Innenminister Herbert Kickl steht derzeit im Kreuzfeuer der Kritik. Im Interview mit alles roger? verriet er, warum das so ist und wie er mit den Diffamierungen umgeht. Außerdem erklärte er seine Sicht zum umstrittenen UNO-Pakt für Migration und erläuterte die neuen Maßnahmen der Regierung im Bereich des Asylprozesses.
Interview: Martina Bauer
Wie erklären Sie sich das, dass Sie derzeit so im Zentrum der Angriffe stehen? Also medial und bei der Opposition. Sie sind ja wirklich der auserkorene "Gottseibeiuns". Warum ist das so?
Das ist die Rolle eines Blitzableiters. Wenn viel einschlägt, ist der Blitzableiter aber auch sehr energiegeladen. Das möchte ich gleich mal vorausschicken. Warum das so ist? Gerade weil wir hier im Innenressort eine Politik machen, die der Erwartungshaltung der Bevölkerung entspricht. In vielen Bereichen ist die diametral dem entgegengesetzt, was manche in diesem Land der Bevölkerung immer erklären wollen. Da erleben wir ja eine große Kluft. Viele glauben, sie müssen ihre Position dazu nutzen, um den Menschen weiszumachen, dass sie sich in ihren Empfindungen täuschen, wenn sie meinen, dass in der Sicherheits- oder Zuwanderungsproblematik etwas falsch läuft. Für mich ist aber das, was die Leute tatsächlich erleben und was sie dabei empfinden, der Maßstab fürs Handeln. Unsere Gegner dürfte es in ihrem Selbstverständnis stören, dass wir uns darum kümmern, was die Bevölkerung haben will.
Auch in der BVT-Affäre versiegen die Angriffe nicht. Selbst wenn man es gar nicht mehr begründen kann, sagt man, der Innenminister ist schuld.
Die letzten Sitzungen des Ausschusses haben ergeben, dass Vieles an diesem Fall einzigartig ist. Genauso einzigartig ist das, was die Opposition in diesem Zusammenhang aufführt. In Zusammenhang mit der sogenannten BVT-Affäre werden die Rollen völlig vertauscht, sodass sie ja diametral der Realität entgegengesetzt sind. Die Beschuldigten in dem Strafverfahren sollen die Guten sein und die Ermittler die Bösen. Die Zeugen sind diejenigen, die überhaupt am allermeisten am Pranger stehen. Da stellt man die Dinge einfach auf den Kopf. Ich glaube, dass es nicht nur mir so geht, sondern vielen, die das mitverfolgen: Man hat den Eindruck, es geht da nicht um das Herausfinden von Tatsachen, sondern es geht darum, möglichst lange die Bühne zu benutzen, um immer wieder gegen den Innenminister vorzugehen.
Kommen wir zum UNO-Pakt für Migration. Wie stehen Sie zu dem?
Mir muss zunächst mal jemand erklären, wozu man einen Pakt unterschreiben oder akklamieren soll, der dann gar keine Verbindlichkeit hat. Wenn ich so etwas höre, dann werde ich schon stutzig. Wir wissen in vielen Bereichen der Migration noch nicht, wie die Lösung konkret aussehen kann, aber wir wissen genau, was wir nicht wollen. Manchmal besteht das Vernünftige darin, den nächsten Blödsinn zu verhindern - so sehe ich in diesem Fall meinen politischen Auftrag. Ich bin nicht Innenminister geworden, um nur zusammen zu räumen, was 2015 und 2016 über uns hereingebrochen ist, sondern um wirklich Ordnung zu schaffen. Im Migrationsbereich ist alles vermischt worden, Asyl, das wahre Flüchtlingswesen und Wirtschaftsflüchtlinge. Wir wollen uns nicht durch die Hintertür wieder neue Problembereiche aufhalsen. Die große Gefahr an diesem Pakt ist, dass das, was drinnen steht, später über Rechtsprechung auf internationaler Ebene Eingang in unsere Rechtsordnung finden kann. Das würde uns das Allerwichtigste nehmen, nämlich die Selbstbestimmungsmöglichkeit. Deshalb stehe ich diesem Deal sehr, sehr skeptisch gegenüber.
Also sollte er nicht unterschrieben werden?
Ich lasse das jetzt die Experten im Haus auf Herz und Nieren prüfen. Da haben wir schon einiges gefunden. Mich stört insgesamt der sehr affirmative Zugang zu dem Begriff Migration. Da gibt es viele unterschiedliche wirtschaftliche Interessen, sowohl im Zielland als auch im Herkunftsland. Das geht in eine völlig andere Richtung, als das, was wir wollen. Ich habe dabei einfach kein gutes Gefühl.
Und welche Auswirkungen hätte dieser Pakt auf uns? Es wird ja behauptet, dass er sowieso unverbindlich ist.
Ganz ehrlich gesagt, ich vertraue all diesen Bekundungen nicht mehr. Wenn ich nur erlebe, wie kompliziert es jetzt geworden ist, unsere eigenen Grenzen kontrollieren zu dürfen. Dinge aus der Hand zu geben, irgendwo auch nur einen kleinen Teil der eigenen Souveränität abzugeben, das verursacht meist unumkehrbare Entwicklungen. Deswegen ist es bei solchen Dingen manchmal ganz gut, wenn man nicht nur mit einem, sondern mit beiden Beinen auf der Bremse steht. Es gibt auch in der Politik auf internationaler Ebene einen ausgeprägten Herdentrieb, aber die Entwicklung in die richtige Richtung bringen dann in vielen Bereichen diejenigen, die sich außerhalb dieser Herde stellen und einen neuen Weg gehen. Das ist mir ehrlich gesagt die liebere Rolle, und da können manche auch ruhig mit dem Finger auf uns zeigen.
Vor dem Sommer wurde ein Fremdenpaket beschlossen. Können Sie uns dazu die wichtigsten Maßnahmen und deren Umsetzung erläutern?
Wir setzen bei allen Bereichen des Asylprozesses an. Beim Eintritt ins Asylverfahren, wo wir jetzt Geo-Daten von Handys auslesen, weil manche Fluchtgeschichte, die uns da aufgetischt wird, vorsichtig ausgedrückt, wenig glaubwürdig ist. Wir können bei Menschen, die aus einem sicheren Herkunftsland kommen, ein beschleunigtes Verfahren einleiten. Wir können die Leute zur Unterkunftsnahme bringen, das heißt, wir verhindern den Prozess der Verteilung hinaus in die Bundesländer, wo es immer schwieriger wird, sie wieder zurückzuführen. Wir haben die Kostenbeteiligung eingeführt. Es ist ja nicht einzusehen, wenn jemand mit einer erheblichen Barschaft unterwegs ist, dass man dann nicht auch einen Beitrag zur Grundversorgung einheben kann. Das machen andere Länder auch. Bis hin zur Frage, wann der Anspruch auf eine Staatsbürgerschaft besteht. Da haben wir die Frist auf zehn Jahre ausgeweitet.
Die letzte Maßnahme war die Verschärfung des Waffenrechtes für Asylwerber.
Ja, wobei ich glaube, dass es nur vernünftig ist, wenn ich auf solche Entwicklungen reagiere. Wenn ich das Waffenrecht sowieso ändern muss, kann ich ja nicht so tun, als ob es bestimmte Probleme nicht gäbe, nur weil das in Zusammenhang mit Asylwerbern steht. Das ist vielleicht der linke Blick auf die Wirklichkeit, aber nicht unserer.
Würden Sie meinen, dass wir da schon im berühmten Clash of Cultures stehen, mit Messerstechereien, Ehrenmorden, Bandenkriegen, was in den 90er-Jahren die Vision war?
Also ich glaube schon, dass wir mit einem nüchternen Blick auf die Entwicklung nicht sagen können, dass die Integrationsbemühungen der Vergangenheit von großem Erfolg gekrönt sind. Deshalb wird man sich in Zukunft überlegen müssen, wie kompatibel jemand mit unserem Gemeinwesen ist. Das versuchen wir auf europäischer Ebene voranzutreiben. Mit der dänischen Ministerin für Einwanderung und Integration, Inger Støjberg und Paul Collier, Professor für Okönomie und Public Policy an der University of Oxford, habe ich erst vor kurzem eine neue gemeinsame Vision für ein besseres, faireres Schutzsystem in unserer globalisierten Welt vorgestellt. Allen werden wir nie helfen können. Das geht sich schlicht und ergreifend nicht aus. Wir müssen die Leute aussuchen können, denen wir helfen. Da lege ich aber auch Kriterien an. Eines davon ist die Werteordnung, also zum Beispiel die Anerkennung der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Und es gibt eine Vielzahl von weiteren Kriterien, die einfließen müssen in die Beurteilung, ob jemand bei uns schutzberechtigt ist oder auch nicht. Ich habe überhaupt keine Freude mit europäischen Entwicklungen in Richtung Zwangsverteilung oder Ähnliches, weil wir damit den Frieden zwischen den europäischen Völkern in gewisser Weise gefährden. Etwa durch die Entscheidung der Frage, ob man Tausende Afghanen, Nigerianer und Pakistani gegen den Willen unserer Bevölkerung in Europa verteilen soll. Da sage ich ganz ehrlich: Da bin ich strikt dagegen, weil wir damit zum Beispiel das Geschäft der Schlepper fördern, weil wir wissen, dass die Rückführung von Personen, die keinen Anspruch auf Schutz haben, extrem schwierig ist, und weil wir damit natürlich auch Entwicklungen in Richtung Extremismus, in Richtung Islamismus fördern, die diametral dem entgegengesetzt sind, was unsere Grund- und Freiheitsrechte sind, die man sich über Jahrhunderte erkämpft hat. Wenn man verweigert, das anzuerkennen, dann ist man nicht humanistisch eingestellt, sondern dann ist man naiv.
Bereits in Ihrer Oppositionszeit haben Sie den Einfluss der Politik auf die Medien kritisiert. Nun stehen Sie in der Kritik, die Pressefreiheit einzuschränken. Tut das weh?
Absurder geht es nicht mehr, diese totale Verdrehung des Inhalts dieser E-Mail. Das einzige was ich mir erlaube, in dieser Debatte anzumerken, ist, dass Medienfreiheit nicht Medienwillkür bedeutet. Diese Freiheit ist immer auch mit einer Verpflichtung und damit einhergehenden Verantwortung verbunden. Das ist mein Beitrag zu dieser Debatte. Allzu viele, die sich dieser Position in der öffentlichen Debatte bisher angeschlossen hätten, habe ich noch nicht gefunden. Vor allem bei jenen, die mich da kritisieren. Es geht um die Einhaltung ganz elementarer Regeln einer soliden Recherche: Jemandem, dem ich etwas vorwerfe, die Gelegenheit zu geben, auch seine Position darzustellen. Die Meinung trennen von der Information. Das sind lauter Dinge, zu denen sich das journalistische Kollektiv mit dem Ehrenkodex verpflichtet hat. Das ist der einzige Punkt, um den es mir geht. Ansonsten bin ich nicht empfindlich.
Stecken Sie diese täglichen Diffamierungen so einfach weg?
Das ist für mich deswegen nicht wirklich ein Problem, weil ich mir immer denke, wie geht es den anderen in meinem Bereich? Da rede ich jetzt nicht von Politikern, sondern da rede ich von den Beamten im Asylwesen, die nach aufwendigen Recherchen einen negativen Asylbescheid ausstellen und die dann dafür in der Öffentlichkeit geprügelt werden. Die haben ja nicht mal die Möglichkeit sich zu wehren, und die halten das auch aus. Oder wie geht es einem Polizisten, der sich wegen absurden Anschuldigungen auch noch irgendwelchen Verfahren stellen muss. Die werden auch nicht mürbe, sondern gehen motiviert in die Arbeit. Und an diesen Leuten nehme ich mir ein Beispiel.
Was machen Sie zum Ausgleich zu Ihrer Arbeit, also wenn Sie nicht hier sitzen?
Ich versuche Restbestände meiner sportlichen Aktivität zu erhalten. Zum Beispiel habe ich im Sommer wieder die Gelegenheit gehabt, ein bisschen auf den Berg zu steigen und klettern zu gehen. Das ist für mich ein idealer Ausgleich. Am liebsten gehe ich klettern.
Geht sich das zeitmäßig aus?
Natürlich funktioniert das, aber nicht in allen Fällen, weil man nicht immer weiß, was die nächsten Tage bringen. Da ist vielleicht das Innenressort eines, wo diese Komponente der Unberechenbarkeit noch höher ist als in anderen Ressorts. Man braucht Auszeiten, weil man ansonsten in seinem Job relativ bald verglüht. Mir sind solche Auszeiten am liebsten, bei denen man komplett abschalten kann. Das kann ich am besten, wenn ich mich irgendwo anhalten muss, damit ich nicht runterfalle, weil man dann wirklich an nichts Anderes mehr denkt. Beim Laufen kann man ja auch nachdenken ...