Frank Stronach ist als Gründer des Magna-Konzerns einer der erfolgreichsten Österreicher. Seit seinem Rückzug aus der Politik ist es um ihn ruhig geworden. Jetzt hat er sein Buch präsentiert, in dem er zu vielen Themen Stellung nimmt. alles roger? traf ihn in Oberwaltersdorf zu einem ausführlichen Gespräch über Rezepte für die Wirtschaft und Landwirtschaft, Gefahren für die Welt, die Verurteilung von Peter Westenthaler und natürlich über Politik.
Interview: Klaus Faißner
In den vergangenen ein, zwei Jahren ist es ruhig geworden um Frank Stronach in Österreich. Brauchten Sie eine Pause, weil es mit der Politik nicht wunschgemäß geklappt hat?
Nein, ich habe Milliarden in Österreich investiert und mindestens 15.000 Arbeitsplätze gesichert. Aber meine Kinder sind drüben in Übersee geboren. Ich habe mich wirtschaftlich von Magna zurückgezogen, sehr viele Erfahrungen gesammelt und bin in vielen Aufsichtsräten gesessen, zum Beispiel der New Yorker Börse, der New Stock Exchange. Diese Erfahrungen, die will ich weitergeben, auch mit meinem Buch.
Wie beurteilen Sie die jetzige österreichische Regierung?
Ich befasse mich weniger mit Politik und bin jetzt nur alle zwei bis drei Monate in Österreich. Deshalb will ich auch keine Beurteilung abgeben.
Wie sehen Sie Ihr politisches Engagement im Nachhinein?
Ich wollte am Käfig rütteln und ein Nach- und Umdenken provozieren. Aber ich hätte mehr erreicht, wenn ich mich auf die Sozialökonomie konzentriert hätte und nicht in die Politik gegangen wäre. Ich kenne sehr viele Politiker, die meisten sind ganz in Ordnung, aber sie sind gefesselt. Jeder macht andere schlecht. Wie kann man da vorwärts kommen? Oft wird man persönlich, auch mir ist das passiert und dafür habe ich mich im Parlament öffentlich entschuldigt. Es würde eine unpolitische Bewegung brauchen. Es gibt viele Thinktanks (Denkfabriken, Anmerkung), die denken viel und tun nichts. Wir brauchen Do-Tanks ("Macher"-Fabriken, Anmerkung), die lösungsorientiert sind, in bestimmten Segmenten sagen, was die Fakten sind und was besser wäre für die Menschen.
Wollen Sie Do-Tanks in Österreich gründen?
Ich habe (vor zwei Jahren die Bewegung, Anmerkung) Vision Österreich gegründet und versuche gerade, Leute zu sammeln. Wir haben so ein schönes Land mit guten, fleißigen Leuten, wir müssen über die Zukunft nachdenken. Wir haben so viel Schulden, die ältere Generation hinterlässt den Jungen einen Schuldenberg. Jede Hausfrau weiß: Wenn sie mehr ausgibt als sie einnimmt, kommt sie mit ihrer Familie ins Armenhaus. Jeder soll eine Vorstellung haben: Was sind die Prinzipien einer Gesellschaft und wie muss man die Bausteine für eine gute Zukunft zusammensetzen?
Sie waren jahrelang Präsident der Fußball-Bundesliga und haben eng mit Peter Westenthaler zusammengearbeitet. Was sagen Sie dazu, dass er nun offensichtlich unschuldig ins Gefängnis muss?
Ich hatte Grundprinzipien: Bei jeder Aufsichtsratssitzung war ein Rechtsanwalt dabei, oder es wurde das Protokoll an einen Rechtsanwalt weitergegeben. Alle Entscheidungen wurden mit Mehrheit im Aufsichtsrat getroffen und alle Präsidenten der Bundesliga-Klubs saßen im Aufsichtsrat. Keine Entscheidung verletzte das Recht. Ich kann mir nicht erklären, warum Peter Westenthaler im Bereich Fußball verurteilt wurde. Da konnte nichts sein. Von ÖFB-Seite ist das unmöglich und es gab vom ÖFB auch nie einen Vorwurf gegen ihn.
Sie haben ein Buch geschrieben, das nun auf Deutsch präsentiert wurde: "Die Fragen aller Fragen: Woher kommen wir, wohin gehen wir?". Hier mahnen Sie einen radikalen Wandel ein, auch in der Landwirtschaft und beim Umweltschutz ...
Wenn man älter wird, denkt man über den Sinn des Lebens nach. Kaum jemand hat so viel erreicht wie ich, von einer Garagenfirma zur Nummer eins der Welt mit 175.000 Beschäftigten. Ein freies Wirtschaftssystem ist das Fundament für eine freie Gesellschaft. Ein Wirtschaftsbetrieb besteht aus Managern, Arbeitern und Kapitalgebern. Alle haben ein Recht auf einen Teil des Profits, natürlich auch die Arbeiter, die den Reichtum mit erschaffen. Die Gehälter sollten durchschnittlich bis gut sein und durch eine Beteiligung von zehn Prozent am Profit deutlich höher werden können.
Sollte das zum Gesetz werden?
Ja, und ich hoffe, dass das auch in Österreich durchdiskutiert wird. Das Problem ist, dass immer mehr Kapital von immer weniger besessen wird. Die kapitalistische Spezies vermehrt sich nicht und eine Spezies, die sich nicht vermehrt, stirbt aus. Wir müssen durch Gesetze festlegen, dass Arbeiter am Profit teilhaben. Der Kapitalismus ist die Wirtschaftsmaschine, aber er braucht Zügel.
Sie betonen die Wichtigkeit gesunder Lebensmittel, von Tier- und Umweltschutz.
Zum Essen gehört für den Menschen Fleisch dazu, aber wir denken nicht über den Schmerz der Tiere nach und verhalten uns ihnen gegenüber komplett unzivilisiert. Tiere sind Geschöpfe Gottes mit Herz und Gefühlen. Ich züchte Rinder und habe ein Vorzeigemodell geschaffen, wie man es machen kann. Die große Herausforderung war: Wie kann man sie ohne Schmerz und Stress schlachten. Ich habe mit Tierschützern ein System dazu entwickelt. Wir sind transparent und erlauben Besuchern, alles anzusehen, auch Schlacht-räumlichkeiten.
Was sagen Sie zur Gentechnik, die ja besonders in Kanada und den USA in der Landwirtschaft eingesetzt wird?
Immer, wenn wir die Natur verändern, müssen wir sehr vorsichtig sein. Als ich jung war, haben wir das Wort Allergie gar nicht gekannt, heute sind fast alle Kinder allergisch.
In Nordamerika noch mehr als in Europa ...
Ja, immer mehr Lebensmittel enthalten Chemikalien. Österreich sollte keine Lebensmittel einführen, die Chemikalien oder gentechnisch veränderte Organismen enthalten - so lange, bis unabhängige Forscher die Unschädlichkeit beweisen.
In Österreich ist das EU-Kanada-Handelsabkommen CETA ein großes Thema - mit privaten Schiedsgerichten und einem Regulatorischen Rat, der Umwelt- oder Sozialgesetze im Vorhinein abwürgt, die Konzerne nicht haben wollen. Wie stehen Sie dazu, als einer, der Kanada und Österreich bestens kennt?
Wir müssen bedacht sein, dass sich Arbeiter nicht verletzen oder wir die Umwelt nicht verschmutzen. Wir müssen diese Themen beforschen. Man soll nur Waren zulassen, bei denen Transparenz und Nachhaltigkeit gegeben ist.
Seit dem EU-Beitritt Österreichs 1995 sind die Realeinkommen gesunken. Sie haben den Euro und vor allem den Euro-Rettungsschirm ESM stark kritisiert. Was sollte sich ändern?
Die EU braucht andere Prinzipien. Jedes Land soll das Recht auf einen eigenen Euro haben. Es können sich auch wirtschaftlich gleich starke Länder wie Österreich, Deutschland und Holland zusammentun. Nur eine Zentralbank für den ganzen EU-Raum zu haben, kann auch nicht funktionieren. Man kann aus einem Griechen keinen Deutschen und aus einem Deutschen keinen Griechen machen.
Sie sehen die USA wirtschaftlich als großes Vorbild. Doch führen sie seit Langem auf der ganzen Welt Kriege, die auch Flüchtlingsströme auslösen und die Lage in den angegriffenen Staaten verschlechtern.
Die USA sind immer noch das freiste Land der Welt. Das wichtigste für ein Land ist ein ordentliches Rechtssystem und eine ordentliche Rechtsverfassung, die in Österreich im Fall Westenthaler nicht funktioniert hat - beim Bereich Fußball-Bundesliga kann ich das eindeutig sagen. Die USA sind das letzte Land der Welt, wo es ein freies Wirtschaftssystem gibt. Zu den Fluchtbewegungen hat der Arabische Frühling geführt, und der wurde nicht durch Bomben ausgelöst.
In Libyen, Syrien oder dem Irak haben die USA mit ihren Kriegshandlungen Chaos herbeigeführt.
Trump sagt: "Wir holen die heißen Kohlen für Europa heraus." Jeder schimpft auf die USA, doch jeder will in die USA.
Wie beurteilen Sie Präsident Trump?
Ich habe ihn kennengelernt - er ist wie er ist. Die Leute haben ihn gewählt und er würde jetzt bei Wahlen eine größere Mehrheit kriegen. Er sagt "America first", so wie es Kurz für Österreich sagt.
Ist das nicht die Aufgabe eines Staatsmannes?
Ja. Tausende amerikanische Firmen sind nach Asien abgewandert. Trump sagt: "Wenn ihr die Fabriken bei uns schließt und eure Waren aus dem Ausland zollfrei hereinschickt, dann erlaube ich das nicht."
Wo drückt bei uns wirtschaftlich der Schuh?
Die Bürokratie ist gestiegen, und die Bürokraten wollen nicht aufgeben, was sie haben. Vor 40 Jahren, als die ersten Computer aufkamen, wurde gesagt, dass man dadurch ganze Stockwerke mit Bürokräften schließen kann. Jetzt gibt es 50 Mal mehr Büros als damals. Die Bürokratie erstickt die Menschheit. Alleine das Steuerrecht ist ein einziges Wirrwarr. Die Politiker sollen Gesetze reduzieren. So wie Arbeiter die Regeln im Betrieb verstehen müssen, müsste jeder die Steuerregeln verstehen. Jetzt verstehen nicht einmal die Steuerberater die Steuergesetze.
Bei Ihrer Buchvorstellung sagten Sie, dass jeder Jugendliche manuell arbeiten sollte. Warum?
Ich habe viel auf Unis unterrichtet und gesehen, dass viele Studenten nicht einmal einen Nagel in Holz einschlagen können. Junge Leute zwischen 16 und 18 Jahren sollten Landwirtschaft, Bäcker, Zimmermann oder einen anderen handwerklichen Beruf erlernen. Die besten Leute in meinem Betrieb haben zuerst gearbeitet und dann mit dem selber ersparten Geld studiert. Jeder junge Mensch soll die Möglichkeit haben, zu experimentieren. Er soll Lebensmittel anbauen. Natürliche Lebensmittel sind die Zukunft.
Auch ist einer Ihrer Kernsätze, dass besonders die Erfolgreichen der Gesellschaft etwas zurückgeben müssen.
Der Erfolg im Leben kann daran gemessen werden, wie glücklich man ist. Und es ist leichter glücklich zu sein, wenn man etwas Geld hat. Ich sagte zu den Studenten immer, sie sollen einen Beruf anstreben, den sie gerne machen, weil wenn man etwas gerne macht, wird man gut und mit entsprechendem Einsatz kann man auf seinem Gebiet der oder die Beste werden. Auch sagte ich ihnen: "Ihr habt das Recht, Wissen zu eurem Nutzen zu verwenden, aber ein Teil davon muss an die Gesellschaft zurückfließen." Das ist das Um und Auf. Dazu passt der Spruch: "Konzentriere dich auf die Gegenwart, um zu überleben, aber lasse die Tür zur Zukunft offen, folge deinen Träumen und sei geführt von deinem Gewissen."
Sie betonen auch sehr, dass die Gesetze des Universums und der Natur über allem stehen.
Die Gesetze des Universums sind stärker als alle menschlichen Gesetze. Wenn wir uns nicht ändern, das hat Stephen Hawking gesagt, wird es die Menschheit in 100 Jahren nicht mehr geben. Die Natur hat dem Menschen ein unglaubliches Wissen gegeben, so viel, dass er sich selbst zerstören kann - mit Giften und Waffen. Die oberste Priorität muss sein, einen Atomkrieg zu verhindern. Daher sollte es jedes Monat ein Treffen zwischen den Staatschefs in Washington, Moskau und Peking geben, damit die drei wichtigsten Atommächte in Frieden miteinander leben.
Wenn man auf Ihr Geburtsdatum schaut, glaubt man es kaum, aber Sie sind bereits 85. Gibt es ein Geheimnis Ihrer Jugendlichkeit?
(lacht). Jung denken, aufpassen beim Essen, sportlich sein und allen Problemen aus dem Weg gehen.