Geheimtreffs in Cafés, Sex für 20 Euro in schmuddeligen Wohnungen, Vergewaltigungen und tschetschenisches Faustrecht. Der Straßenstrich ist nicht mehr das, was er einmal war. Regis-trierkassenpflicht und Gewerbescheine haben die Prostitution in die Illegalität getrieben. Ein Lokalaugenschein plus Inside-Recherche.
Text: Roland Hofbauer
Montag, 22 Uhr, Währinger Gürtel. Kaum Autos. Wir wollen wissen, was im Rotlicht so los ist. Erstaunlicherweise auch hier kaum Nachtverkehr. Die paar geöffneten Bordelle sind fast leer, auffallend wenig Mädchen in den Lokalen.
IM PUFF.
Ein älterer Kellner namens Fritz erzählt von den goldenen Zeiten, als es noch richtige Gürtelkönige gab, von Strizzi-Ehre und einer boomenden Branche. Doch die Zeiten vom Roten Heinz, Harry Hauke oder Richard Steiner sind lange vorbei. Der Gürtel wurde langsam erstickt, sagt Fritz. Zuerst war die Führung weg, dann herrschte Anarchie um das entstandene Vakuum, Gewalt und Ostblockgruppen machten sich breit, und mittlerweile gibt es eigentlich nicht mehr viel, was man sich hier aufteilen könnte. Nun sei der Gürtel so gut wie tot, das Geschäft liegt maximal in den letzten Zuckungen.
IM SEXSTUDIO.
Wer genau wissen muss, wie das horizontale Geschäft läuft, ist Erich S., er besitzt mehrere Sex-Studios im 17. Bezirk und ist seit 40 Jahren am Werken: "Das Geschäft ist tot, die Auflagen, die gestellt werden, sind absolut schwachsinnig. Die Mädchen müssen sich selbstständig machen, und es herrscht Registrierkassenpflicht. Wie stellen sich die Politiker das denn vor? Sollen wir den Kunden Rechnungen ausstellen auf denen steht: Naturblasen mit Gesichtsvollendung für 50 Euro? 80 Prozent unserer Kunden sind verheiratet und bestehen auf Diskretion. Auch wollen sich die Mädchen nicht selbstständig machen. Die Gesetzgebung drängt sie aber in den Untergrund, in die Illegalität. Das heißt: keine Gesundenuntersuchung, und das in diesen Zeiten mit immer mehr Ausländern und neuen Krankheiten." Erich erzählt von zwei Vergewaltigungen in seinen Studios, über die die Polizei eine Nachrichtensperre verhängt hat. Der Grund wäre gewesen, dass die Täter Asylanten waren und "kein Hass auf diese Menschen geschürt werden soll - eine mehr als fragliche Politik". Erich erzählt von der neuen illegalen Rotlichtzsene, die es zurzeit in fast allen Bezirken gibt: einschlägige Lokale, wo ganztags Freier aufgerissen werden und danach in geheime Treffs - kleine Wohnungen - abgeschleppt werden. Hier setzen wir an.
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IM GEHEIMTREFF.
Wir bekommen einen Tipp: In der Sechshauserstraße gibt es ein Kontaktcafé. Dort würden jetzt die Huren anschaffen, tagsüber, illegal und ohne irgendwelche Gesundheitskontrollen. Nur eine Minute nach dem Betreten des Lokals setzt sich eine junge Dame zu uns, nicht sonderlich hübsch, aber mit prallem Ausschnitt. Das Mädchen nennt sich Monique, behauptet, sie wäre 20, was sichtlich erfunden ist. Sie kommt aus Rumänien, wie fast alle Damen in diesem Café. Für Sex, so ziemlich egal was, verlangt die Dame 20 Euro, ein Wienerschnitzerl beim Plachutta kostet mehr. Wir geben Monique 100 Euro und wollen lediglich ein paar Infos. Sie erzählt ein wenig vom Geschäft, dass die Freier immer widerlicher werden und für immer weniger Geld ziemlich grausliche Sachen verlangen. Früher, so vor fünf Jahren, hat sie um die 100 Euro für Sex verlangt und in einem ganz normalen Bordell angeschafft. Da war die Welt noch in Ordnung. Die Frage, wie sich das mit nur 20 Jahren ausgehen soll, stellen wir nicht. Alles ist so kompliziert geworden, sagt sie. Auch hat sie jetzt wieder einen Zuhälter, oder wie sie ihn nennt, einen Manager. Wenn jetzt zu wenig Geld hereinkommt, gibt es auch wieder ein paar Ohrfeigen, es ist aber schwierig, bei 20 Euro pro Freier auf 300 Euro am Tag zu kommen. Danach begleiten wir Monique in das kleine Studio. Hier gibt es drei Zimmer, keine Dusche, nur ein Waschbecken. Um die Hygiene müssen sich die Damen selber kümmern, sauber sieht hier gar nichts aus. Die Leintücher müssen die Mädchen zuhause selber waschen, und so wie die aussehen, passiert das nicht allzu oft. Nach dieser ganz eigenen Führung verabschieden wir uns. Hier wird man nicht erregt, hier gewöhnt man sich den Sex ab.
IN DER PEEPSHOW.
Danach treffen wir uns mit einem alten Haudegen der Szene, mit dem Clubbesitzer Wolfgang Bernet. Er ist Chef der Carisma-Peepshow in der Burggasse. Hier hat der Fortschritt lange Einzug gehalten, es ist richtig was los. An die 20 Mädels, und der Gast kann entscheiden, ob er nur zuschauen oder auch etwas mehr haben möchte. Mit einer Handvoll Münzen kann man einer gewünschten Dame beim Strippen zuschauen, sich aber eben auch auf mehr einigen. Dann wird die gläserne Trennwand geöffnet, und los geht's. Wolfgang Bernet ist seit Jahrzehnten im Geschäft, er hat schon viele kommen und gehen gesehen, er weiß, wie die Hasen laufen. Er erzählt von Türken, Russen oder auch Tschetschenen, die sich den Gürtel teilen, oder besser das, was von ihm übrig ist: "Das Sterben des Gürtels begann mit der Verbannung des Straßenstrichs. Das war ein großer Fehler. Das hat immer zu Wien gehört, und plötzlich war es ein Problem, aber durch das Verbot ist der Gürtel sicher nicht nobler oder besser geworden, im Gegenteil. Früher haben Leute wie Steiner oder der Rote Heinzi vieles geregelt und darauf geschaut, dass es friedlich ist. Nun herrscht Anarchie, und viele unnötige Gruppierungen machen sich breit. Auch haben die Alteingesessenen vergessen, mit der Zeit zu gehen, man muss immer am Ball bleiben, das wurde versäumt. Aber die neuen Regelungen sind nicht die besten. Registrierkassenpflicht ist in unserer Branche Schwachsinn." Auch von Schutzgeld ist die Rede, doch das betrifft Beret nicht. Das wurde in den vergangenen zehn Jahren nur ein Mal probiert. Die Konsequenzen waren keine schmerzfreien. In früheren Jahren hat sich Bernet einen harten Ruf erarbeitet, deshalb lassen ihn solche Leute grundsätzlich in Frieden.
IM PORNOKINO.
Zum Abschluss enden wir wieder am Währinger Gürtel und besuchen ein altes Pornokino. Betreiber Alex kann und will nicht viel zum Gürtelgeschehen sagen. Nur soviel: "Früher war hier noch was los, aber es wird ja immer mehr und immer intensiver vorgeschrieben, wie man sein Leben zu leben hat. Nur mehr Gebote, Verbote und Regeln. Aber alles was verboten wird, wird trotzdem praktiziert. Sei es Drogen, Glücksspiel, Sex oder was auch immer. Allein im letzten Monat haben wir drei Razzien gehabt, ob hier auch keine Nutten im Kino arbeiten. Da wird das Licht aufgedreht, die eh schon wenigen Besucher werden bloßgestellt und kontrolliert. Es ist zum Speiben." Bei nur mehr zehn Besuchern am Tag klingt das schon ein wenig nach Schikane, aber was soll die Polizei tun, irgendjemanden müssen sie ja kontrollieren. Durch die Verschiebung der Prostitution in den Untergrund wird das immer schwieriger, fast unmöglich. Dem ältesten Gewerbe der Welt ist das ziemlich egal. Draußen auf der Straße fährt ein schwarzer Audi vorbei. Er hält an einer Ecke, eine Dame mit roten Stiefeln und sehr kurzem Rock steigt ein. Viel Platz für eine Registrierkasse ist da nicht mehr. Kurz flackert das rote Bremslicht auf. Dann fährt der Audi los.