Die Röcke werden kürzer, die Dekolletés tiefer, die Shirts enger und die Augen größer. Mit den Temperaturen steigt die Libido. So wie die Natur, erwacht auch unsere Sexualität und viele sind im Flirt-Modus. Was dahintersteckt, erklären für alles roger? der Hormonspezialist Johannes Huber und die Sexologin Sabine Sonnenschein.
Text: Martina Bauer
Sobald die Tage länger werden und die Sonnenstrahlen auf der Haut prickeln, spielen die Hormone verrückt. Es scheint oft nur mehr um eines zu gehen: um Sex. Und das ist auch tatsächlich so. Warum, das erklärt der Wiener Hormonspezialist Johannes Huber gegenüber alles roger?: "Vielleicht ist das eine brutale Sicht, aber von Seiten der Evolution dreht sich alles um die Erhaltung der Art. Wenn die Tage länger werden, steigen Östrogen und Testosteron an. Das Schlaf- oder Winterhormon Melatonin wird unterdrückt und dadurch fangen die Keimdrüsen stärker zu arbeiten an. Die Libido steigt." Das ist bei uns nicht anders als bei den Säugetieren, wobei der Mensch das dank der Großhirnrinde besser steuern kann. Also viele jedenfalls.
Sonne und Sexualtrieb
Dem aber nicht genug, gibt's noch weitere Ursachen für den gesteigerten Sexualtrieb. Das Vitamin D zum Beispiel. "Mit der verstärkten UV-Strahlung steigt der Vitamin-D-Spiegel und der hat einen starken Impuls auf das Testosteron. Sowohl beim Mann als auch bei der Frau. Das ist eine weitere Achse zwischen Licht und Libido. Hinzu kommt die Absonderung von Signalen unserer Hautdrüsen. Wenn man weniger anhat, kann man die Pheromone besser wahrnehmen, und auch das dient zur Partnergewinnung", so Huber. Letzteres wird ihm zwar nicht jeder unterschreiben, der zur warmen Jahreszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, aber grundsätzlich ist das in der Evolution eben so verankert.
Mit dem Erwachen des Sexualtriebes erwachen für viele Menschen aber auch Probleme. Nicht alle können, wie sie wollen, und wieder andere können, wollen aber nicht (mehr). Manche dieser beiden Gruppen führt der Weg dann zur Sexologin. Sabine Sonnenschein ist eine solche und alles roger? stattete ihr einen Besuch ab.
Sexologin hilft beim Flirten
Schwere weinrote Samtvorhänge und schwulstige Dekorationen finden sich anderswo. Das Studio von Sonnenschein ist puristisch und sauber. Man wähnt sich eher in einem Raum, wo Yoga unterrichtet wird, und so weit liegt man damit gar nicht daneben. Sex spielt sich zwar zu einem guten Teil im Hirn ab, aber ausgeführt wird er allemal noch mit dem Körper, und über dessen richtigen Einsatz wissen gar viele nicht Bescheid. Ungeachtet des Alters und der Erfahrung, die mit noch so vielen Liebschaften zu Buche schlagen kann. Körperbewusstsein kann man aber lernen, nicht zuletzt mit Atemtechniken.
Auch für Sabine Sonnenschein ist klar: "Im Frühling ist die Innenschau vorbei, da wird dann wieder mehr dem anderen Geschlecht hinterhergeschaut. Und damit es nicht beim Schauen bleibt, holen sich viele Menschen Tipps von mir. Die, die zu schüchtern sind zum Flirten, die mit dem nächsten Schritt Probleme haben, denen im heimischen Ehebett langweilig geworden ist oder jene, für die der Spaß oft schon vorbei ist, bevor er begonnen hat, also Männer, die unter Erektionsproblemen oder frühzeitiger Ejakulation leiden."
Junge Männer wollen lernen
So wie beim Sport ist der Körper auch bei der Sexualität trainierbar, zumal auch die nach Mustern abläuft. "So wie der Mensch bei der Selbstliebe agiert, so verhält er sich dann meist auch im Bett mit dem Partner. Das bedenken vor allem viele Männer nicht, die es mit sich oft eilig haben", so Sonnenschein.
Aber all das ist ja bei der Erstbegegnung - meist - noch kein Thema. Da geht's mal darum, sich dem anderen Geschlecht zu nähern. Verführung heißt die Kunst der Stunde. Und auch die kann man lernen. "Jemand, der sich selbst nicht begehrenswert oder attraktiv findet, tut sich schwer, überhaupt ins Spiel zu kommen. Das, was man ausstrahlt, ist die Basis. Dabei spielt natürlich auch die Körperhaltung eine große Rolle", erklärt die Sexologin, die in Sachen Flirts weiterhilft. Bisher haben dieses Angebot allerdings nur Männer zwischen 20 und 30 in Anspruch genommen. Ihrer Meinung nach brauchen das Frauen nicht so, weil die ohnehin wählen können. Mit einem Mann, an dem sie tatsächlich sehr interessiert sind, souverän zu flirten, ohne zu stark das tatsächliche Interesse zu zeigen, ist aber auch eine Kunst.
Der große Unterschied
Es sollte allerdings die richtige Wahl sein, denn nicht nur die sexualtherapeutisch Ausgebildete weiß, dass bei Frauen meist die Emotion und das Thema Liebe im Vordergrund stehen, während der Mann nicht wahnsinnig verliebt sein muss, um mit einer Frau Sex zu haben. Nicht jeder, der flirtet, ist aber auf eine Beziehung aus. Dessen sollte man sich bewusst sein, um Herzschmerzen zu vermeiden.
One-Night-Stands sind für Männer also viel unproblematischer als für Frauen und das liegt nicht nur daran, dass Frauen emotionaler sind. "Frauen sollten sich eher die Frage stellen, wem sie sich öffnen, denn sie nehmen beim Geschlechtsakt viel auf, und diese Energie tragen sie dann lange mit sich herum. Für Männer stellt sich dieses Problem naturgemäß nicht. Sie geben etwas ab und sind dann oft einfach dahin. Darum ist es ratsam, wenn die Frau in das reinspürt, worauf sie sich einlässt", sagt die Expertin dazu.
Dem Flirten muss das dennoch keinen Abbruch tun. Ganz im Gegenteil: ein Flirt kann das Selbstwertgefühl steigern und jede Menge Glückshormone freisetzen. Bei denen muss man sich zumindest am nächsten Morgen nicht überlegen, wie man sie galant aber bestimmt aus dem Bett bekommt, oder wie sie zu halten wären. Ein guter Flirt ist auf jeden Fall befriedigender als schlechter Sex ...