Haben Sie schon einmal von Fidelity, Vanguard oder State Street gehört? Eventuell von BlackRock? Diese meist unbekannten amerikanischen oder britischen Vermögensverwaltungskonzerne haben wie eine Krake die Wirtschaft erfasst - vor allem Großunternehmen an der Börse, auch in Wien. Die Gefahren sind immens.
Text: Klaus Faißner
Sie sind die neuen Herren der Welt: Vermögensverwalter, die sich in Unternehmen rund um den Globus einkaufen. Auch in Österreich. Laut einer Studie der Universität von Amsterdam aus dem Jahr 2016 sind die - der Öffentlichkeit meist unbekannten - Vermögensverwalter BlackRock, Vanguard und State Street bei 438 der 500 größten Unternehmen der USA (S&P 500 Index) die größten Anteilseigner. Bei acht der 30 topgesetzten Unternehmen in Deutschland ist BlackRock der größte Aktionär, darunter bei den Chemiekonzernen Bayer und BASF. Als Bayer den US-Gentechnik-riesen Monsanto übernahm, hieß der jeweils größte Einzelaktionär BlackRock. BlackRock kaufte BlackRock, könnte man sagen. Wie groß der Einfluss ist, zeigt eine Aussage eines Managers der Deutschen Bank: "Es fällt hier im Haus keine wesentliche Entscheidung gegen den Willen von BlackRock." Nachzulesen im Buch Wem gehört die Welt des Wirtschaftsjournalisten Hans-Jürgen Jacobs.
Ein Krake
"Sie alle breiten sich bereits wie Tentakel eines Kraken über Europa aus", schreibt der Finanzjournalist Wolfgang Freisleben in seinem Buch Das Amerika-Syndikat über diese Vermögensverwalter, die beispielsweise das Geld von privaten US-Pensionsfonds anlegen. Auch in Österreich geht die Entwicklung an der Wiener Börse unaufhaltsam in diese Richtung, wenngleich Vermögensverwalter noch nicht ganz den Einfluss haben wie in den USA oder Deutschland. Dennoch ist dieser erheblich: Beim Ziegelhersteller Wienerberger beispielsweise heißen die Herren des Unternehmens nicht nur Fidelity (der vierte Große im Bunde der weltweit führenden Vermögensverwalter, hier mit 5,74 Prozent der Anteile), Vanguard Group (2,34 Prozent) und BlackRock Fund Advisors (1,16 Prozent), sondern auch Teachers Advisors (6,89 Prozent) oder Rothschild & Cie Gestion (0,89 Prozent). Österreichische Großanleger muss man mit der Lupe suchen. Bei den meisten der größten österreichischen Börsenunternehmen haben BlackRock & Co. im abgelaufenen Jahr ihre Anteile erhöht. Beim Börsen-Schwergewicht Erste Bank Group ist BlackRock mit mehr als fünf Prozent beteiligt.
Keine Kontrolle
Die Finanzkrise 2008 war es, die die Vermögensverwalter so richtig stark und mächtig machte. Während die Politik Banken etwas strenger regulierte, ließ sie hier zu, dass die BlackRocks dieser Welt wie Banken agieren, aber kaum Auflagen haben. Um ihre Anonymität perfekt zu wahren, beteiligen sich die Schattenbanken rege untereinander: Der größte Anteilseigner der BlackRock AG ist die PNC Financial Services Group mit über 20 Prozent. Wer sind die größten Aktionäre der PNC Group? BlackRock, Vanguard, Wellington und State Street. "Dies lässt darauf schließen, dass sich die Besitzstrukturen von BlackRock im Kreis drehen. So kontrollieren sich die Vermögensverwaltungen selbst, beziehungsweise unterliegen eigentlich keiner Kontrolle", erklärt die Plattform Lobbypedia. Laut EU-Lobbyregister ist BlackRock inzwischen eines der aktivsten Lobbyunternehmen in Brüssel. Offiziell gab es in den vergangenen drei Jahren 31 dokumentierte Treffen mit der EU-Kommission, haben fünf akkreditierte BlackRock-Lobbyisten einen Zugang zum EU-Parlament.
Die Gemeinsamkeit von BlackRock, Fidelity & Co. ist die Beteiligung an so gut wie allen börsennotierten Unternehmen. Das machen sie über sogenannte börsengehandelte Investmentfonds (Englisch: Exchange Traded Funds, ETFs). Ihr Kennzeichen ist, dass sie sich so zusammensetzen und entwickeln wie der jeweilige Aktienindex - an der Wiener Börse ist das der ATX. Immer öfter warnen kritische Finanzmarktexperten vor einem erhöhten Crashrisiko durch ETFs - weil Aktien dadurch die Tendenz haben, sich in die gleiche Richtung zu bewegen. Bei Anleihen hat sich mit ähnlichen Indizes eine neue Kreditblase aufgepumpt, wo diesmal Indus-trie-unternehmen mit Anleihen verschuldet sind, schreibt die Journalistin Heike Buchtler in ihrem Buch über BlackRock.
Wiener Börse beschleunigt
Doch die Wiener Börse befeuert diese Entwicklung noch zusätzlich, indem sie im Oktober 2017 neu mit einem "ETF-Segment" startete und Anlegern 60 dieser börsengehandelten, meist US-amerikanischen Indexfonds von BlackRock & Co. anbot - und versprach, dies rasch auszuweiten. Das dazu ausgegebene Motto klingt zynisch: "Geh nicht fort, kauf im Ort." Bereits vor diesem Start machten ETFs einen immer größeren Anteil der Beteiligungen bei den Top-20-Unternehmen Österreichs aus - Ende 2016 hatten diese sogenannten passiven Investitionsstrategien einen Rekordwert von 16,3 Prozent erreicht. Tendenz weiter steigend.
Der größte Trumpf von BlackRock ist die weltgrößte Computeranlage namens Aladdin, die aus Tausenden Rechnern besteht und sich im Nordwesten der USA am Columbia River befindet. Alle Analysen und Geschäfte BlackRocks laufen (automatisiert) über diese Computereinheiten. Doch nicht nur diese: Auch über 150 weitere institutionelle Investoren nutzen das System - darunter die größten Pensionskassen, Stiftungen, Versicherer, Staatsfonds sowie rund 50 Zentralbanken. Diese Konzentration auf ein System, berge enorme Risiken und Abhängigkeiten, warnen Kritiker. Die inzwischen erlangte Bedeutung sprengt fast jede Vorstellung: So bezeichnete der Deutsche-Bank-Chef John Cryan 2016 den "schwarzen Felsen" als "letzte Instanz" der weltweiten Versorgung mit Liquidität - über die Zentralbanken hinaus.
Hintermänner von BlackRock & Co.
Doch wer steht wirklich hinter BlackRock? Der Boss des gigantischen Konzerns, Larry Fink, gehörte Anfang der 1980er-Jahre zu den Erfindern der Hypothekenpapiere, die 25 Jahre später zu einer der schlimmsten Spekulationsblase überhaupt führen sollten - und damit zur Weltwirtschaftskrise 2007/2008. 1988 erhielt er eine Einladung von der Risikokapitalgesellschaft Blackstone, die nur drei Jahre zuvor mit einer Finanzierung der Familie Rothschild gegründet worden war. Randall Rothschild war hier bis 2016 in führender Position tätig. Fink erhielt fünf Millionen Dollar Startkapital und sollte damit das Anleihen- und Rentenpapiergeschäft aufbauen.
Fink löste sich 1992 von Blackstone und nannte sein Unternehmen nun BlackRock. 2006 erfolgte die Fusion mit der Fondssparte von Merrill Lynch, einer Investmentbank, an der ebenfalls die Rothschilds beteiligt sind. Unmittelbar danach kam es zur Immobilienkrise in den USA, an der Fink - wie oben erwähnt - nicht unschuldig war. 2009 übernahm BlackRock schließlich um 13,5 Milliarden Dollar die gesamte Vermögensverwaltung Barclays. Die Londoner Großbank ist laut einer Studie der Eliteuniversität ETH Zürich aus dem Jahr 2007 das einflussreichste Unternehmen der Welt - und gilt als das Flaggschiff der Familie Rothschild (alles roger? berichtete). Der Name Rothschild taucht aber auch bei den anderen großen Vermögensverwaltern wie Fidelity, Vanguard und State Street auf.