren verlief komplett entgegengesetzt zum ersten: Alle von Westenthaler & Co. beantragten Entlastungszeugen, die beim ersten Prozess aussagten, wurden von der Richterin abgelehnt und sie verkürzte das Verfahren. Obwohl sich von der Beweislage überhaupt nichts gegenüber dem ersten Prozess geändert hatte und beide betroffenen Parteien - der ÖFB und der Staat Österreich - mit Westenthalers Vorgangsweise in Bezug auf die Förderung voll zufrieden waren, wurde er am 13. Jänner 2017 verurteilt. Und zwar mit einer Strafe für Schwerverbrechen: zweieinhalb Jahren Haft, davon einen Teil davon unbedingt, ohne die Chance auf Fußfesseln. Für Richerin Hohenecker war der Tatbestand des Betrugs "mit eindeutiger Sicherheit" erfüllt. Zur drakonischen Höhe der Strafe erklärte sie, dass das "dolose (= arglistige, Anm.) Verhalten eines ehemaligen Spitzenkandidaten kein Kavaliersdelikt" sei und aus general- und spezialpräventiven Gründen "nicht ungesühnt bleiben" dürfe.
Verhöhnt und Ruf ruiniert
Westenthaler zeigte sich damals fassungslos: "Wenn man gesehen hat, mit welcher Freude die Richterin einen verurteilt hat, wenn man gesehen hat wie sie während der Plädoyers der Verteidiger mit dem Handy gespielt hat, wenn der Ehegatte, der den grünen Umfeld zugerechnet wird, während der Urteilsverkündung den Saal betritt und Fotografien anfertigt und dabei breit grinst, dann muss man die Frage stellen: ´Quo vadis Rechtsstaat?´." Er fordere eine Untersuchung des Verfahrens auf höchster Ebene, weil: "Das kann jedem so passieren." Bei solchen Prozessen gehe es auch um die wirtschaftliche Vernichtung von Existenzen: Auch bei einem Freispruch bekommt man maximal 5.000 Euro vom Staat zurück, was in keinem Verhältnis zu den Kosten eines solchen Prozess steht. Natürlich leide auch seine Tätigkeit als Kommunikationsberater und Immobilienvermittler, da sein Ruf zerstört worden sei, sagte Westenthaler damals.
Doch er gab nicht auf und kämpfte weiter. Am 13. März 2018, bei der letzten Verhandlung am Oberlandesgericht in Wien, war es wieder Oberstaatsanwältin Bettina Schreiber, die sich vehement für die Beibehaltung des Strafrahmens und vor allem dafür einsetzte, dass Westenthaler ins Gefängnis muss - und nicht wie üblich bei derartigen Delikten von Anfang an Fußfessel bekommt. "Es bedarf des Ausschlusses der Fußfessel, dass andere politische Einflusstreiber davon abgehalten werden, ihren politischen Einfluss zu missbrauchen", so Schreiber. Der Senat setzte die Gesamtstrafe von 30 auf 24 Monate geringfügig herab, aber davon muss Westenthaler mindestens vier Monate ins Gefängnis. Erst danach hat er die Chance, Fußfessel zu beantragen.
alles roger? steht voll hinter Westenthaler
Ein offenkundig Unschuldiger und bislang Unbescholtener muss ins Gefängnis. Westenthalers Prozesskosten belaufen sich nach eigenen Aussagen auf insgesamt rund 250.000 Euro. Sein Ruf wurde nachhaltig ruiniert. Im April 2017 wurde Westenthaler Verlagsleiter von alles roger?. Er brachte das "Querformat für Querdenker" in die Trafiken und ist von dieser Position nicht mehr wegzudenken. Herausgeber Ronnie Seunig und das gesamte Team von alles roger? stehen voll hinter ihm. Wir alle wissen um die Hintergründe dieses Skandalurteils. Es ist zu hoffen, dass dies bald möglichst viele in Österreich bekannt ist.
Die Rolle von Richterin Hohenecker
Wie oben beschrieben, veränderte sich die Faktenlage zwischen dem glatten Freispruch im Jahr 2015 und der Verurteilung am 13. Jänner 2017 nicht. Es gab nur einen wesentlichen Unterschied: Auf der Richterbank saß die von Kennern als "grün und weit links" verortete Richterin Marion Hohenecker. Sie leitet bekanntlich derzeit auch den Buwog-Prozess mit Karl-Heinz Grasser.
Wenige Monate bevor sie Westenthaler aburteilte, richtete Hohenecker über Angeklagte rund um das Krebsmittel Ukrain. Hier kam es offensichtlich zu einer Absprache des Urteils mit Oberstaatsanwalt Thomas Haslwanter, wie die Grazer Rechtsanwaltskanzlei Likar in Form einer Sachverhaltsdarstellung bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft ausführlich beschrieb. Der E-Mail-Verkehr liegt alles roger? seit rund einem Jahr vor. "Liebe Marion" spricht dabei Haslwanter die Richterin Hohenecker per E-Mail freundschaftlich an. "Folgende Modifikation wäre aus meiner Sicht sinnvoll", setzt er fort und erklärt, was am Schuldspruch der Richterin zu ändern ist. Am nächsten Morgen, dem 23. Mai 2016, ging die mehr als fragwürdige E-Mail-Absprache weiter: "Guten Morgen, so würde jetzt der Spruch zum Strafantrag lauten ...", schrieb Richterin Hohenecker an Ankläger Haslwanter. Nur elf Minuten später antwortete Haslwanter mit einem lässigen "Hi" und streicht einen Beschuldigten aus dem Schuldspruch. Am selben Tag, nach dem Schluss der Verhandlung, verliest Hohenecker den mit dem Staatsanwalt ausgemauschelten Urteilsspruch. Absprachen zwischen der Staatsanwälten und Richtern über Urteile sind verboten. Dementsprechend warf ihr die Anwaltskanzlei Likar Amtsmissbrauch gemäß Paragraph 302 Strafgesetzbuch vor. Für Hohenecker und den Oberstaatsanwalt Haslwanter gilt die Unschuldsvermutung - erst recht deswegen, weil zwar ein Ermittlungsverfahren gegen Hohenecker lief, dieses aber wieder eingestellt wurde.
Tod der Schwester
Marion Hohenecker ist mit Richter Manfred Hohenecker verheiratet. Kurz vor beginn des Buwog-Prozesses twitterte dieser im Dezember 2017: "Wer für oder mit dem Herrn Schüssel gearbeitet hat, hat sich selbst für immer diskreditiert." Damit ist auch Peter Westenthaler gemeint. Durch das gegen ihn unendlich hinausgezögerte Verfahren "ist eine weitere politische Persönlichkeit de facto vernichtet worden", stellte schon im März 2015 der erfolgreichste politische Blogger Österreichs Andreas Unterberger fest. "Wirtschaftlich, physisch und psychisch" belastete Westenthaler der Verfahrensdruck ungemein, erklärte dieser selbst. Als tragischer Höhepunkt habe sich seine Schwester bei einem ungünstig verlaufenen Verhandlungstag "leider zu viel aufgeregt. Sie hat einen Infarkt erlitten und ist in meinen Armen gestorben". Eine Tragödie. Man mag zu Peter Westenthaler stehen wie man will. Aber ein genauer Blick auf die Fakten rund um seine Verurteilung lohnt sich.