Meine lieben Leserinnen und Leser! Vor Kurzem kam eine Zuschauerin nach einer Vorstellung auf mich zu und sagte: "Ich muss Ihnen sagen, Sie haben sehr gut gespielt! Darf ich fragen, was Sie beruflich machen"?
alles roger?-Kolumne von Gabriela Benesch
"Wenn Sie eine intelligentere Frage auf Lager hätten, wäre es mir lieber", dachte ich, sagte aber freundlich: "Gnädige Frau, ich bin seit dreißig Jahren im Geschäft!"
"Ah ... und was für ein Geschäft haben Sie, wenn ich fragen darf?"
"Ich bin seit dreißig Jahren Schauspielerin. Das ist mein Beruf!"
"Ah so ... und davon kann man leben?"
Ich, zähneknirschend, aber immer noch lächelnd: "Sie sehen doch, ich lebe!"
Hobby
"Ich spiele auch Theater, hobbymäßig", sagte die Dame stolz und drückte mir einen Hochglanz-Flyer in die Hand: "Hier, das ist unser nächstes Stück!"
Es war ein amerikanischer Kinostoff, umgeschrieben für die Bühne.
Um Gottes Willen, dachte ich, das wird grässlich werden und sagte: "Wow! Das wird bestimmt ganz toll!"
Dabei drehte ich den Flyer nach allen Seiten um, obwohl er nur zwei Seiten hatte und tat so, als würde ich ihn lesen.
Plötzlich erstarrte mein Blick und die Dame fragte mich besorgt: "Alles in Ordnung? Sie sind ja ganz blass!"
Ticketpreise
"Ja, danke, alles bestens. Ich hab' nur grad Ihre Ticket-Preise gesehen."
"Ja", sagte die Dame und wuchs auf mindestens zwei Meter an, obwohl sie nur eins fünfzig war: "Wir haben Preise wie das Burgtheater! 30 Euro zweite Kategorie, 45 Euro erste Kategorie!"
Ich japste nach Luft! Den Herzinfarkt konnte ich mir grade noch verkneifen.
Diese Dame hatte gerade unser Theaterstück mit Berufsschauspielern erster Kategorie gesehen und dafür mit ihrem Arbeiterkammer-Ermäßigungsausweis 17 Euro bezahlt.
112.000 Euro
"Wie viele Plätze hat denn Ihre Laien-Bühne?", fragte ich mit gezwungener Höflichkeit.
"280! Wir spielen zehn Mal und sind immer ausverkauft."
Ich rechnete blitzschnell: 280 mal zehn ist gleich 2800; mal, sagen wir 40 Euro im Schnitt, ist gleich?
Einhundertzwölftausend!!!
"Und vom Bürgermeister kriegen wir auch immer ein Geld!"
"Und wie versteuern Sie das?", fragte ich.
"Gar nicht, wir sind ein Verein und umsatzsteuerbefreit."
Bühnenabbau und Schäfchen
Bevor ich vollends das Bewusstsein verlor, sagte ich: "Oh, schon so spät! Ich muss jetzt leider beim Bühnenabbau helfen. Hat mich sehr gefreut und toi, toi, toi für ihre Premiere!"
"Haben Sie denn keine Bühnenarbeiter?!", fragte die Dame fast schon empört.
"Doch, das macht unser Ensemble. Hobbymäßig!"
"Weiter so!", hörte ich sie noch rufen, bevor ich in die Garderobe abbog, Kostüme und Requisiten verstaute, Bühnenwände in den Laster schleppte, um dann um drei Uhr morgens todmüde ins Bett zu fallen und Schäfchen zu zählen.
Beim einhundertzwölftausendsten schlief ich ein und träumte von einer umsatzsteuerbefreiten Karriere am Laientheater!