Angriff der Roboter

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Von Menschen konstruiert, um Menschen zu unterstützen, ersetzen Roboter ihre Schöpfer nach und nach. In allen Lebensbereichen. Aber vor allem in der Berufswelt. Entwickelt, erforscht und gebaut werden sie auch in Österreich.

Text: Helmut Berger

Es blitzt. Es zischt. Es raucht. Und aus einem schwarzen Loch in der Luft tritt ein Mann heraus. Hallo, sagt er und schaut sich um, ich komme aus dem Jahr 2050. Und dann berichtet er von einer Welt, die vom technologischen Fortschritt geprägt ist. Und in der Mensch und Maschine Seite an Seite leben. Er erzählt von Robotern, die im Laufe der Jahre immer mehr Funktionen bekommen und dadurch immer mehr Aufgaben und Jobs übernommen haben. Nicht nur in der Textilindustrie. In etwas mehr als 30 Jahren arbeiten sie auch in der Bank oder bei der Post. Sie erledigen Bürotätigkeiten, retten Leben in Katastrophengebieten und pflegen ältere Menschen. Sie können Häuser bauen und servieren das Essen in Restaurants. Manche führen sogar Beziehungen mit Robotern. Die Zukunft gehört den Maschinen, sagt der Zeitreisende.

Job zu vergeben, Roboter gesucht
47 Prozent der heutigen Berufe in den USA fallen bis zum Jahr 2050 für den Menschen weg, weil sie mit der Zeit von Robotern, Maschinen und Algorithmen übernommen werden. Das haben Carl Benedikt Frey und Michael Osborne von der Universität Oxford berechnet. Mit deren System haben Ökonomen der deutschen Bank Ing-Diba die Zahlen für Europa ermittelt. 30,9 Millionen Beschäftigte haben sie berücksichtigt, 18 Millionen sollen in den kommenden Jahrzehnten ersetzt werden. Besonders düster sind die Prognosen für Asien. In Vietnam und Kambodscha könnten 90 Prozent aller Arbeiter in der Textilindustrie ihren Job verlieren, heißt es in einer Studie der Internationalen Arbeitsorganisation. Und der World Development Report der Weltbank zeigt: In Thailand und Indien könnten technisch gesehen schon jetzt rund 70 Prozent aller aktuellen Arbeitsplätze von Robotern besetzt werden, in Äthiopien sind es 85 Prozent. Ein aktuelles Beispiel zeigt, warum das so ist. Aufgrund der steigenden Löhne in Asien, weil man schneller auf regionale Bedürfnisse reagieren kann, weil die Marke dadurch aufgewertet wird und allen voran wegen des technologischen Fortschritts produziert Adidas künftig wieder in Deutschland. In Ansbach entsteht auf 4.600 Quadratmetern die sogenannte Speedfactory, die weitgehend ohne Menschen auskommen soll. Roboter werden die Schuhe herstellen. Und zwar viel schneller und natürlich auch günstiger als bisher. Das ist die Industrie 4.0. Das ist die Zukunft.
"Industrialisierung wird künftig deutlich weniger Arbeitsplätze entstehen lassen", heißt es in einer Studie der Citi-Bank und der Universität Oxford. "Die Schwellenländer müssen sich ein neues Wachstumsmodell überlegen." Einig sind sich die Ökonomen, dass man vor allem in diesen Schwellenländern den Bildungsstandard und so die Qualifikation der Mitarbeiter heben muss. Wichtig wird das aber auch für den Westen. "Wir können langfristig nur profitieren, wenn wir hier produzieren und nicht nach China auslagern", erklärt Markus Vincze vom Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik (ACIN) der TU Wien. Man komme nur mit automatisierten Prozessen gegen billige asiatische Arbeitskräfte an. In Zukunft sei es wichtig, kreativ und vernetzt denken zu können.

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Nachwuchs mit Erfindergeist
Aber nur keine Panik, sagt der Zeitreisende. Den technologischen Fortschritt kann und soll man nicht aufhalten. Man müsse aber die Weichen richtig stellen. Denn es werden neue Jobs entstehen. Es wird gebildete Menschen, Vordenker und Querdenker brauchen, die Roboter, Soft- und Hardware entwickeln, erforschen, betreuen und warten können. Österreich, behauptet der Zeitreisende, ist schon jetzt ganz gut gerüstet für die Zukunft. Und Recht hat er. Eine Gruppe von Schülern der HTL Wien 10 hat zum Beispiel einen Wurmroboter gebaut, den Wettbewerb Jugend Innovativ gewonnen und eine Einladung zur Erfindermesse INTEL ISEF 2017 in Los Angeles erhalten. "Das Project Worm ist ein Roboter mit den Fähigkeiten eines Regenwurms und wurde für den Einsatz in Katastrophengebieten entwickelt", sagt Projektleiter Dipl.-Ing. Dr. Alexander Kratky.
Erfinderisch sind auch die Schüler der HTL Wiener Neustadt, wo man schon seit Jahren den Freigegenstand Robotik belegen kann. Heuer ist ihnen eine Sensation gelungen. Beim Botball, einem weltweiten Robotik-Wettbewerb unter der Schirmherrschaft der NASA, geht es darum, mit vorab definierten Teilen Roboter zu bauen und bestimmte Wettbewerbsaufgaben zu erfüllen. Bei der Weltmeisterschaft in Florida hat ein Team der HTL als erstes Nicht-US-Team in der Botball-Geschichte den Gesamttitel geholt. Das andere erreichte Platz vier. Mitgemacht haben insgesamt 250 Teilnehmer aus sieben Nationen. "Es ist uns ein großes Anliegen, Kinder und Jugendliche für Technik und Forschung zu begeistern, denn damit legen wir die Basis für den wirtschaftlichen Erfolg und die Lebensqualität von morgen. Gerade für Wirtschaft 4.0 ist es wichtig, dass wir gut ausgebildete junge Menschen haben, die sich schon früh mit Themen wie Robotik, Vernetzung und Steuerungsprozessen auseinander setzen. Denn in diesen Bereichen wird es künftig viele neue Berufsfelder geben", erklärt Wirtschaftslandesrätin Dr. Petra Bohuslav.

Roboter mit Hausverstand
Auch die Universitäten Österreichs leisten hervorragende Arbeit, sagt der Zeitreisende. An der TU Graz zum Beispiel, da arbeitet man gemeinsam mit Amazon daran, Lieferdrohnen das Sehen zu lehren. Die sollen dann auch in Österreich getestet werden. Und Gerald Steinbauer, Leiter der Arbeitsgruppe für intelligente, autonome Systeme am Institut für Softwaretechnologie verleiht den Robotern Hausverstand. "Heute hat man, zum Beispiel in Fertigungsstraßen, direkt mit Robotern zu tun. Dadurch gibt es eine potenzielle Gefahr, dass irgendetwas passiert. Ein zuverlässiges autonomes System stellt sicher, dass nichts passiert, das den Menschen oder die Umwelt gefährdet", erklärt Steinbauer. Die Herausforderung liegt darin, die Roboter auf unvorhergesehene Situationen vorzubereiten.
"Das Grundproblem ist, dass ein Roboter keinen Hausverstand hat. Wir haben ein Grundwissen, Robotern fehlt das, und das müssen wir ihnen mitgeben." Sonst erkennen die Maschinen etwa bestimmte Objekte nicht oder finden sich nicht zurecht, wenn jemand ihre Umgebung verändert. "Die Welt ist sehr komplex. Ich kann den Roboter nicht für jede Situation programmieren und ihm alles vorgeben", sagt Steinbauer. Deshalb entwickelt man Programme, die aus Beobachtungen und dem Wissen, das sie gespeichert haben, eigene Schlüsse ziehen und sich so eigenständig weiterentwickeln. Maschinelles Lernen nennt man das. So kann sich ein Roboter bestimmte Fähigkeiten aneignen und erweitern. "Wenn er etwas greifen will, muss ich das nicht programmieren, sondern der Roboter kann das lernen. Das funktioniert gut für Fähigkeiten, aber nicht so gut für Wissen", erklärt Steinbauer. Und so kommt der Roboter auch mit unvorhergesehenen Problemen in der komplexen Welt klar. Trotzdem: "Auf die Haushaltshilfe, einen Dienstroboter, der kocht und putzt, werden wir noch etwas warten müssen. Da sind die Probleme noch zu komplex."

Vertrauter Umgang mit Maschinen
So sieht das auch Markus Vincze von der TU Wien: "Bis es den Roboter-Butler gibt, der die Küche aufräumt, vergehen vielleicht noch fünfzehn Jahre. Aber schon viel früher werden kleine, nützliche Helfer in unserem Alltag auftauchen." Auch in Wien beschäftigt man sich unter anderem damit, Robotern das Sehen beizubringen. Außerdem untersucht man, wie Mensch und Maschine am besten zusammenarbeiten können. Denn wenn zum Beispiel ein Hindernis im Weg ist oder der Roboter umkippt, ist er auf menschliche Hilfe angewiesen. Die Soziologin Astrid Weiss sagt, es sei wichtig, dass der Roboter "seinen Systemstatus klar und verständlich kommuniziert, dann akzeptieren wir auch Fehler".
Mit dem am Institut entwickelten Hilfsroboter Hobbit führten Weiss und ihr Team mehrere Experimente durch. Die Probanden mussten mithilfe des Roboters bestimmte Aufgaben lösen. Im Nebenzimmer hat aber jemand immer wieder die Kontrolle über Hobbit übernommen und gezielt Fehler produziert. Die Teilnehmer wussten das natürlich nicht. Einmal steckte der Roboter fest, dann verlor er wieder die Orientierung. Österreicher und Amerikaner halfen gerne, Japaner nicht. "In Japan wird eher der Standpunkt vertreten, dass eine Maschine einwandfrei funktionieren soll - und wenn nicht, dann erwartet man, dass eine Fachkraft die Sache in Ordnung bringt", erklärt die Soziologin.
Hobbit ist übrigens ein Pflegeroboter. Stürzt eine ältere Person, spricht er sie an, fragt, ob alles okay ist und schlägt Alarm, wenn er keine Rückmeldung bekommt. Außerdem kann Hobbit unter anderem am Boden liegende Gegenstände wegräumen und Dinge holen, die er kennt. Ab und zu erzählt er auch einen Witz. Bei Tests waren ältere Menschen jedenfalls begeistert von Hobbit. Und ein bisschen traurig, als die Wissenschaftler den Roboter wieder abgeholt haben.
Das ist in Zukunft ganz normal, erklärt der Zeitreisende. Menschen bauen Beziehungen zu Maschinen auf. Roboter werden schon nicht die Weltherrschaft übernehmen. Aber sie werden das Leben grundlegend verändern. Sie werden einfache Jobs übernehmen, dafür aber qualifizierte Menschen brauchen. Sie werden den Alltag erleichtern und vor allem in Katastrophengebieten viel Gutes tun. Angst muss man keine haben, sagt der Zeitreisende. Dann blitzt, zischt und raucht es. Und weg ist er. Verschwunden in eine Zukunft, die man sich heute noch gar nicht vorstellen kann.

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