Sozialversicherungsbeiträge sind keine Pflicht, sondern Zwang. Ein Zwang, der vielen Unternehmern, vor allem aber Neuen Selbstständigen oft die Existenz kostet. Jene, die es schaffen finanziell zu überleben, tun das oft am Rande des Existenzminimums. alles roger? hat das System der Sozialversicherung unter die Lupe genommen und herausgefunden, warum das so ist. Das System an sich und die Ungerechtigkeit der Beitragsgrundlagen sind die größten Übel.
Text: Martina Bauer
Die SVA bringt mich um!" - Ein viel gesprochener Satz von Unternehmern oder Neuen Selbstständigen, die ums finanzielle Überleben kämpfen und diesen Kampf oft verlieren. Vor allem kleine und mittlere Betriebe, sogenannte KMUs, sowie die Neuen Selbstständigen (oftmals Vortragende, Künstler, Sachverständige, Aufsichtsräte, Journalisten, Schriftsteller und Personen, die Gesundheitsberufe selbstständig ausüben, wie Krankenpfleger, Hebammen, Energetiker und andere) haben die größte Last zu tragen. Sie werden richtiggehend abgezockt. Viel-Verdiener können sich, angesichts der vergleichsweise niedrigen Abgaben aufgrund der Deckelung, vor lauter Lachen auf die Schenkel klopfen. An dieser Stelle ein kleines Beispiel, das Sie im Kasten mit detaillierten Berechnungen aufgeschlüsselt finden.
Gewinner und Verlierer
Zum Beispiel ein Selbstständiger mit einem Gewinn von 31.000 Euro, zahlt im Jahr 8.223,96 an die SVA. Jemand mit einem Gewinn von 73.080 Euro, also der höchsten Bemessungsgrundlage, zahlt pro Jahr 18.999 Euro. Ein Selbstständiger mit einem Gewinn von 200.000 Euro zahlt auch 18.999 Euro. Das bedeutet, dass der mit dem geringsten Gewinn die schwerste Belastung zu tragen hat. Er bezahlt nämlich 26,5 Prozent von dem was ihm bleiben würde. Bei dem mit der höchsten Bemessungsgrundlage sind es 25,9 Prozent und der mit 200.000 Gewinn bezahlt nur mehr 9,5 Prozent von seinem Gewinn. Wer eine Million Gewinn macht, berappt davon lächerliche 5,2 (!) Prozent an die SVA. Voll versicherungspflichtig ist auch jemand, der einen Gewinn mit der niedrigsten Bemessungsgrundlage, nämlich nur 5.361,72 Euro, macht. Diese Zahlen sprechen Bände, aus denen jeder selber lesen kann ... Jene, die also am meisten verdienen und sich damit leichter tun würden, Zahlungen zu leisten, sind mit Abstand die am meisten Begünstigten im System. Die Kleinstverdiener werden abgezockt. Anders kann man es nicht formulieren. Hinzu kommen 20 Prozent Selbstbehalt bei Arztbesuchen.
Manche glauben ja, dass es den unselbstständigen Dienstnehmern viel besser geht, aber das ist nur vermeintlich so. Sie zahlen immerhin in Summe 41,23 Prozent, allerdings inklusive Arbeitslosenversicherungsbeiträge. Die bezahlen Selbstständige nicht, dafür bekommen sie auch nichts im Krisenfall. Diese 41,23 Prozent schlüsseln sich wie folgt auf: 19,21 Prozent muss der Dienstgeber an Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung sowie Mitarbeitervorsorgekasse zahlen. Hinzu kommen 3,9 Prozent Nebenbeiträge. Der Dienstnehmer berappt an die Gebietskrankenkasse (GKK) für Kranken- und Pensionsversicherung 14,07 Prozent plus vier Prozent Nebenbeiträge. In Summe also 41,23 Prozent. Das sind beachtliche Summen, die den Arbeitnehmern nicht nur am Lohnzettel, sondern auch ganz real von der Haushaltskassa abgenommen werden.
Das dicke Ende kommt zum Schluss
"Das sind Wucherer!" - ist noch eine wohlwollende Formulierung, die angesichts dessen vielen über die Lippen kommt, die ihr hart verdientes Geld nicht mal erst zu Gesicht bekommen. Anders ist das bei Gründern oder jenen, die sich grad selbstständig gemacht haben. Manche freiwillig, andere, weil man ihnen keine Wahl gelassen hat. Oft sind es Journalisten, für die es heißt "frei" oder gar nicht. Handwerker, die man aus der Arbeitslosenversorgung ins Unternehmertum gedrängt hat, wissentlich, dass sie dort scheitern werden, weil sie zwar großes handwerkliches Talent haben, aber keinerlei wirtschaftliche Ausbildung. Sie alle bekommen ihr Geld zu Gesicht, nach drei Jahren kommt aber der Schlag mit der großen Keule: die Nachberechnung der SVA!
Viele trifft das völlig unvermutet. Ob sie nun davon wissen oder nicht, macht oft keinen großen Unterschied. Das sauer verdiente Geld geht meist für die Schulden drauf, die so eine Gründung naturgemäß mit sich bringt. Nach drei Jahren sind die selten bereits abgestottert, auf der berühmten "hohen Kante" liegt genau gar nichts, und just dann kommt die SVA und will "ihr" Geld. Denn in den ersten drei Jahren sind die Sozialversicherungsbeiträge gering. "Verkauft" wird dieses Berechnungssystem als wohlwollende Hilfestellung. Doch dann kommt die große Nachzahlung und die Neuberechnung. Für viele Unternehmer bedeutet das das Aus. Ganz einfach deshalb, weil sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation nicht in der Lage waren, das nötige Geld anzusparen. Darum schert sich bei der SVA aber niemand, die Sozialversicherungsanstalt ist berühmt-berüchtigt dafür, dass bei Schulden sofort Konkursantrag gestellt wird.
Keine Reaktion von offizieller Stelle
Statistisch sieht das dann so aus: Die Überlebensraten einer Gründungskohorte sinken nach drei Jahren auf 62,3 Prozent und nach vier Jahren auf 55,5 Prozent. Wobei diese Statistik natürlich ein Durchschnittswert ist. Die höchste Überlebensrate haben - welch Überraschung - Energieversorger, gefolgt von Wasserversorgung und Abfallentsorgung sowie Betriebe für Grundstücks- und Wohnwesen. Viel weniger gut sieht es für sonstige wirtschaftliche Dienstleister aus, Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe sowie jene Personen, die im Gesundheits- und Sozialwesen tätig sind. Sie schneiden bei den Fünfjahresüberlebensraten am schlechtesten ab. Die Daten stammen von der Statistik Austria.
Grundsätzlich gilt, dass es für die mit der schlechtesten Lobby, oder gar keiner, wie bei den Neuen Selbstständigen, nicht so rosig aussieht. Aber auch für jene mit Lobby, also Wirtschaftskammermitglieder, ist es nicht immer ganz einfach. Das liegt daran, dass ihr oberster "Interessensvertreter", WKO-Präsident Harald Mahrer, in Personalunion auch Obmann der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft ist. Ja, in Österreich ist gar viel Kurioses möglich. Auch das! Wenn also ein Wirtschaftstreibender Probleme mit der SVA hat, wendet er sich am besten gleich direkt an "seinen" Präsidenten. Da ist er dann bestimmt in guten Händen. Nebst vielen anderen "Geschäften", die Multitalent Mahrer ausführt, ist er auch Präsident des Generalrats der Österreichischen Nationalbank, aber das tut hier nichts zur Sache. Fast schon selbstredend und nur allzu verständlich, dass er bei so vielen Aktivitäten keine Zeit fand, auf die Fragen, die ihm alles roger? in Bezug auf diesen Bericht gesendet hat, zu antworten. Mahrer war im Ausland ... Aber auch im Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz fand man in eineinhalb Wochen keine Zeit, sich unserer Fragen anzunehmen und vertröstete von Tag zu Tag. Sollte man sich dort in den nächsten Wochen doch mit diesen Fragen, die sehr vielen Österreichern auf der Seele brennen, befassen, reichen wir die Antworten natürlich an Sie, liebe Leser, weiter.