Im Mai jährt sich der Todestag des Aktionskünstlers Otto Mühl zum fünften Mal. Mit dem Ausleben einer gesellschaftlichen, sozialistischen Utopie in der Kommune am Friedrichshof stürzte er viele Menschen ins Unglück.
Text: Helmut Neuhold
M ühli-Kids" nannten wir die Jugendlichen, die in den 90er-Jahren oft zu uns in die Studenten-Wohngemeinschaft kamen, um ihren Freund L. zu besuchen. Wir hatten L. erlaubt, bei uns zu wohnen, nachdem seine Eltern uns mit Essenseinladungen und burgendländischem Wein überredet hatten, ihn als Mitbewohner zu akzeptieren. Bald kamen seine Freunde, die sich wie er völlig abschotteten. Echte Kommunikation war mit ihnen unmöglich. Langsam fand ich heraus, dass sie aus der Mühl-Kommune kamen. Sie hatten ein schlimmes Schicksal hinter sich, dessen Eckpfeiler vielfacher sexueller Missbrauch, Erniedrigung, Freiheitsberaubung, Gehirnwäsche und "Disziplinierungen" waren.
Ort des Geschehens: Der Friedrichshof in der burgenländischen Gemeinde Zurndorf. Der Haupttäter: Otto Mühl (1925-2013), "Künstler" des Wiener Aktionismus, bewundert und gefördert durch alles, was bei den Linken Rang und Namen hatte, Liebkind der 68er und der Kulturschickeria.
Kiffen, Kommunismus, "Kunst"
Ende der 1960er-Jahre war es schick, möglichst links zu sein. Die 68er probten den Aufstand gegen das "Establishment". Vollgekifft und mit kommunistischer Phraseologie wurden "revolutionäre" Formen von Kunst und Sexualität propagiert. Aktionistische "Künstler" schissen aufs Uni-Podium und befleißigten sich einer "Kunst", die anal-fäkal, blutig und sexüberladen daherkam. Einer dieser Protagonisten war Otto Mühl, der eigentlich mit über 40 schon zu alt für pubertäre Rebellionen war. Wer sich ein Bild von der "Kunst" der Wiener Gruppe machen möchte, der sollte das Nitsch-Museum in Mistelbach besuchen. Ein Beispiel, das für viele steht, war 1969 eine Aktion an der Kunsthochschule Braunschweig, von der linke "Fortschrittliche" heute noch schwärmen: In einem Bett wurde ein junges Schwein mit einer Axt zu Tode gehackt und dann unter dem Klang von Weihnachtsliedern Blut, Urin und Kot des Tieres auf eine nackte Frau geschüttet.
Freie Sexualität - Kinder ohne Väter
Mühl gründete trendig Anfang der 70er eine Kommune in der Wiener Praterstraße. Nebst "revolutionären" Betätigungen ging es den zumeist aus gutbürgerlichem Haus stammenden Mitgliedern vor allem um die "freie Sexualität". Diese wurde als revolutionärer Akt gesehen und verband die Gruppe. Die meisten Kinder, die gezeugt wurden, wussten später nicht, wer ihr Vater war. Mühl tat sein Bestes, um seinen Samen an möglichst viele Frauen zu verteilen. Er fand viele Fans in der Wiener Kunst- und Anarchoszene. Der Aktionismus, verbunden mit psychoanalytischen Mäntelchen, die sich Mühl und seine Leute umhängten, schien wie die obligaten Latzhosen und der Kurzhaarschnitt voll zeitgeistig. Im Herbst 1972 kaufte die Kommune den Friedrichshof, in den sie einzog. Rasch setzte ein massiver Zuzug dekadenter bürgerlicher Selbstverwirklicher ein.
Mühl als Diktator
Ab 1973 galt ein strenges Zweierbeziehungsverbot, knapp nachdem Mühl seine Freundin verloren hatte. Der psychoanalytische Anstrich wurde zur "Selbstdarstellung", bei der nackter Exhibitionismus angesagt war. Während sich der Gruppendruck mit einer Art Gehirnwäsche steigerte, stand Mühl wie ein böser Geist über allem. Am Friedrichshof konnte er sich voll entfalten. Neben sexueller Kollektivierung gab es eine strenge Hierarchie, die laufend neu bestimmt wurde. Grundlage für die Stellung in der Gruppe bildete neben sozialen Kompetenzen die sexuelle Attraktivität. Wer "besonders gut im Bett" war, erhielt eine bevorzugte Stellung und stieg in der Hierarchie empor, an deren Spitze immer Otto Mühl stand. Dazu passte, dass Mühl regelmäßig "Fickpläne" aufstellte, an die sich alle zu halten hatten. "Gemeinschaftseigtentum", über das der große Guru alleine verfügen konnte, ersetzte das Privateigentum.
Mindestens elf Mühl-Kinder
Die Kommune erreichte in den 80er-Jahren 600 Mitglieder, wovon die Hälfte am Friedrichshof war. Der Rest verteilte sich auf "Stadtkommunen" in Wien, München, Paris, Berlin, Hamburg, Bremen und anderen Städten. Da Mühl den Friedrichshof selten verließ, sandte er Paladine zur Kontrolle der Stadtkommunen aus. 1986 wurde auf den Kanarischen Inseln ein Anwesen gekauft, als "Erholungszone".
Mühl sah sich ab Mitte der 80er-Jahre als Monarch und wollte seinen Sohn als Thronfolger. Er betonte immer seine genetische Überlegenheit gegenüber anderen Menschen und nahm das Recht in Anspruch, mehrere Frauen zu haben, mit denen er zumindest elf Kinder produzierte. Kritische Kommunarden wurden verfolgt und Mühl forderte, Abweichler gezielt anzugreifen. Ehemalige Führungskader fielen in Ungnade und immer mehr Kommunarden waren dem Druck nicht gewachsen, der keinerlei Selbstbestimmung und Intimität erlaubte. Der Entzug persönlichen Besitzes und die Kollektivierung der Sexualität bedeutete die totale Diktatur Mühls.
Watschen und Entjungferung
Je mehr der "Führer" in den Totalitarismus abdriftete, umso mehr wurde der sexuelle Missbrauch der Kinder zur Norm. Der einstige "Stellvertreter des Führers" und Hofarchitekt Othmar Bauer arbeitete auf Befehl Mühls Pläne für dessen Grabmal aus. Faschistische Totenkult-Architektur klassischer Art. Mühl übte gerne Macht aus - und je älter er wurde, desto manischer und größenwahnsinniger wurde er. Er sagte, dass es vor ihm nur drei große Künstler gab: Mozart, Stalin und Hitler. Er sei der Vierte in der Reihe. Die Kommunarden waren auch körperlicher Gewalt ausgesetzt. Es gab die "Watschenanalyse" (ein Ritual der Demütigung), bei der massiv geohrfeigt wurde.
Nach Fernsehberichten und Artikeln über den Friedrichshof regte sich großer Unmut, aber die Regierung Kreisky schützte das "realsozialistische" Projekt des Genossen Mühl. Die Kommune war das Feindbild konservativer Gruppen. Hatte es zuvor Öffentllichkeitsarbeit durch die Kommune gegeben, so wurde diese 1984 eingestellt. Mühl nahm keine Mitglieder mehr auf und wollte sein "Reich" abschotten. Die linke "Elite" hielt ihm die Stange und so konnte er weiter seinen Abartigkeiten nachgehen. Deren Kernpunkt war die sexuelle "Initiation" junger Mädchen. Deren gab es viele, da laufend Kinder geboren wurden, wobei über die Väter nur spekuliert werden konnte.
Ermittlungen und Verhaftung
Um 1985 lebten mehr als 80 Kinder am Friedrichshof und wurden im "richtigen Geist" erzogen. Man trennte sie von den Müttern, um jede Form der Kleinfamilie zu verhindern. Kinder und Jugendliche erhielten Drogen zwecks besserer Kontrolle. Die Folgen sah man später bei den "Mühli-Kids".
Der "Architekt des Führers", Othmar Bauer, floh schließlich mit seiner Frau vom Friedrichshof. Dadurch gab es eine Entwicklung, die zum Untergang des Projekts führte. Immer mehr "Abtrünnige" waren bereit, gegen Mühl auszusagen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte ab 1988. Mühl ließ die Tagebücher der Kommunarden sammeln und verbrennen. Aus der Asche erstellte er "Aschebilder". Schließlich erfolgte eine Art von "Revolution" am Friedrichshof, als immer mehr Mitglieder die Abschaffung des Gemeinschaftseigentums forderten. Mühl war nicht zu Reformen bereit und wurde mit seinen Paladinen im Herbst 1989 entmachtet. Er lebte weiter am Friedrichshof, wo er 1991 verhaftet wurde.
Gefängnis und Burgtheater
Es kam schließlich zum Prozess gegen Mühl, in dem einige der Kinder und Bauers Frau Florence aussagten. Der große Guru wurde wegen Kindesmissbrauchs und Verstoßes gegen das Suchtgiftgesetz zu sieben Jahren Haft verurteilt. Nach der komfortablen "Verbüßung" der Strafe, während der er 300 Bilder malte, war Mühl wieder da und wurde von der linken Kulturmafia begeistert willkommen geheißen.
Claus Peymann ließ Mühl im Burgtheater auftreten, ehe sich jener nach Faro in Portugal zurückzog. "Künstlerisch" trieb er weiterhin sein Unwesen und produzierte das, was seine linke Klientel für Kunst hielt. Das Museum für angewandte Kunst (MAK) in Wien hofierte den Kinderschänder mit zwei Ausstellungen und das Leopold-Museum zeigte 2010 sein "Spätwerk".
"Killing Fields"
Man muss nicht die Bilder der "Killing Fields" in Kambodscha sehen, um zu wissen, wie linke Utopien enden. Es genügt auch das Nachdenken über den Wahnsinn am Friedrichshof. Ein von sozialistisch-egalitären Idealen geprägtes Projekt eines "fortschrittlichen" Künstlers verwandelte sich in ein totalitäres Regime und eine Sex-Diktatur, unter der die Kinder und Jugendlichen am meisten zu leiden hatten.