Nach 73 Folgen endete die spektakulärste Fantasy-Serie "Game of Thrones", wo es um den ewigen Kampf um den Thron eines fiktiven Reiches, um Macht, Herrschaft, Intrige und Eifersucht ging. Nur 73 Stunden brauchte es in der kleinen, realen Welt der heimischen Innenpolitik, dass der türkise "Herrscher" Sebastian Kurz aus dem "Hause" ÖVP seine eigene Regierung in die Luft sprengte, und im ewigen Kampf um den Kanzlerthron eines kleinen Landes am Donaufluss, um Macht, Herrschaft, Intrige und Eifersucht, seinen eigenen Koalitionspartner brutal abservierte, und letztlich scheiterte.
alles roger?-Kolumne von Peter Westenthaler
Damit hat die ÖVP nach 2002 (Wolfgang Schüssel nach der FPÖ-Implosion von Knittelfeld), 2008 (Wilhelm Molterer "es reicht" mit der SPÖ) und 2017 (Kurz stellt SPÖ Sessel vor die Tür) in 17 Jahren bereits zum vierten Mal eine Regierung aktiv "gesprengt". Seit dem 18. 5. 2019, also dem Tag wo Kurz dem "Hause" FPÖ a la "Herrscher der sieben Königsländer" befehlen wollte, das "Knie zu beugen" und Herbert Kickl grundlos als Innenminister zu "enthaupten", fragt sich das gemeine Volk wiederholt nur eines: WARUM? Warum beendete Kurz diese türkis-blaue Erfolgsstory so getrieben, unsicher, unprofessionell und so gar nicht souverän? Was hat den Kanzler geritten, nach dem raschen Rücktritt von HC Strache und der Neuaufstellung des FPÖ-Teams, trotzdem die Reißleine zu ziehen und damit das Land in ein Chaos zu stürzen?
Die Antwort darauf liegt auf der Hand: Die FPÖ wurde zu stark! Bereits seit Jahresbeginn tüftelten unerfahrene Kurz-Berater und erfahrene VP-Granden an einer Exit-Strategie, weil durch einen schweren Kurz-Fehler zu Beginn der Regierung, die FPÖ nicht mehr kontrollierbar war und bei Wahlen in den Ländern sowie in Umfragen ständig zulegte. Und dieser Fehler aus VP-Sicht war: Das blaue Innenministerium unter Herbert Kickl. Es wurde zum Machtzentrum der FPÖ-Politik. Kickl setzte ein Wahl-Versprechen nach dem anderen um. Scharfe Asylpolitik, keine weitere Zuwanderung, Grenzsicherung, Senkung der Kriminalität und so weiter. Dann der erste Versuch Kickl aus dem Amt zu jagen. Die BVT-Affäre, die sich später, was den Innenminister betraf, freilich in Luft auflöste. Aber Kickls Ehrgeiz wurde durch diesen Leger der ÖVP erst so richtig geweckt und er begann mit Recherchen über seine Vorgänger im Innenministerium.
Jetzt war der ÖVP klar, was da auf sie zukäme, und damit war auch die künftige Parole klar: Kickl muss weg! Was für ein Zufall und Gottes Geschenk, dass gerade zu dieser Zeit und kurz vor der EU-Wahl, wo die FPÖ in Umfragen um Platz eins mitritterte, plötzlich jenes Ibiza-Video auftauchte, das eigentlich für den Wahlkampf 2017 gedacht war. Cui bono? Wem nützt es? Richtig: Der ÖVP! Während die beauftragen Macher des Videos sehr rasch aufgeflogen waren, dauert es bei den rot/schwarzen Hintermännern etwas länger. Und so könnte durch das geschickt eingefädelte Wechseln eines Video-Sticks von einer Partei zur anderen, eine von Rot gegen Blau geplante Intrige aus 2017, eine von Türkis gegen Blau durchgeführte Intrige 2019 geworden sein. Mit dem einzigen Ziel, die FPÖ zu zerstören und die Kurz-ÖVP mit dem Schüssel-Drehbuch aus 2002 auf über 40 Prozent oder gar zur Absoluten zu bringen.
Einziger feiner Unterschied zu damals: Niemand versteht wirklich, warum Kurz den besten Innenminister rausgeschmissen, und die wohl beste Regierung in der jüngeren Geschichte in die Luft gesprengt hat. Ob das Schüssel-Drehbuch von 2002 auch 2019 zum selben ÖVP-Erfolg führen wird, darf bezweifelt werden. Zu offensichtlich und fehlerhaft ist die Kopie. Zu geschlossen und kampfbereit die FPÖ. Zu schwach und zerstritten die SPÖ. Österreich kann sich bei Kurz bedanken, wenn wir ab Herbst in die nächste Epoche von Rot/Schwarz geführt werden.
Allerdings wäre da noch die plötzlich mutige Prinzessin Joy-Pamela, von der Herrscher Kurz ebenfalls verlangte, vor seiner abermaligen, selbst ausgerufenen Herrschaft das "Knie zu beugen". Und das war die nächste Fehleinschätzung von Kurz, dem das "Hause SPÖ" natürlich die Gefolgschaft verwehrte und den türkisen König mit einem Blattschuss namens Misstrauensvotum vom Hofe des Ballhausplatzes jagte. Eventuell naht das baldige Ende des Dramas im September ganz nach der zentralen Metapher aus Game of Thrones: Wer tot ist, kann niemals sterben.