Daniela Fally ist Österreichs Antwort auf Anna Netrebko. Nur etwas weniger divenhaft. Die Koloratur-Sopranistin aus Pottenstein in Niederösterreich hat nicht nur eine unglaub-liche Stimme, sie hat auch Charme, Witz und viel Charisma. Seit Jahren ist sie ein gefragter Star an den Opernhäusern dieser Welt. alles roger? gab der Opernstar ein lockeres Interview über Familie, Versicherungen und warum sie nie unmoralische Angebote bekommen hat.
Interview: Roland Hofbauer
Mittlerweile zählen Sie zu den besten Opernstars des deutschsprachigen Raums, wie bewerten Sie selbst Ihre steile Karriere?
In erster Linie bin ich dankbar, sehr schöne Möglichkeiten bekommen zu haben und auch weiterhin zu bekommen in meinem beruflichen Leben und mit den besten Leuten auf höchstem Niveau arbeiten zu dürfen.
Russische Opernstars werden schon in der Kindheit gedrillt, bei Ihnen hat sich das ein wenig anders verhalten. Wie kam es, dass Sie sich für klassischen Gesang entschieden haben?
Ich wurde schon öfter zu Diskussionen geladen aufgrund der Tatsache, dass ich wirklich ein Selfmade-Mädel ohne jegliche familiäre Vorbelastung bin. Ich wurde ausschließlich in Ausbildungsstätten, die der österreichische Staat glücklicherweise bietet, unterrichtet. Also in Musikschulen und Musikuniversitäten. Der klassische Gesang war anfänglich gar nicht meine primäre Wahl. Eigentlich sollte es Pop und Musical sein und hat sich dann doch in eine andere Richtung entwickelt. Wenn Sie den russischen Drill ansprechen, muss man auch vom hocherfolgreichen amerikanischen Drill sprechen. Teilweise auch mit viel privatem Investment, das in Ausbildung, Karriere und Marketing gepumpt wird. Da müssen wir als Österreicher vermutlich auch darauf reagieren. Denn wenn die Russin mit 21 in die Branche drängt, perfekt ausgebildet, mit beeindruckendem Stimmmaterial und meist auch optisch "optimiert", wo die durchschnittliche Österreicherin grad zwei Jahre Gesang studiert hat, dann bugsieren wir uns leider selber ein bisserl ins Aus. Gesang ist wie Spitzensport und das Feld ist verdammt eng geworden und die Konkurrenz enorm hoch. Trotzdem bin ich nicht dafür, Kinder zu drillen. Das kann sich bei der Stimme kontraproduktiv auswirken, aber ab 15 oder 16 kann ein intensiveres Training schon beginnen - allerdings unter bester und genauester Traineraufsicht.
Sie sind international sehr erfolgreich. Mit welchen Stars genießen Sie es besonders, auf der Bühne zu stehen, und mit wem würden Sie gerne gemeinsam singen? Muss nicht unbedingt aus demselben Metier sein.
En gros sind die ganz großen Stars sehr angenehme Bühnenpartner und beeindruckende Menschen. Erst unlängst durfte ich als Sonnambula mit Juan Diego Flórez singen, wobei ich vorher nicht wusste, ob er mich als Rollen-Debütantin akzeptieren wird. Es war ein Traum. Er half mir mit seiner Souveränität und Professionalität enorm. Elina Garanca war oft meine Partnerin, und es ist mir jedes Mal ein großes Vergnügen. Es ist großartig, mit Stars wie Roberto Alagna, Thomas Hampson, Renée Fleming, Rolando Villazón, und Diana Damrau zu arbeiten. Mit Flórez ging ein Traum in Erfüllung. Jetzt kann ich sterben (lacht).
Welche Musik bevorzugen Sie privat und mit welcher können Sie überhaupt nichts anfangen?
Gar nichts, aber wirklich nix, fang ich mit Techno oder Rave an, auch mit so mancher moderner klassischen Musik. Ich gestehe: Ich bin ein Liebhaber von Melodie und Harmonie. Ich liebe südamerikanische Musik, Austropop, aber auch die besten Popsängerinnen: Mariah Carey, Whitney Houston, Judy Garland, Barbra Streisand - wobei Letztere mein ganz großes Vorbild ist.
Sind Sie eigentlich ein politischer Mensch und, wenn ja, wie sehen Sie die Entwicklung in Europa und speziell in Österreich?
Absolut, leider und Gott sei Dank. Man sagt mir immer, ich sollte mich als Künstlerin zurückhalten. Vermutlich, damit mich alle lieben und die Fanbase möglichst groß wird. Ich soll unantastbar und glatt und angepasst sein, ähnlich einer Helene Fischer. Ich kann das aber nicht, besonders wenn etwas Blödes passiert. Europa geht es gut. Österreich geht es sogar im europäischen Vergleich sehr gut. Uns geht es gut. Ich sehe durch meinen Beruf wirklich die Welt und ich sage deutlich: Wir leben im Paradies und auf der Insel der Seligen. Wenn Politiker Angst schüren, macht mich das gelinde gesagt etwas unrund. So ein Gesundheitssystem, das wir hier haben, klar hie und da optimierungsfähig und nicht ohne jeglichen Tadel, aber so was gibt es schon in Frankreich nicht mehr. Weiter weg brauchen wir gar nicht erst schauen. Wir haben das sauberste Wasser der Welt, überhaupt, haben wir Wasser im Überfluss, unsere Luft ist sauber, wir haben alle ein - zumeist sogar sehr schönes - Dach über dem Kopf und zu essen. Da geht es uns besser als 90 Prozent der restlichen Weltbevölkerung. Unser Sozialstaat ist etwas höchst Wertvolles und wenn man den schlechtreden oder gar zerstören will, werde ich wirklich zornig. Neoliberalismus und ähnliches wird uns und unsere Familien und vor allem die Kinder nicht glücklicher machen!
Wie ändern sich die Prioritäten durch die Geburt eines Kindes in Bezug auf den Beruf?
Ich werde immer effizienter und fokussierter. Zeitmanagement bekommt eine völlig neue Dimension. Und man schätzt alles noch mal neu. Ich finde die Kombination Kind-Beruf persönlich die interessanteste. Durchaus fordernd, aber sehr erfüllend.
Ihre Stimme ist Ihr Kapital. Ist diese eigentlich versichert, und was würden Sie im Falle eines Verlustes beruflich machen?
Ich schau mich witzigerweise grad derzeit wirklich nach einer Berufsausfallsversicherung um, weil ich unlängst eine extreme Erfahrung mit großer Enttäuschung erlebt habe und sich somit diese Frage erstmals für mich stellt. Aber wenn was passiert, wird mir - sofern ich sonst noch gesund bin - trotzdem nicht fad werden. Mich interessiert so viel, derzeit brenne ich neben dem Singen fürs Unterrichten. Eine fantastische Tätigkeit. Auch eine erste Regie wurde mir angeboten. Sehr reizvoll.
Wie wichtig sind karitative Auftritte für Sie und in welchen Belangen ist es Ihnen besonders wichtig zu helfen?
Sehr wichtig. Ich singe wirklich oft für karitative Anliegen. Sämtliche Kinderprojekte liegen mir sehr nah am Herzen, aber auch durch die Erkrankung meines Vaters steht das Thema Demenz bei mir an oberer Stelle. Ich bin aber auch bei Aids-Initiativen, Brustkrebs-Awareness und Nein zu arm und krank aktiv.
Sie haben einmal gescherzt, dass Sie Engagements durch tiefe Ausschnitte und einen Spagat bekommen. Wie viel harte Arbeit steckt wirklich hinter Ihrem Beruf und worauf muss man achten?
Also in Wahrheit bin ich eine, die nie mit Ausschnitt und Schoß-Sitzen irgendwas erreicht hat, es nicht mal versucht hat. Mein Leitsatz war immer: Wenn es nicht in Würde geht, dann halt net. Unbändige Hingabe an den Beruf, eine gewisse Qualität, harte Arbeit und Riesenfreude würde ich als Erfolgsrezept nennen. Zufällig hat das einflussreichen Personen gefallen. Nicht ein einziges Mal bekam ich ein unmoralisches oder grenzwertiges Angebot. Ich glaub', ich bin nicht der Typ dazu, da bin ich einfach zu goschert. Wer das versuchen würde, würde was zu hören bekommen.