Jahrhunderte lang war Politik Männersache. Schaut man sich aber die heutige Spitzenpolitik an, dann haben zwei starke Frauen das Sagen in Europa - Angela Merkel und Theresa May. Sind sie die Ausnahme, oder haben Frauen mittlerweile die gleichen Chancen wie Männer zur Übernahme politischer Führungspositionen? alles roger? beleuchtete die Situation in der heimischen Spitzenpolitik und sprach mit zwei der mächtigsten Politikerinnen Österreichs.
Text und Interviews: Regina Zeppelzauer
Schaut man alleine auf die Zahlen, sind Frauen in Österreich in der Politik noch immer unterrepräsentiert. Von den 183 Abgeordneten im Nationalrat sind derzeit 68 weiblich. Das entspricht 37,16 Prozent und ist insofern überraschend, wo doch mehr Frauen als Männer in Österreich wahlberechtigt sind, nämlich 51,67 Prozent. Ein Wahlrecht, das hart erkämpft wurde von Frauen, die vor 100 Jahren massiv für Gleichberechtigung und politische Rechte ihrer Geschlechtsgenossinnen eingetreten sind.
Vorwiegend waren das Frauen aus sozialdemokratischen Lagern, trotzdem dauerte es bis 2018, bis mit Joy Pamela Rendi-Wagner erstmals eine Frau die Spitze der österreichischen Sozialdemokratie erklimmen konnte - von den roten Genossinnen mit Standing Ovations gefeiert, als wäre gerade das achte Weltwunder passiert. Die SPÖ-Frauen hätten sich besser die Frage stellen sollen, warum erst 130 Jahre ins Land ziehen mussten, bis endlich eine Frau zur Parteivorsitzenden gekürt wurde.
FPÖ - Vorreiter bei Frauenpolitik
Stattdessen wirft man da lieber dem politischen Gegner ein rückschrittliches Frauenbild vor. Dabei war es die FPÖ, die bereits vor beinahe 20 Jahren mit Susanne Riess (damals noch Riess-Passer, Anm. d.Red.) von 2000 bis 2002 und Ursula Haubner von 2004 bis 2005, eine Frau als Parteivorsitzende hatte. Die gebürtige Oberösterreicherin Susanne Riess war bis dato auch die einzige Vizekanzlerin in Österreich. Die erste Parteichefin unseres Landes kam übrigens auch ursprünglich aus den Reihen der Blauen - Heide Schmidt, die sich 1993 mit dem Liberalen Forum von der FPÖ abspaltete.
Schaut man sich die aktuelle Regierung an, dann fällt der hohe Frauenanteil in Ministerämtern auf. Fünf der 13 Ministerposten werden von Frauen bekleidet. Und erstmalig ist auch das Nationalratspräsidium mehrheitlich in weiblicher Hand - mit der zweiten Präsidentin Doris Bures und der dritten Präsidentin Anneliese Kitzmüller. Im Vergleich zur Mandatsverteilung in den jeweiligen Klubs, ist der hohe Prozentsatz an Frauen in politischen Führungspositionen in der jetzigen Regierung beachtenswert. Unter den insgesamt 51 FPÖ-Mandataren im Parlamentsklub, sind nämlich nur zwölf Frauen. Beim Koalitionspartner ÖVP sind es 22 Frauen und 39 Männer. Tatsächlich halbe-halbe bei den Mandaten schaffen nur die NEOS, die mit Beate Meinl-Reisinger auch eine Frau als Chefin haben. Neben der SPÖ und den NEOS hat die ehemalige Liste Pilz jetzt ebenfalls eine Parteiobfrau, Maria Stern.
Politische Gleichberechtigung?
Trotzdem ist Politik in der Gesamtbetrachtung nach wie vor eine männliche Domäne und das hat viele Gründe und beginnt meist schon auf Kommunalebene. Nur 160 Frauen besetzen derzeit das oberste Amt ihrer Gemeinde, dem gegenüber stehen 1.940 Bürgermeister in Österreich. Doris Bures brachte es in einer Rede zum Internationalen Frauentag auf den Punkt: "In Österreich gibt es heute mehr Bürgermeister, die den Vornamen Josef tragen, als es Bürgermeisterinnen gibt!" Bei den Landeshauptleuten findet man gar nur eine Frau im Amt, Johanna Mikl-Leitner von der ÖVP. Das wundert umso mehr, wenn man bedenkt, dass die ÖVP die einzige Partei ist, die noch nie eine Chefin hatte. Kanzler Kurz fällt hoffentlich nicht vom Glauben ab angesichts der Tatsache, dass die gesamte Opposition fest in weiblicher Hand ist.
Solidarisches Schweigen?
Wir baten die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, die dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller, die Bundesministerinnen Kneissl, Köstinger, Bogner-Strauß, Schramböck und Hartinger-Klein sowie die Vorsitzenden der Opposition - Rendi-Wagner, Meinl-Reisinger und Stern wiederholt um Interviews für diese Geschichte. Die löbliche Ausnahme bildeten Sozial-und Gesundheitsministerin Mag. Beate Hartinger-Klein und Anneliese Kitzmüller, als dritte NR-Präsidentin vom Rang her die zweitwichtigste Frau der Republik. Den anderen Damen sei ins Stammbuch geschrieben: Mit Schweigen zu wichtigen (Frauen-)Themen, dient keine Politikerin den berechtigten Anliegen der Frauen - dann nützt es auch nichts an einem Tag im Jahr Frauensolidarität zu feiern.
Vier Fragen an Bundesministerin Beate Hartinger-Klein, die mit den Bereichen Gesundheit, Arbeit, Soziales, Tier- und Konsumentenschutz das größte Ressort in der Regierung über hat.
Welche Eigenschaften sind nötig, um als Frau in der Politik erfolgreich zu sein?
Der Mut zur Veränderung ist für mich eine Grundvoraussetzung, um erfolgreich Politik machen zu können. Auch ein gewisses Durchsetzungsvermögen und zu seiner Meinung stehen. Das bedeutet aber nicht, dass man verbissen an etwas festhalten soll. Auf jeden Fall gehört ein gewisses Fingerspitzengefühl dazu, sowohl für das politische Umfeld als auch für die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.
Ihr Tipp für Frauen, die sich politisch engagieren wollen.
Hartnäckig sein, sich nicht beirren lassen und an den Zielen festhalten. Das gilt aber nicht nur für den politischen Bereich, Frauen sollten sich generell mehr zutrauen.
Am 8. März ist Internationaler Weltfrauentag - wo sehen Sie Handlungsbedarf, wo gibt es immer noch Defizite?
Leider klafft die Schere zwischen Mann und Frau gerade bei Karrierechancen und auch bei den Einkommen noch immer sehr weit auseinander. Oft mangelt es auch an Wertschätzung für die Leistung, die Frauen in vielen Bereichen erbringen. Ich denke da etwa an die Pflege. Es ist mir ein besonderes Anliegen, strukturellen Benachteiligungen, etwa durch eine hohe Teilzeitbeschäftigungsquote, entgegenzuwirken und damit Verbesserungen für Frauen zu schaffen.
Wodurch unterscheiden sich männliche und weibliche Politiker?
Frauen haben einen anderen Zugang zu Politik. Da geht es nicht um Macht, sondern um Veränderung. Gerade in meinem Ressort beschäftige ich mich mit Menschen sozusagen von der Wiege bis zur Bahre, das heißt, mein Aufgabengebiet deckt alle Lebensbereiche ab. Das Regierungsprogramm umzusetzen, ist eine große politische Aufgabe. Wobei, bei dieser Fülle an Themen, hätte es ein Mann auch nicht leichter. In einem Punkt haben es männliche Politiker aber tatsächlich einfacher: sie werden so gut wie nie an ihrer Kleidung oder Frisur gemessen, da zählen nur Fakten.
Polit-Talk
Ein Thema - zwei Meinungen
alles roger? bat zwei österreichische Politiker unabhängig voneinander zum Interview und wollte ihre Meinung zum Thema Frauen in der Politik erfahren: Aus weiblicher Sicht betrachtet von der dritten Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller (FPÖ) - aus Männersicht vom blauen Generalsekretär Christian Hafenecker, der vor einiger Zeit mit seinem Zwischenruf bei der Antrittsrede der NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger für Aufregung im Hohen Haus sorgte.
Sehen Sie generell einen Unterschied zwischen männlicher und weiblicher Politik beziehungsweise männlichen und weiblichen Politikern?
Anneliese Kitzmüller: Das würde ich nicht sagen. Weibliche Politiker werden teilweise nur nicht so deutlich wahrgenommen wie männliche, da sie tendenziell ruhiger sind. Oftmals sind sie überlegter und äußern sich eher nur, wenn sie das Gefühl haben, sich wirklich gut auszukennen, während Männer in dieser Hinsicht weniger Scheu haben und sich öfter zu Wort melden. Ansonsten ist es wie in jedem anderen Metier, was zählt sind Motivation, Leistung und Ergebnisse.
Ziehen sich Frauen (Politikerinnen) gerne auf ihr Frau sein zurück, wenn sie angegriffen werden, also etwa im Parlament bei einer Rede?
So scheint es vielleicht. Eher sind es oftmals die Gesellschaft oder die Medien, die gerade jetzt - befeuert durch die "MeToo"-Debatte - diese Tatsache besonders hervorheben. Auch kommen persönliche Angriffe eher selten vor. Das Klima ist doch zumeist ein sehr sachliches und professionelles. In den Schlagzeilen landen aber immer die wenigen Ausschnitte eines Plenartages, in denen es wirklich einmal hitziger wird.
Wie erklären Sie sich, dass nur ein Drittel der Abgeordneten im Parlament weiblich sind?
Die Listenerstellung und die endgültige Wahlarithmetik hängen von vielerlei Faktoren ab, aber desto erstaunlicher ist es doch, dass im Nationalratspräsidium im Gegensatz nur ein Drittel der Präsidenten männlich ist.
Ist die Spitzenpolitik eher frauenfeindlich? Und wenn ja, warum?
Ich finde nicht, dass die Spitzenpolitik frauenfeindlich ist. Und derzeit kommen ja auch immer mehr Frauen in Spitzenpositionen. Von 13 Ministerien sind derzeit fünf von Frauen besetzt, bei der Vorgängerregierung unter einem SPÖ-Kanzler waren es nur zwei. Eher ist es vielleicht so, dass Spitzenpositionen - ob in der Politik oder Wirtschaft - eher dadurch familienfeindlich sind; durch lange Arbeitszeiten und Terminbelastungen - sowohl für Frauen, als auch für Männer.
Wie kann man Frauen mehr Mut zur Übernahme von verantwortungsvollen Funktionen machen, politisch aktiver zu werden? Sind Frauenförderpläne eine Lösung?
Dass man Frauen da heutzutage noch besonders Mut machen muss, kann ich mir nicht vorstellen. Sie drängen vielleicht nicht unbedingt so in den Vordergrund, aber verantwortungsvolle Positionen haben nicht unbedingt etwas damit zu tun. Schließlich waren Frauen schon vor der Einführung des Frauenwahlrechts vor gut 100 Jahren politisch aktiv und erstritten sich ihre Rechte. In einer Gesellschaft wie der unseren, wo Männer und Frauen gleichberechtigt sind und sich nach ihren Wünschen und Kompetenzen verwirklichen können, braucht es keine speziellen Förderprogramme.
Braucht es eine Quote?
Nein. Eine Quote wäre ja auch keine Lösung und dem demokratischen Prozess nicht zuträglich. Vor allem würde sich dann die Frage stellen, ob nicht andere Bevölkerungsgruppen, die derzeit unterrepräsentiert sind, wie Pensionisten oder Personen unter 30 Jahren, auch solche zustehen würden.
Provokant gefragt: Gehören Frauen ins Hohe Haus? Sind sie stark genug um dort Politik zu machen?
Wie Sie sehen!
Sehen Sie generell einen Unterschied zwischen männlicher und weiblicher Politik bzw. männlichen und weiblichen Politikern?
Christian Hafenecker: Ich glaube, dass die Damen in der Politik oft mehr Ellbogen einsetzen müssen. Einfach deswegen, weil die Politik sehr stark männlich dominiert ist. Das hat verschiedene Gründe. Frauen setzen manchmal auch ganz bewusst auf die Sexismuskarte - und das werfe ich ihnen schon vor. Man will immer gleichberechtigt wahrgenommen werden, aber wenn dann alle Stricke reißen, gibt es doch wieder die Sexismuskarte.
Ziehen sich Frauen (Politikerinnen) gerne auf ihr Frau sein zurück, wenn sie angegriffen werden, also etwa im Parlament bei einer Rede?
Das kommt schon oft vor, wenn sie einfach keine politischen Themen haben. Es ist grundsätzlich zu hinterfragen ob diese ganze "MeToo"-Bewegung, ob das in die richtige Richtung führt. Ich kenne Firmenchefs, die steigen nicht mehr alleine mit einer Frau in den Aufzug ein.
Tatsächlich ist nur ein Drittel der 183 Nationalratsabgeordneten weiblich. Kann man sagen, dass eher links gerichtete Parteien mehr Frauen in ihren Reihen haben?
Ich glaube, man darf da nicht so mit dem Lineal drüber gehen. Auf der anderen Seite hat die FPÖ zwei weibliche Regierungsmitglieder und im Vergleich zur SPÖ, die das abfeiert, dass Frau Rendi-Wagner jetzt die erste Frau als Vorsitzende ist, hatten wir schon zwei Bundesvorsitzende. Von den relevanten Parteien ist es die FPÖ, die das schon in den 1990er- und 2000er-Jahren vorgezeigt hat - mit Suanne Riess und Ursula Haubner.
Ist Spitzenpolitik eher frauenfeindlich? Und wenn ja, warum?
Ich glaube, es ist nicht nur die Spitzenpolitik frauenfeindlich, sondern die Politik generell. Wenn eine Frau Kinder hat, tut sie sich einfach schwer, Abendtermine wahrzunehmen. Da ist viel Präsenz gefragt, gerade im ländlichen Bereich, viele Lokalbesuche etwa. Das ist oft mit Beruf und Familie nicht kompatibel, speziell für Frauen und führt dazu, dass Frauen in der Kommunalpolitik weniger Fuß fassen.
Wie könnte man das ändern?
Es müsste einen politischen Grundkonsens darüber geben, dass man generell überlegt, ob der Politiker rund um die Uhr präsent sein muss. Oder ob es auch Rückzugsmöglichkeiten für Politiker und Politikerinnen gibt und man es zur politischen Usance macht, dass es auch normal ist, Zeit für die Familie zu haben. Ich habe selbst drei Kinder zu Hause und als Generalsekretär ist man zeitmäßig natürlich entsprechend eingeteilt. Da denkt man, eigentlich ist es fast unfair der Familie gegenüber, dass man für sie die wenigste Zeit aufbringen kann. Wenn man sich für Politik entscheidet und Familie hat, dann braucht man einen Partner, der das zu tausend Prozent unterstützt und wirklich Arbeit abnimmt. Halbe-halbe geht als Politiker nicht, das muss dem Partner bewusst sein.
Braucht es eine Quote?
Ich bin ein Gegner von Quoten, weil ich der Meinung bin, dass eine Quote eigentlich diskriminierend wirkt. Im Prinzip macht man die Frau damit zum Opfer, wenn sie Quotenfrau ist. Das ist der falsche Ansatz. Es sollte um Qualifikation und Qualität gehen, in jedem Job.
Gehören Frauen ins Hohe Haus?
Absolut. Vor allem gibt es - und das soll nicht falsch interpretiert werden - Themenbereiche, wo ich mir als Mann einfach schwerer tue, die zu argumentieren. Wenn ich als Generalsekretär rausgehe und über Gleichbehandlung oder Sozialthemen spreche, dann wirkt das bei einem Mann unbeholfen im Vergleich dazu, wenn es eine Frau macht. Es lässt sich sogar nachweisen, dass es der Wähler anders aufnimmt und auch die Zeitungen anders darüber berichten.