Schon mal als "Nazi" beschimpft worden, nur weil jemandem Ihre Meinung nicht gefällt? Ja, fast jeder der sich schon mal negativ zum Thema Flüchtlinge oder Ähnliches geäußert hat, kann ein Lied davon singen.
Alles-roger?-Kolumne von Felix Baumgartner
Natürlich würde keiner ein so widerwärtiges und abscheuliches Lied singen, wie es in der NS-Liedgut-Affäre einer schlagenden Burschenschaft zum Vorschein gekommen ist, weshalb Udo Landbauer auch umgehend seine Ämter niederlegen musste. Stellt sich nur die Frage, wie lange und in welcher Giftküche dieses Buch schon gelegen hat, bevor es rechtzeitig vor der niederösterreichischen Landtagswahl das Licht der Medienwelt erblickte.
Doch nun zum eigentlichen Thema: Das Wort Nazi ist sehr praktisch und vielseitig. Praktisch deswegen, weil es intelligente Menschen dort verwenden können, wo es seine Berechtigung hat. Bei Adolf Hitler zum Beispiel, der mit seiner grausamen und menschenverachtenden Tötungsmaschinerie sechs Millionen Juden getötet hat und halb Europa in Schutt und Asche hinterließ.
Totschlag-Argument
Es ist aber genauso praktisch für weniger intelligente Menschen, weil es leicht zu merken ist - es sind ja nur vier Buchstaben - und für alles als Argument verwendet werden kann, ohne wirkliche Argumente zu haben. Ein Totschlag-Argument eben. Das Wort Nazi ist so universell, dass es zu fast jedem passt, der einem nicht passt.
Der amerikanische Präsident Barack Obama (ja, nicht nur Donald Trump) wurde damals vor Amtsantritt auf Plakaten so bezeichnet, genauso wie die deutsche Bundeskanzlerin. Die türkische Boulevardzeitung Günes zeigte Angela Merkel als "Frau Hitler" in Nazi-Uniform auf deren Titelseite und auch der Musiker Xavier Naidoo blieb mit seinem Lied Marionetten nicht verschont.
Auch ich bin schon als "Nazi" beziehungsweise brauner Stammtischbruder vom Magazin Stern betitelt worden. Ja, genau der Stern, der 1983 ganze 62 Bände Hitler-Tagebücher um 4,7 Millionen Euro gekauft hat, und dann erst draufgekommen ist, dass es Fälschungen waren.
Mainstream und Fakten
Dabei hätte die damaligen Stern-Chefetage nur das endgültige Ergebnis einer bereits angelaufenen Echtheitsuntersuchung des Bundeskriminalamtes abwarten müssen. Aber die Herrn Chefredakteure waren so geil auf die Story und dachten, was Journalisten halt manchmal so denken: "Wir lassen uns doch durch Fakten eine gute Geschichte nicht versauen."
Ich bleibe lieber bei den Fakten. Fakt ist, dass mit der Bezeichnung Nazi viel zu leichtfertig umgegangen wird und es da eine gesetzliche Neuausrichtung braucht. Hier sind Richter und Juristen gefordert. Sollte jemand nachweislich von einer Person oder einem Journalisten als Nazi bezeichnet werden und die Anschuldigung erweist sich als ungerechtfertigt, muss das strenge gesetzliche Konsequenzen haben. Man stelle sich nur das Kind von jemandem vor, der zu Unrecht als Nazi in der Presse tituliert wurde und dieses Kind erfährt dann im Geschichtsunterricht etwas über Adolf Hitler.
Norweger-Pullover
Die Nazi-Phobie macht auch vor dem Sport nicht halt: Der jüngste Skandal der Norweger bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang zeigt beispielhaft, wie sensibilisiert beziehungsweise krank unsere Gesellschaft bereits geworden ist.
Klassische Motive für Norwegerpullover sind normalerweise so skandalös wie die weißen Fell-Winterschuhe von Skilegende Hansi Hinterseer. Daher ist es zunächst überraschend, dass das National-Kleidungsstück in der neuesten Kollektion für die norwegischen Ski-Mannschaft scharf kritisiert wurde. Der offizielle Ausstatter hat mit seinem neuen Motiv für die Olympischen Winterspiele für Aufregung gesorgt, denn auf dem Pullover kann man nordische Runen erkennen, die mit dem Nationalsozialismus in Verbindung stehen.
Und genau hier ist für mich klar eine rote Linie überschritten, frei nach dem Motto: Wer suchet der findet. Menschen, die beim Anblick eines Norwegerpullovers an Nazis denken, brauchen Hilfe, dringend! Das sind Dummheiten der selbst ernannten Moralapostel des 21. Jahrhunderts, die wir in unserer Gesellschaft keinesfalls dulden sollten. Solche Dinge finden wir heutzutage überall.
Käfer, Schäferhund, Kornblume
Adolf Hitler und seine Nationalsozialisten haben sich damals so gut wie alle Themen und Dinge zu eigen gemacht, vom Krupp-Stahl, der Kornblume bis hin zum VW Käfer und selbst der Schäferhund blieb nicht verschont. Ist es deshalb heute unsere Pflicht, auf alle diese Dinge zu verzichten, nur um uns nicht mehr an diese schreckliche Zeit zu erinnern? Die Antwort ist NEIN!
Die Firma Joop verwendet die von der FPÖ gerne bei Regierungsangelobungen getragene Kornblume schon seit Jahren als Logo auf Parfüms und Bettwäsche und keiner hat sich, zu Recht, jemals darüber echauffiert.
Streicheln wir auch weiterhin einen deutschen Schäferhund auf der Straße, obwohl auch Adolf Hitler einen besaß, lassen wir den Norwegern ihren Pullover und ziehen ihnen lieber beim Skifahren das Fell über die Ohren.
Was wir in Österreich und Deutschland dringend brauchen, ist die Intelligenz, diese Dinge wieder richtig einzuordnen.
Es ist noch nicht zu spät dafür.