"Mein Herzblut liegt beim Filmemachen"

Foto: beigestellt
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Reinhold Bilgeri ist einer der vielseitigsten Stars der österreichischen Musik- und Filmszene. Aktuell promotet er seinen neuen Film Erik & Erika und man kann sich auf ein neues Meisterwerk einstellen. Während seiner aktuellen Amerikareise durften wir den Ausnahmekünstler über sein Schaffen, seine Familie und seine Sorgen über die Politik interviewen.


Interview: Roland Hofbauer 

Sie haben aktuell gerade den Film "Erik. Weltmeisterin" abgedreht. Was darf man sich darunter vorstellen?

Ja, der Film heißt inzwischen Erik & Erika und ist ein Biopic, das sich entlang der authentischen Vorgaben bewegt. Eine sehr persönliche Geschichte, die der Hauptfigur, die als Frau und als Mann gelebt hat, bis in die intimsten Winkel folgt. Meine persönlichen Motive, diesen Film zu drehen, deckten sich atmosphärisch mit dem Fighter-Charakter des Erik(a) Schinegger. Ich fühlte mich verwandt mit seiner Kämpferseele und wollte seinem Lebensmut ein kleines Denkmal setzen.

Was macht für Sie die Faszination des Filmemachens aus?

Ich kann in dieser Kunstform alles, was ich kann, unterbringen -  Schreiben, Rhythmik, Musik, Psychologie, Inszenierung und Choreografie einer Geschichte. Man hat die Möglichkeit, mit den Ingredienzien, die einem zur Verfügung stehen, ein kleines Universum zu schaffen, ein Leben zu erzählen. Das ist noch spannender und komplexer, als einen Song zu schreiben.

Wie bewerten Sie die österreichische Filmbranche und müsste sich etwas ändern, um größere Erfolge zu feiern?

Diese kleine Branche hat im Verhältnis zu ihren Möglichkeiten außergewöhnliche Erfolge vorzuweisen, um mit Haneke, Ruzowitzky, Prochaska oder Christoph Waltz nur ein paar Namen zu nennen. Also, was Awards und Festival-Präsenz angeht, stehen wir in Europa ganz vorne, aber manchmal denk' ich mir, wir sollten auch vor dem kommerziellen Erfolg an der Kinokasse keine Hemmungen haben. Die allergrößte Leistung ist es, mit einer Qualitätsarbeit, die keine künstlerischen Kompromisse einging, dennoch ein großes Publikum zu erreichen.

Sie sind den Österreichern noch immer als Sänger ein Begriff, doch in Wahrheit sind Sie vieles mehr. Wo liegt Ihr Herzblut aktuell und was kann ein Reinhold Bilgeri eigentlich nicht?

Mein Herzblut liegt eindeutig beim Filmemachen, weil ich hier, wie gesagt, alles unter einen Hut bringe. Ich bin Musiker, Schriftsteller und als Regisseur einer, der bewegte Bilder liebt - also wo wäre ich besser aufgehoben als beim Film? Ich schreibe Romane, Drehbücher, Hörspiele und mache nichts lieber, als mit einem Schauspieler-Ensemble eine Geschichte zu erarbeiten. Das kann ich. Aber ich kann dafür keinen Nagel einschlagen, kann nicht kochen, war in Mathe eine Flasche, habe zwei linke Hände und bin sehr dankbar, dass meine Frau mir beim Organisieren meines Lebens sehr behilflich ist ...

Wie gehen Sie mit dem Erfolg Ihrer Tochter um und inwieweit haben Sie Ihre Karriere gepusht?

Wir freuen uns natürlich über ihren Erfolg, aber wir sind sehr geerdet und wissen genau, dass eine Karriere in Hollywood niemals eine g'mahte Wies'n ist. Im Gegenteil, nach jedem Film ist wieder das nächste Casting dran, das gewonnen werden muss. Wir haben die Laura ein Jahr lang in Los Angeles begleitet, um ihr dort eine Basis zu schaffen - den Rest, und das war harte Arbeit und massenhaft Disziplin, hat sie mit ihrem Talent ganz allein geschafft.

Was bedeutet Familie generell für Sie?

Familie ist alles. Eine funktionierende Familie ist der stärkste denkbare Kraftquell, den es gibt - unendliches Vertrauen und bedingungslose Liebe, so einfach ist das.

Wenn Sie die letzten 30 Jahre betrachten, was würden Sie heute anders machen und auf was sind Sie besonders stolz?

Ende der Siebziger war ich oft in L.A., hatte eigentlich vor, mit Peter Wolf, der damals bei Frank Zappa spielte, in den USA eine Band zu gründen. Vielleicht hätte sich daraus eine amerikanische Karriere entwickelt. Andererseits ist Anfang der 80er-Jahre mein Video Life in Europa und Südamerika hoch in die Charts geschossen und ich hab' damals auch meine Frau, die Liebe meines Lebens, kennengelernt ... Also es ist alles gut, so wie es ist. Besonders stolz bin ich auf meine Genresprünge - vom Singer/Songwriter zum Roman-Schriftsteller und schließlich zum Filmregisseur/Produzenten - die ich ganz alleine, gegen alle Wetten und mit höchstem existenziellem Risiko geschafft hab.

Wie stehen Sie zur österreichischen Politik und wie zu der Europäischen Union?

Mit dem Rechtsruck in Österreich hab' ich großes Bauchweh. Der Weg zurück in eine nationalistische Grundhaltung, eine Annäherung an die Politik der Visegrád-Staaten, in denen bereits demokratiepolitisch bedenkliche rechtsstaatliche Erosionen stattfinden, ist der falsche Weg. Damit kann man, siehe Migrationsproblem, ein, zwei Wahlen gewinnen, aber den großen Rest, nämlich die Globalisierungs- und Digitalisierungsprobleme kann nur ein gemeinschaftlich starkes Europa in den Griff bekommen. Die Probleme in der Arbeitswelt werden so riesig werden, dass mit nationalstaatlichen Lösungen und regionalen Anstrengungen rein gar nichts mehr gehen wird.

Natürlich ist Europa auch ein bürokratischer Moloch, der schlanker und effizienter gemacht werden muss. Ich hab' auch nichts gegen die Stärkung der Regionen und bewahrte Traditionen, aber ich halte gar nichts von nationalstaatlichen Träumereien, die an den Säulen der Union sägen. Auf unserem Kontinent wurde jahrhundertelang geschlachtet, 100 Millionen sind in zwei Weltkriegen gestorben, die übrigens beide von Österreichern ausgingen. Jetzt haben wir endlich ein friedliches, grenzenloses, ja auch ein fehlerhaftes Europa - aber es ist ein Friedensweg und den sollten wir uns bewahren in alle Ewigkeit.

Wie stehen Sie zu der großen #metoo-Debatte? Haben Sie in Ihrer Karriere solche Dinge mitbekommen?

Auch im Hinblick auf die Karriere meiner Tochter bin ich sehr froh, dass diese Debatte jetzt weltweit stattfindet. Dieses Machogehabe mancher Produzenten und Regisseure hat viel schlechtes Blut in die Branche gebracht. Dieser berechtigte Aufstand der Frauen hat viel Positives bewirkt. Meine Tochter - sie ist bis jetzt noch nie belästigt worden - geht jedenfalls zurzeit beruhigter zu Castings und Readings in L.A. als früher. Dass diese metoo-Geschichte inzwischen auch ein bisserl hysterische Ausmaße angenommen hat, ist wieder eine andere Story. Flirten sollte noch ohne Damoklesschwert überm Kopf erlaubt sein. Ich war ja mal ein Pop-Star und hab mich weiß Gott nicht belästigt gefühlt von meinen Fans. Im Gegenteil, ich hab' ihre Nähe genossen.

Wie würden Sie reagieren, wenn Ihre Tochter in so eine Situation kommen würde?

Ich würde demjenigen Herrn, der nicht weiß, dass dort, wo die Frau Nein sagt, die rote Linie ist, die Gurgel umdrehen.

Sie waren Lehrer. Wie es heißt, ein sehr beliebter. Wie stehen Sie zum aktuellen Schulsystem und zu Schulnoten?

So ganz bin ich nicht mehr im Geschehen, aber ich könnte mir eine Mischform aus Noten und verbaler Beurteilung gut vorstellen, was ja eh schon praktiziert wird. Wir brauchen einen klaren Leistungsraster, wenn wir unsere Kinder auf den Kampf da draußen einstellen wollen. Ich bin auch der Meinung, dass die großen Richtungsentscheidungen erst im 14. Lebensjahr getroffen werden sollten - also Gesamtschule. Das wichtigste ist allerdings die intensive Erstbetreuung durch die Eltern, die ersten sechs Jahre - die Schule ist keine Reparaturwerkstatt, dort ist es schon zu spät ...

Wie würden Sie sich als Mensch mit drei Sätzen beschreiben und was sind die drei Prioritäten in Ihrem Leben?

Ich bin ein Kämpfer, ein Krieger ohne Schild, aber einer, der seine Träume wahr macht. Die Prioritäten: Familie, Arbeit, Gesundheit.

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