Ich schreibe schon seit längerer Zeit Kolumnen für alles roger?, doch diese hier ist eine ganz spezielle. Erstens, weil ich sie hier in Amerika schreibe und zweitens, weil sich diese Kolumne nicht mit Kritik an der Politik, am System oder den Journalisten beschäftigt, sondern ausnahmsweise mit mir selbst.
alles roger?-Kolumne von Felix Baumgartner
Man kann es als Weihnachtsamnestie sehen, oder aber auch als logischen Schritt, weil mich Menschen immer wieder fragen, was ich heutzutage, nach meinem Sprung aus der Stratosphäre, mache.
Begeben wir uns also auf eine Spurensuche
Ich bin seit Anfang November 2018 hier in Los Angeles, um mir einen weiteren großen Traum zu erfüllen. Manche wissen vielleicht, dass ich zwei Kindheitsträume in meinem Leben hatte: Fallschirmspringen und Helikopterfliegen. Meinen ersten Fallschirmsprung absolvierte ich im August 1986 mit gerade mal 17 Jahren. Damals wusste ich noch nicht, wohin diese unglaubliche Reise gehen wird. 26 Jahre später, am 12. Oktober 2012, gab es darauf die Antwort.
Ich hab? mit einem Fallschirm am Rücken die Welt erobert und Geschichte geschrieben. Der erste Mensch, der im freien Fall die Schallmauer mit 1.355 km/h durchbrach und das werde ich für immer bleiben. Dieser Sprung hat mir weltweit Tür und Tor geöffnet. Ich habe die schönsten Plätze dieser Welt gesehen, wilde Parties gefeiert und hochrangige Auszeichnungen bekommen, unter anderem wurde ich 2017 in Amerika als Living Legend of Aviation ausgezeichnet. Unter denen befinden sich auch Größen wie Sir Richard Branson, Elon Musk oder Harrison Ford. Noch viel wichtiger aber, dieser Sprung hat mir die Gelegenheit gegeben, meine Zeit mit spannenden, wunderbaren und herausragenden Persönlichkeiten dieser Welt zu verbringen. Ich werde niemals den Moment vergessen, als ich mit Neil Armstrong, dem ersten Menschen auf dem Mond, zu Abend gegessen habe und wir uns über die Zukunft der Erde unterhielten. Ich bin unendlich dankbar für die einzigartigen und unwiederbringlichen Momente, die mir der Fallschirmsport ermöglicht hat. Heute verdiene ich mein Geld unter anderem mit Vorträgen für große Konzerne wie Procter & Gamble, Goldman & Sachs und pflege gute Kontakte zur Luft- und Raumfahrt in den Vereinigten Staaten.
Mein zweiter Kindheitstraum
Als ich ein Kind war, habe ich oft zum Himmel hochgesehen, um den Hubschraubern beim Fliegen zuzusehen. Ich habe die Piloten für ihren Mut und ihr Können bewundert und wollte einer von ihnen werden, doch Geld war in meiner Familie genauso wenig vorhanden wie das Verständnis meines Vaters fürs Fliegen.
Träume sind aber dazu da, um verwirklicht zu werden, und deshalb bin ich damals 2006 nach Amerika gereist, um Helikopterpilot zu werden. Heute bin ich europäischer und amerikanischer Berufspilot und habe fast 6.000 Helikopterflüge absolviert. Wie schon damals beim Fallschirmspringen, versuche ich Grenzen auszuloten. Deshalb beschäftige ich mich seit fast einem Jahr mit dem Helikopter-Akrobatik-Fliegen.
Das ist auch der Grund, warum ich zurzeit in Los Angeles bin, um meine Kunstflug-Zulassung für US-Amerikanische-Airshows zu bekommen.
Dazu braucht es Zeit, Disziplin und gute Lehrer. Die beiden Flying-Bulls-Piloten Sigi Schwarz und Rainer Wilke, beides brillante Helikopter-Akrobatik-Piloten, haben sich in den letzten Monaten professionell um mich gekümmert. Es gibt keinen aufregenderen Moment als jenen, wenn der Lehrer nach vielen ermüdenden Trainingsstunden aus dem Heli steigt und sagt: "Jetzt fliegst du dein erstes Akrobatik-Programm mal alleine."
Das fühlt sich an wie "Erwachsen werden" in einem einzigen Moment und macht einen unglaublich stolz. Jeder Pilot, der seinen ersten Solo-Flug hinter sich hat, weiß wovon ich spreche.
Und so kommt es, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis ich auch diesen Traum verwirklicht habe und wieder dorthin zurückkehre, wo ich Zuhause bin: Am Himmel, hoch über der Erde.
Schade eigentlich, denn jeder erfüllte Traum, ist ein Traum weniger.
FELIX