Dieser Mann hat schon so ziemlich jede Rolle gespielt. Egal ob Killer, Macho, Junkie oder den Leibhaftigen. Und immer hat er mehr als überzeugt. Harvey Keitel zählt zweifellos zu Hollywoods besten Charakterdarstellern. alles roger? durfte mit dem Haudegen über Drogen, Robert De Niro und fehlende Anerkennung sprechen.
Interview: Roland Hofbauer
Ich möchte mich vor dem Interview gleich als großer Fan von Ihnen outen und meinen Respekt aussprechen.
Harvey Keitel: Vielen Dank, so beginnt ein Interview doch gleich mit einem erfreulichen Einstieg. Wenn Komplimente ernst gemeint sind, dann freue ich mich sehr darüber, gerade in der Branche der Journalisten gibt es unendlich viele Schleimer und Kotzbrocken. Ich hoffe, Sie gehören da nicht dazu, aber das lässt sich ja leicht feststellen. Zählen Sie mir doch fünf Filme auf in denen ich mitspiele, es muss auch keine Hauptrolle sein.
Überhaupt kein Problem: Taxi Driver, Hexenkessel, Bad Lieu-tenant, Bugsy, Reservoir Dogs, Thelma und Louise, Die Wiege der Sonne, Copland, Little Nicky. Ich kann Ihnen sicher noch zehn weitere Filme aufzählen, aber ich hoffe, das genügt als Beweis?
Ja ja, alles gut. Ich finde auch sehr lustig, dass Sie Little Nicky aufgezählt haben, erklären Sie mir doch, warum?
Ich finde den Film einfach genial, egal was die Kritiker dazu sagen. Auch die Besetzung war ein Hit, und ich habe Tränen gelacht. Mögen Sie den Streifen etwa nicht?
Doch, im Gegenteil ich liebe ihn. Es kommt nämlich sehr selten vor, dass ich meine lustige Seite unter Beweis stellen kann, und es zählt zu meinen persönlich Highlights, dass ich als Teufel Adolf Hitler jeden Tag eine riesige Ananas in seinen Arsch stecken durfte. Ich stehe ja normalerweise eher auf die feine Klinge des Humors, aber manchmal ist die Brachialabteilung auch wirklich lustig. Meistens werde ich ja für ernste und dramatische Rollen gebucht, als Priester, Killer oder korrupter Polizist oder zumindest eine Kombination aus diesen Paraderollen. Daher nenne ich Little Nicky auch immer als einen meiner Lieblingsfilme, egal, was die Kritikerelite davon hält.
Sie haben ja schon mit Kapazundern wie Robert De Niro, Martin Scorsese und Quentin Tarantino gearbeitet. Was kann man über Dreharbeiten mit solchen Legenden erzählen?
Wo soll ich da nur beginnen. Ich denke, Sie wollen natürlich schlimme Sachen und kleine Skandale von mir hören. Als ich mit De Niro 1973 Hexenkessel gedreht habe, war das die Zeit der freien Liebe und der Drogenexperimente. Es gibt nur wenig, was wir in dieser Ära ausgelassen
haben. Teilweise haben wir die Texte vergessen und einfach improvisiert und die Dialoge frei erfunden. Martin Scorsese hat es trotzdem geliebt, mit uns zu arbeiten, er wusste immer, was in uns steckt. Es gab auch Schauspielkollegen, mit denen ich gemeinsam Frauen vernascht habe, aber das ist so lange her, da weiß ich beim besten Willen nicht mehr, wer das war. (lacht)
Mit Martin Scorsese verbindet Sie eine enge Freundschaft, woher kennen Sie beide sich?
Ich habe schon in seiner Abschlussarbeit als Regie-Student mitgewirkt, und seit damals sind wir eng befreundet. Ich habe unzählige Filme mit ihm gedreht und verehre ihn als Mensch und bewundere seine Arbeit. Er spielt als Regisseur in einer ganz eigenen Liga, da können nur wenige Kollegen mithalten. Jede Szene, jeder Kameraschwenk, jeder Gesichtsausdruck und jede kleine Geste wird von ihm schon im Vorfeld geistig durchgespielt, er hat von jeder Szene ganz genaue Vorstellungen und setzt sie auch so um. Er ist ein Genie, genauso wie mein Freund Quentin Tarantino. Auch mit ihm zu arbeiten ist zwar hart, aber unglaublich intensiv und perfekt.
Obwohl Ihr Schauspiel als eines der besten in Hollywood gilt, haben Sie bis dato noch keine großen Preise gewonnen. Was glauben Sie, woran das liegt?
Wahrscheinlich weil die Leute, die dafür verantwortlich sind, nur alte Säcke mit wenig Ahnung von der Materie sind. Oder weil ich einfach nicht ins Konzept passe. Ich war allerdings schon einmal für den Oscar nominiert, nämlich als bester Nebendarsteller in Bugsy. Auch habe ich zahlreiche Preise bei Filmfestivals oder Independent Awards abgeräumt. Aber Preise bedeuten nicht so viel, der einzige Preis, über den ich gerne erzähle, ist meine Nominierung für die Goldene Himbeere als schlechtester Nebendarsteller in Die letzte Versuchung Christi. Da habe ich mich auch geärgert, Sie nicht bekommen zu haben, denn die Juroren hatten recht: ich war echt Scheiße in dem Film.
Sie spielen zwar immer wieder Nebenrollen in echten Blockbustern, aber die prägendsten
Hauptrollen haben Sie meistens in Independent-Filmen wie Bad Lieutenant, Smoke oder Reservoir Dogs.
In diesen Produktionen kannst du dein ganzes Können zeigen, deine inneren Dämonen freisetzen und ganz in deiner Rolle aufgehen. Du kannst improvisieren, deine Schwächen und deinen persönlichen Wahnsinn ausleben und jedem gespielten Charakter deine persönliche Note einbrennen. Das ist der Grund, warum ich Schauspieler bin, ich will und muss meinem Wahnsinn ab und zu freien Lauf lassen. Damit ich nicht wirklich verrückt werde. Und ich weiß: Ich habe einige Kollegen, die genauso empfinden. Nur so kannst du ein richtig guter Schauspieler sein.
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