Für den freiheitlichen Spitzenkandidaten Harald Vilimsky ist das die Quintessenz seines Wahlprogramms, denn als einzige unter den antretenden großen österreichischen Parteien, hat die FPÖ eine EU-kritische Haltung - ähnlich wie die Hälfte aller Österreicher. Mit welchen Themen die FPÖ dieses Wählerpotenzial für sich nützen will, was die Brexit-Verschiebung bedeutet, und was die wichtigsten Themen für die nächsten Monate sind, beantwortet Vilimsky im alles-roger?-Interview.
Interview: Regina Zeppelzauer
Der Brexit wurde wieder verschoben, auf Oktober 2019. Was bedeutet das für die EU-Wahl?
Das bedeutet wohl, dass die Briten mit hoher Wahrscheinlichkeit an der EU-Wahl teilnehmen müssen. Die einzige Möglichkeit, dass das nicht passiert, ist, dass die Briten bis spätestens 22. Mai (in Großbritannien würde am 23. Mai gewählt werden) einen Abschluss zustande bringen.
Nach den Erfahrungen der vergangenen Monate glauben das wohl nur noch echte Optimisten.
Damit stehen wir vor einem völlig absurden Szenario: Die Briten würden ein Parlament mitwählen, das für sie ab dem Austrittszeitpunkt keine Relevanz mehr hat. Britische EU-Abgeordnete würden über die Kommission abstimmen, die üblicherweise im Sommer bestellt wird, obwohl diese Kommission nach Austritt ebenfalls keine Relevanz mehr für sie hat. Jene Länder, die aufgrund der durch den Brexit bedingten Umstrukturierung des EU-Parlaments zusätzliche Sitze zugesprochen bekommen haben - darunter auch Österreich - müssten Abgeordnete auf Abruf wählen, die erst dann nachrücken könnten, wenn das Vereinigte Königreich ausscheidet. Kein Mensch weiß derzeit, wann das wirklich der Fall sein wird.
Zuerst 29. März, dann Verschiebung auf 12. April, jetzt Verschiebung auf 31. Oktober. Inzwischen gibt es längst Stimmen, die eine neuerliche Verschiebung nach Oktober für möglich halten. Das ganze wird zum absurden Schauspiel.
Im Falle der Teilnahme der Briten an der EU-Wahl - inwieweit sehen Sie die Gefahr, dass Großbritannien Entscheidungen der EU in den nächsten Monaten blockieren wird können?
Das halte ich persönlich für wenig wahrscheinlich. Was hätten die Briten davon? Das Problem, dass bisher keine Einigung zustande gekommen ist, hat ja weniger mit dem Verhandlungsergebnis mit der EU zu tun, als vielmehr mit der innerbritischen Zerrissenheit. Somit sehe ich eigentlich auch nicht wirklich ein "Erpressungspotenzial" per Blockade.
Glauben Sie, dass die Brexit-Verschiebung beim EU-Sondergipfel bewusst getroffen wurde, um doch eine Mehrheit der Konservativen und Sozialdemokraten bei der EU-Wahl "herbeizuführen"?
Nein, das lässt sich meiner Ansicht nach aus den vorliegenden Umfragen nicht herauslesen. Tatsächlich wäre es so, dass die EU-Reformkräfte dann sogar stärker wären, sich allerdings vermutlich nicht alle sofort unter einem Dach sammeln würden. Aber auch das ja alles nur solange, bis sich durch den Austritt der Briten dann auch die Parlamentszusammensetzung wieder ändert. Aber in dem derzeitigen Chaos sind Wahlprognosen wohl eher schwierig geworden.
Wird der Brexit überhaupt stattfinden?
Meine Einschätzung? 50 zu 50. Es gibt Kräfte, die den Brexit unbedingt verhindern wollen. Dazu setzen sie auf einen möglichst großen Zeitgewinn durch lange Verschiebung, wodurch dann ein zweites Referendum im Vereinigten Königreich wahrscheinlicher wird - zuletzt etwa von EVP-Chef Weber gefordert. Und da wiederum hoffen diese Kräfte auf ein anderes Ergebnis. Das alles gab´s ja schon einmal recht ähnlich im Falle Irlands. Und sollte das alles tatsächlich so passieren, wird man dann sicher 1.000 Gründe finden, warum eine zweite Abstimmung Ok war, aber eine dritte Abstimmung sicher nicht geht.
Welche Rolle spielt Österreich in der EU?
Ich glaube insgesamt betrachtet genau jene, die einem Land unserer Größe angemessen ist. Wir sind ein knapp Neun-Millionen-Einwohner-Land in einer Gemeinschaft von rund 510 Millionen Bürgern - oder 440 Millionen, wenn man die Briten abzieht.
Was sind für Sie die wichtigsten europäischen Themen, die größten Herausforderungen der nächsten Monate?
Die nächsten Monate bringen zunächst einmal die EU-Wahl und die Fortsetzung des Brexit-Chaos. Aber dahinter bleiben natürlich vor allem zwei Kernthemen: Erstens die Sicherung der EU-Außengrenzen und der Kampf gegen die anhaltende illegale Migration und, zweitens, die Auseinandersetzung über die Weiterentwicklung der Union: noch mehr Zentralismus oder Reformkurs?
Wie nützen Sie die intensiven letzten Wochen vor der EU-Wahl, um die Wähler zu überzeugen, Sie zu wählen?
Viele Auftritte und persönliche Kontakte; eine diesmal überwältigende Zahl an TV-Terminen in allen Varianten; natürlich die eigentliche Wahlkampagne, die wir am 26. April starten werden. Letztendlich läuft es auf die Frage hinaus: Will die Wählerin oder der Wähler eine Partei stärken, die Brüssel mehr Macht gibt und die Souveränität Österreichs weiter beschränkt? Dafür gibt es ein breites und in den Kernfragen recht uniformes Angebot aus SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS. Oder will man mehr Österreich und weniger EU? Dafür gibt es nur die FPÖ.