Daniel Pongratz ist SPÖ-Politiker, Bürgermeister im niederösterreichischen Pottenstein und hat etwas, das vielen Politikern fehlt, einen gesunden Menschenverstand. Er ist ein Mann klarer Worte und lässt sich nicht vorschreiben mit wem er sprechen darf und mit wem nicht. Deshalb hat er alles roger? ein Interview über Politiker ohne Herz und Hirn, Quereinsteiger und die nicht immer einzuhaltende Parteilinie gegeben.
Interview: Roland Hofbauer
Herr Pongratz, Sie sind einer der jüngsten Bürgermeister Niederösterreichs. Wird man trotz der Jugend in der Politik von Freund und Gegnern ernst genommen?
Ja, eigentlich schon. Mein Vorteil liegt darin, dass ich Gemeindebediensteter bin und diese Materie natürlich kenne. Ich bin auch nicht der klassische Quereinsteiger, habe eine Grundahnung von der Politik und durchaus das Gefühl, ernst genommen zu werden.
Was ist denn der Unterschied zwischen der Politik auf Bundesebene und dem Amt als Bürgermeister eines kleinen Ortes?
Der grundlegende Unterschied ist, dass wir Regionalpolitiker viel näher am Bürger sind. Wir sind die kleinste Instanz in dem ganzen Konstrukt und wir spüren wirklich wo der Schuh bei den Menschen drückt. Auf Bundesebene wird sehr oft über Themen diskutiert, die meistens sehr weit weg sind vom Bürger. Damit können die Leute nichts anfangen, oder es betrifft sie einfach nicht. Als Bürgermeister kenne ich die Sorgen meiner Mitmenschen und kann auch richtig den Hebel ansetzen. Bei mir steht die Parteipolitik nicht unbedingt im Vordergrund. Zu mir kommt jeder, egal ob es ein Bauer, ein Arbeiter oder auch ein Arbeitsloser ist, bis hin zum Studenten. Sie alle erzählen mir ihre Sorgen. Ich bin dann darum bemüht zu schauen, wo ich sinnvoll helfen kann.
Können Sie sich eigentlich mit allem was auf Bundesebene passiert, auch die eigene Partei betreffend, identifizieren?
Nein, das kann ich definitiv nicht. So ehrlich muss man sein, auch in der Politik. Aber egal in welcher Partei, es sind sicher nicht alle Mitglieder auf Linie. Da muss man nur bei der ÖVP schauen, die neue türkise Bewegung, die, glaube ich, auch nur nach außen hin türkis ist, da können viele konservative, christliche Mitglieder gar nichts damit anfangen. So ist das bei uns Sozialdemokraten auch.
Haben Sie als Bürgermeister mit anderen Parteien Berührungsängste, oder was steht für Sie im Vordergrund?
Solange es für unseren Ort, die Gegend und die Menschen von Vorteil ist, ziehe ich mit jeder Partei gerne an einem Strang. Da darf es einfach keine Berührungsängste geben. Da steht das Allgemeinwohl im Vordergrund und nicht die persönlichen Eitelkeiten. Auf Bundesebene steht da eher das Persönliche im Fokus. Ich war immer ein Freund der großen Koalition, wenn man sich die Geschichte anschaut, es ist bei Rot-Schwarz am meisten passiert. Man hat sich im Endeffekt immer zusammengestritten, man hat dem anderen auch immer einen Erfolg gegönnt. Man erinnere sich zurück an 2017: Kern war Kanzler und hat versucht diese Koalition wieder in Gang zu setzen und Mitterlehner wäre mitgezogen. Doch dann kam Kurz und hat alles verhindert und Stillstand verursacht. Kurz ging es nie um Österreich, sondern nur darum, an die Macht zu kommen. Das ist auch in Mitterlehners Buch sehr gut erklärt. Es gehört zwar nicht zu meinen Hobbys, Bücher von ÖVPlern zu lesen, aber dieses kann ich nur empfehlen. (lacht) Sebastian Kurz geht es ausschließlich um seine eigene Person, und das ist das Hauptproblem der meisten Politiker. Jeder schaut nur auf sich, will Minister werden und Macht haben, die Politik für das Volk zählt nicht mehr.
Kritiker sagen entweder den Politikern fehlt es an Herz oder an Hirn, was denken Sie trifft eher zu?
Es ist sicher eine Mischung aus beidem, das sag ich ganz ehrlich. Früher war es so, dass die großen Politiker alle politischen Stationen durchlaufen sind. Man war in der Gemeinde aktiv, in Vereinen und parteilichen Organisationen. Das war bei allen Parteien so. Wenn man dann irgendwann Minister oder Abgeordneter geworden ist, wusste man wie es unten läuft. Das ist in den letzten Jahren einfach nicht mehr passiert. Da kommen Quereinsteiger aus allen möglichen Branchen, die politisch eigentlich wenig Ahnung haben und mit dem kleinen Mann von der Straße und seinen Problemen auch gar nichts anfangen können.
Außer Ulli Sima sind Sie der erste Politiker der SPÖ, der seit Jahren mit alles roger? spricht. Wie kommt das?
Man soll mit jedem reden, man soll einfach niemanden ausgrenzen. Egal welche Parteiorder es gibt, ich lasse mir da sicher von niemandem einen Schranken zumachen. Ich sehe nicht, warum man mit alles roger? nicht reden sollte, auch wenn das eher die rechtsgerichtete Bevölkerung liest, ja bitte soll so sein. Gerade diese Leute möchte ich doch gerne erreichen und ich hätte gerne, dass ich denen meine Gedanken und meine Meinung vermitteln kann und sie zum Nachdenken bewege. Ich bin deswegen noch immer Sozialdemokrat, aber es braucht deshalb niemand zu mir kommen und mir vorschreiben: Du redest nicht mit alles roger?, egal ob das unser Landesparteivorsitzender oder unsere Bundesparteivorsitzende ist.
Wie schaut eine klassische Arbeitswoche eines Bürgermeisters in Niederösterreich aus?
Die Wochenstunden kann man eigentlich kaum zählen. Manchmal nur 40 und dann können es auch gerne 100 sein. Jetzt beginnen wieder die vielen Veranstaltungen. Man kann sagen, man ist sieben Tage die Woche im Einsatz und das mit Herzblut und Leidenschaft.
Viele Politiker trinken gerne einen über den Durst. Wie schaut es da bei Ihnen aus?
Ich bin da sehr vorsichtig mit Alkohol in der Öffentlichkeit. Es gibt genug Beispiele, wie man sich danebenbenehmen kann. Natürlich trinkt man auch einmal einen über den Durst, das kommt vor, man ist ja auch nur ein Mensch. Bei den Pensionisten kann es schon vorkommen, dass man ein bisschen länger sitzt und etwas mehr trinkt, aber man muss auch immer auf seine Kritiker achten.
Wie sind eigentlich Ihre politischen Ambitionen?
Also ganz nach oben möchte ich nicht, ich möchte so nahe wie möglich am Bürger bleiben. Landtagsabgeordneter 2023 ist mein Ziel, aber auf jeden Fall den Posten des Bürgermeisters weiterführen, denn in dieser Position kann man am meisten bewegen.
Sind die aktuellen, großen Themen in der Bundespolitik eigentlich für die regionale Politik relevant?
Nein, eigentlich sind das nur Randthemen. Das einzige Thema das im Ort greift, das sind die Mietpreise, aber da muss man auf Bundesebene ansetzen. Die anderen großen Themen, wie zum Beispiel Islamisierung, treffen uns nicht. Das ist in Wien ein Thema, vielleicht in Traiskirchen, bei uns aber nicht.
Was ist das Geheimnis einer funktionierenden, bevölkerungsorientierten Politik?
Das Wichtigste ist, es kann nur miteinander funktionieren. Es gibt keine absoluten Mehrheiten mehr, diese Zeiten sind vorbei. Wir leben von und mit Koalitionen und das ist auch in Ordnung. Ich bin auch jemand, der eine Koalition mit der FPÖ nicht ausschließt. Eine Koalition gehört immer an Themen gekoppelt, man kann über alles reden und wenn man sich nicht einig wird, OK, dennoch man hat es wenigstes versucht. Aber ich kann nicht kategorisch sagen, ich lasse die FPÖ aus. Das sind immerhin zwischen 20 und 27 Prozent der Bevölkerung. Das ist repräsentativ, das kann man nicht einfach wegschieben, so funktioniert das nicht.