Antibiotika - die unterschätzte Gefahr

Foto: 123RF
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Antibiotika sind bei schweren Krankheiten wie Lungenentzündungen ein Segen. Die sorglose Einnahme auch bei Kleinigkeiten ist jedoch ein Riesenproblem: Europaweit sterben laut WHO jedes Jahr mindestens 37.000 Menschen direkt an den Folgen des Antibiotikamissbrauchs. Gegen Antibiotika resistente Mikroorganismen führen auch in Österreich zu Zigtausenden Krankenhausaufenthalten jährlich. Ein Umdenken ist angesagt.


Text: Bianca Winkler

Das Problem ist seit langem bekannt. Zahlreiche unabhängige Institutionen warnen regelmäßig und starten immer wieder Kampagnen gegen den weltweit grassierenden Antibiotikamissbrauch. Die WHO ruft jährlich zur World Antibiotics Awareness Week auf, um Regierungen in die Pflicht zu nehmen, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Dass es ein Problem gibt, scheint aber dennoch nicht zur breiten Masse der Bevölkerung durchzudringen.

"Warum Ihr Kind heute kein Antibiotikum bekommt": So ist ein klärendes Werbeplakat betitelt, das in diversen Praxen von Kinderärzten hängt. Offenbar ist der Wunsch nach Antibiotika bei Eltern so ausgeprägt, dass sogar einschlägige Plakate produziert werden, die Müttern und Vätern beim Sitzen im Wartezimmer veranschaulichen sollen, dass ein Antibiotikum nicht die einzige und beste Lösung für alle kleinen Gesundheitsproblemchen dieser Welt ist. Offenbar betrachten viele Menschen Antibiotika als Wundermittel, die Krankheiten einfach so verschwinden lassen, und sind enttäuscht, wenn Ärzte ihnen und ihren Sprösslingen dieses Zaubermittel verweigern.

 Ruf besser als Wirkung

Antibiotika gelten neben Präventionsimpfungen als größte Errungenschaft der modernen Medizin. Im Eindämmen von bakteriellen Infektionen sind sie tatsächlich ein Zaubermittel. Aber sie sind es eben nur in dieser Hinsicht. Antibiotika sind Wirkstoffe, die Bakterien töten. Daher kommt auch der Name, denn Antibiotikum ist altgriechisch und bedeutet: gegen das Leben. Aber nicht jede Krankheit ist bakteriellen Ursprungs - und da fängt das Problem an. Als Wunderwaffe entfaltete das Antibiotikum seine Wirkung vor allem im klinisch-medizinischen Gebrauch.

Operationen sind heute so sicher, weil wir Antibiotika haben, die Entzündungsprozesse im Rahmen von Eingriffen in den Körper eindämmen oder gar komplett verhindern. Bakterien sind bekanntlich überall, innerhalb und außerhalb des menschlichen Körpers - Probleme machen nur die durch Bakterien ausgelösten Infektionen. Infiziert man sich aber mit superresistenten Keimen oder hat selbst schon eine Antibiotikaresistenz aufgebaut, dann ist man plötzlich in die medizinische Steinzeit zurückversetzt. Denn wenn Antibiotika nicht mehr wirken, kann kein Arzt und kein Medikament mehr helfen.

 Medikamentenmissbrauch

In den USA ist jeder dritte Todesfall auf den Missbrauch von Medikamenten zurückzuführen. Diese erschreckende Zahl offenbart eine Tendenz, die es auch bei uns in ausgeprägtem Maße gibt: Man nimmt Medikamente nicht mehr, weil es "notwendig" ist, sondern bei jeder Gelegenheit. Alle Medikamente sind jederzeit verfügbar und das ist bequem. Wer beispielsweise Kopfschmerzen hat, könnte auch Wasser trinken und sich hinlegen, um diese wieder loszuwerden. Schließlich wird ein Großteil dieser Art von Schmerzen durch Verspannungen im Hals- und Nackenbereich, Stress, Schlafmangel und ähnliche Zivilisationsprobleme verursacht. Der moderne Europäer zieht es aber vor, Schmerzmittel einzuwerfen, ohne zu bedenken, dass Schmerzmittel (in der Fachsprache Analgetika und darunter die spezielle Klasse der nicht-steroidalen Antirheumatika NSAR) wie beispielsweise Aspirin oder Ibuprofen für jede zweite Magenblutung verantwortlich sind.

Wer sich die Mühe macht, einen Beipackzettel wirklich anzuschauen, den packt ohnehin das schiere Grauen, da es so gut wie kein Medikament gibt, das nicht im schlimmsten Fall auch zum Tod führen kann. Natürlich sind schwere Nebenwirkungen selten und der durchschnittliche Konsument braucht sich davor nicht fürchten, doch das ist kein Freibrief dafür, Medikamente willkürlich zu konsumieren. Während ein Missbrauch von Schmerzmitteln vor allem für die einnehmenden Individuen zu einem Problem werden kann, handelt es sich beim Antibiotikamissbrauch um ein weltweites Problem mit globaler Tragweite.

 Resistenzbildung

Bakterien sind der Ursprung allen Lebens und sie sind wahre Überlebenskünstler. Das trifft auf jene zu, ohne die der Mensch nicht überleben könnte (zum Beispiel Darmbakterien), sowie auf diejenigen, die Entzündungen verursachen und im Extremfall zum Tod führen können. Escherichia coli (Abkürzung: E. coli) ist einer der berühmtesten Vertreter jener aggressiven Bakterien, die zunehmend superresistent werden, das heißt, dass sie sich von Antibiotika nicht mehr zersetzen lassen. Folglich sind Entzündungen durch superresistente E. coli nicht mehr behandelbar und ein betroffener Patient ist ihnen hilflos ausgeliefert.

Woher kommen die Resistenzen? Hier können wir der Evolutionstheorie bei der Arbeit zuschauen. Je öfter Bakterien mit Antibiotika in Berührung kommen, desto eher lernen sie, wie sie diesen Kontakt überleben. In der Landwirtschaft werden aufgrund von Massentierhaltung Antibiotika oft massiv vorbeugend eingesetzt, damit die Tiere bis zur Schlachtung überhaupt überleben. Die Antibiotika-rückstände landen dann nicht nur auf unseren Tellern, sondern auch im Grundwasser. Diese Allgegenwart von antibiotischen Mitteln führt dazu, dass sich immer mehr Mikroorganismen bilden, die von Antibiotika nicht mehr zersetzt werden können. Doch das ist ein sehr abstraktes Problem und man bemerkt eine Antibiotikaresistenz erst, wenn es schon zu spät ist und Antibiotika nicht mehr gegen Entzündungen wirken.

 Was kann man tun?

Antibiotika helfen nur bei bakteriellen Infektionen. Man sollte sie auch nur nehmen, wenn es wirklich notwendig ist - also eine Infektion länger nicht abklingt und beziehungsweise oder eine Ausbreitung der Entzündung verhindert werden soll. Grippale Infekte sind fast immer viralen Ursprungs und Antibiotika haben keine Wirkung auf Viren.

Ebenso wichtig ist es, die Landwirtschaft mehr in die Pflicht zu nehmen und in dem Fall biologische und ökologisch-nachhaltige Tierprodukte zu kaufen. Fleisch, Milchprodukte und Eier aus nicht artgerechter Massentierhaltung, gilt es möglichst zu vermeiden. Einmal mehr gilt: Du bist, was du isst.

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