Der Frieden schien schon ganz nahe. Doch dann feuerten die USA, Großbritannien und Frankreich Raketen auf Damaskus. Seit Jahren betreiben westliche Hauptstrommedien Propaganda gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und seine Verbündeten. Wie im Krieg üblich, ist sehr vieles davon falsch oder eine Halbwahrheit. alles roger? gibt Antworten auf wichtige Fragen.
Text: Klaus Faißner
Warum kam es zum Krieg in Syrien?
Die syrische Regierung dürfte schon über 25 Jahre auf der Abschussliste anglo-amerikanischer Kreise stehen. Wie der amerikanische Ex-General Wesley Clark auspackte, wollte der neokonservative Spitzenpolitiker und spätere Weltbankpräsident Paul Wolfowitz schon 1991 den Vater von Baschar al-Assad als damaligen Machthaber Syriens stürzen. Und zwar aus geopolitischen Gründen: "Wir haben jetzt fünf oder zehn Jahre, um dieses alte Sowjetregime - Syrien, Iran und Irak - wegzuräumen, bevor die nächste große Supermacht kommt und uns herausfordert", zitierte Clark Wolfowitz am 3. Oktober 2007 in San Francisco. Wie der schweizerische Historiker Daniele Ganser in seinem Buch "Illegale Kriege" darstellt, waren auch die Briten und die Franzosen vor dem Kriegsbeginn 2011 für einen Sturz von Baschar al-Assad.
Was war der Auslöser für den Krieg gegen die Assad-Regierung?
Für Ganser ist dies eindeutig: die Kontrolle über Erdgas und Erdöl. 2009 wollte der mit den USA verbündete Ölstaat Katar eine Erdgas-Pipeline von Katar über Saudi-Arabien und Jordanien durch Syrien bauen, die weiter über die Türkei nach Europa gehen sollte. Doch Assad lehnte aus Rücksicht auf seinen Verbündeten Russland ab, der der wichtigste Versorger Europas mit Erdgas ist. Letztlich unterzeichnete Assad einen Pipeline-Vertrag mit dem Iran, um Europa mit Erdgas zu beliefern - was eine Ohrfeige für die US-Verbündeten Katar und Saudi-Arabien war.
Wie begann der Krieg in Syrien?
Wie andere Länder in der Region wurde auch Syrien von Demonstrationen im Rahmen des - gesteuerten - "Arabischen Frühlings" erfasst. Doch die große Mehrheit im Land stand hinter Assad. Laut Ganser sickerten von März bis August 2011 immer mehr bewaffnete Islamisten über die lange Grenze mit dem Irak nach Syrien ein - unterstützt von Katar und Saudi-Arabien. Scharfschützen schossen sowohl auf Demonstranten und auf Sicherheitskräfte, berichtete der unabhängige deutsche Journalist Jürgen Todenhöfer. Der US-Militärgeheimdienst Defence Intelligence Agency erklärte in einem Bericht von August 2012, dass Salafisten, der IS sowie die Muslimbruderschaft die Hauptgegner von Assads Regierungstruppen sind und den Aufbau eines Kalifats anstreben. Die NATO also Hand in Hand mit Terroristen, die von den westlichen Medien noch immer verharmlosend als "Rebellen" bezeichnet werden.
Wer profitiert vom Krieg in Syrien?
Der Aufdecker und Wikileaks-Gründer Julian Assange erklärte schon im Jahr 2015 in einem Interview mit dem russischen Fernsehsender Russia Today, dass die Alliierten der US-Amerikaner "alle ein Stück vom Kuchen wollen": Saudi-Arabien, Katar, die Türkei und Israel. Israel könnte sich zum Beispiel die Golanhöhen für immer sichern, so der Australier, der sich wie immer auf Geheimdokumente stützte. Natürlich profitiert auch die Waffenindustrie: Die Aktienkurse der Kriegsgeräte-Hersteller BAE Systems und Lockheed Martin stiegen nach den Raketenangriffen im April stark. Ein nicht unwichtiges Detail dazu: Philip May, Mann der britischen Premierministerin Theresa May, arbeitet für die Investmentgesellschaft Capital Group, die größter Anteilseigner bei BAE Systems und zweitgrößter bei Lockheed Martin ist.
Auf welche Quellen bezogen sich die Hauptstrommedien bei der Syrien-Berichterstattung?
In erster Linie auf die sogenannte Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (engl. Abkürzung: SOHR). Sie wird als Ein-Mann-Unternehmen vom Exil-Syrer Osama Suleiman in Coventry in Großbritannien betrieben. Er ist Gegner der Assad-Regierung und veröffentlicht Aussagen nicht näher benannter Aktivisten und Informanten in Syrien. Viele Meldungen dieser Beobachtungsstelle stellten sich nach Veröffentlichung als falsch heraus. Westliche Medien hatten so gut wie nie Journalisten oder Vertrauensleute vor Ort.
Nach Syrien gereiste oder vor Ort lebende neutrale Journalisten oder andere Augenzeugen berichteten immer wieder genau das Gegenteil des Mainstreams. Die unabhängige kanadische Journalistin Eva Bartlett war beispielsweise bis Dezember 2016 sechs Mal in Syrien, wie sie damals bei einer Anhörung vor der UNO erklärte. Auch internationale Organisationen seien keine vor Ort und würden sich ebenfalls auf die "Beobachtungsstelle" in Coventry beziehen. Diese wiederum bekomme Informationen von den so genannten Weißhelmen, die von dem ehemaligen britischen Militäroffizier James Le Mesurier gegründet und von den USA, Großbritannien und anderen EU-Staaten mit rund 100 Millionen Dollar finanziert wurden. Bartlett: "Die Weißhelme sagen, dass sie Zivilisten in Ost-Aleppo und Idlib retten und keiner in Ost-Aleppo hat je von ihnen gehört ... Die Weißhelme sagen von sich, dass sie neutral sind, und doch sieht man sie Waffen tragen und wie sie auf den Leichen syrischer Soldaten stehen."
Verübten in erster Linie Assads Truppen Massaker?
Auch andere Augenzeugen bestätigen, dass die Mehrheit der Syrer hinter Assad steht und Gräueltaten von den Assad-Gegnern, also den Dschihadisten, verübt wurden. Sehr gute Vor-Ort-Berichte stammen von christlichen Ordensleuten wie dem Priester Andrew Ashdown. Er war unangekündigt in einem Flüchtlingsregistrierungszentrum, wo vor allem Flüchtlinge aus Aleppo aufgenommen wurden: "Alle Flüchtlinge waren sehr redselig ... Sie berichteten alle das Gleiche: Die sogenannten moderaten Rebellen haben viele Menschen ermordet, die flüchten wollten ... Sie berichteten ebenfalls, dass großflächige Vergewaltigungen, Folterungen und Entführungen durch die sogenannten Rebellen stattfanden. Ihre Häuser und ihre Besitztümer wurden von den sogenannten Rebellen beschlagnahmt. Alle Flüchtlinge ohne Ausnahme (...) sagten, dass die syrisch-arabische Armee sie gerettet hat und ihnen Essen und Unterstützung gibt." Ähnliches berichtete die bolivianische Schauspielerin Carla Ortiz, die sich acht Monate in Syrien aufhielt, um eine Dokumentation zu drehen: Sie habe von keinen in den westlichen Medien behaupteten Übergriffen der Assad-Armee erfahren, aber massenhaft von Gräueltaten der sogenannten Rebellen.
Wie spielt sich das Leben in Syrien ab?
Der Hamburger Modedesigner Marco Glowatzki hält sich seit Jahren in Syrien auf und berichtet regelmäßig auf YouTube aus dem ganzen Land. Immer wieder betonte er, dass weite Teile friedlich sind und hier auch Christen, Moslems und Angehörige anderer Religionen wie seit jeher friedlich zusammenleben.
Wie verhielt es sich bei den bisherigen Giftgas-Angriffen?
Bei dem Giftgas-Angriff in der syrischen Ortschaft Duma verbreiteten wieder einmal die Weißhelme die Nachricht, Assad-Truppen wären dafür verantwortlich. Laut russischen Aussagen sind alle Videoaufnahmen der Weißhelme eine Fälschung. Bislang gab es zwei nachweisliche Fälle des Einsatzes des Giftgases Sarin, beide Male wurde Assad als Schuldiger hingestellt:
> 2013 in Ghuta in der Nähe von Damaskus: Untersuchungen sahen eher die "Rebellen" als Verursacher.
> 2017 in Chan Schaichun: Der Schuldige konnte nicht ermittelt werden.