Früher wuchtete er sich mit schweren Gewichten in die Schlagzeilen. Heute macht er das sanfter: mit Noten und seiner Stimme. Matthias Steiner, der emotionale Olympiasieger im Gewichtheben macht nun mit deutschen Liedern auf sich aufmerksam. alles roger? traf den Neo-Sänger zum Interview.
Text: Martina Bauer
Sehen Sie sich auf den Spuren von Hansi Hinterseer?
Ich sehe mich nicht auf seinen Spuren. Er war zwar wie ich früher Sportler, aber er ist ein ganz anderer Entertainer. Außerdem gibt es viele singende Ex-Sportler. Howard Carpendale zum Beispiel war Kugelstoßer und Julio Iglesias mal Tormann von Real Madrid.
Die Nummern "Heut wer'n ma's reiss'n" und "Treff' ma uns in der Mitt'n" klingen wie der
Versuch eines Deutschen, der versucht Österreichisch zu sprechen.
"Treff' ma uns in der Mitt'n" ist ja eine Coverversion der Zillertaler Schürzenjäger. Die singen das auch so. Die zwei Nummern haben eher eine Einfärbung durch meine Wurzeln.
Also ein Zugeständnis ans Heimatland?
Ja, ich will und kann es gar nicht verbergen, dass ich Österreicher bin. Ich spreche ja Schriftsprache und nicht Hochdeutsch wie andere Deutsche. Bei diesen Titeln musste ich mich am wenigsten verstellen.
Apropos Heimat. Haben Sie eine Doppelstaatsbürgerschaft, und was verbindet Sie noch mit Österreich?
Ich habe keine Doppelstaatsbürgerschaft. Das wäre damals kompliziert gewesen, und es war mir auch egal, was letztendlich im Pass steht. Mit der Heimat verbinden mich meine Familie und die Freunde. Ich habe 22 Jahre hier gelebt und ich hab' das Gewichtheben hier gelernt. Da sind ganz viele Verbindungen.
Was vermissen Sie an Österreich?
Das Wiener Schnitzel, aber es gibt ein paar Adressen, wo ich das in Deutschland auch finde. Soße brauche ich keine drauf (lacht). Manchmal vermisse ich auch eine Spur die Gemütlichkeit.
Nun zu Ihrem Album "Zurückgeliebt". Nach welchen Kriterien wurden die Stilrichtungen der Songs (Pop, Rock, Schlager) bestimmt? Wie weit ging Ihr Einfluss bei der Musik?
Ich habe mir die Titel ausgesucht, die zu mir passen. Instrumental war mein Einfluss groß. Es gab im Studio einfach keine Eitelkeiten. Der Komponist hat Vorschläge gemacht und dann habe ich gesagt, wo welche Instrumente hinkommen. Die Musik wurde von großartigen Musikern aus der Hamburger Szene live eingespielt.
Welche Musik hören Sie gerne?
Die erste Kassette war von Queen, die erste CD von Guns N' Roses. Hard Rock mit viel Melodie, das mag ich, auch Bon Jovi, ansonsten gute Musik aus dem Radio.
Die Texte schreiben Sie ja nicht selbst, dennoch sind sie sehr persönlich. Machen Sie die Vorgaben oder kennt Sie der Texter so gut, dass er genau weiß, was Sie bewegt?
Tatsächlich hat mich mein Texter, der auch "Treff' ma uns in da Mitt'n" für die Zillertaler geschrieben hat, in den zwei Jahren, in denen wir an dem Album gearbeitet haben, sehr gut kennengelernt. Das ist einfach gewachsen.
"Schuld ist immer nur der Trainer" hat als einzige Nummer Ballermann-Potenzial. Ist das Kalkül oder Zufall?
Es ist insofern Absicht, da es eine Fußballnummer sein soll, die man im Stadion mitsingen kann. Trotz Humor und Augenzwinkern soll es aber auch spiegeln, dass man mal bei sich schauen und nicht gleich beim Nächsten die Schuld suchen soll.
Sind Sie Fußballfan?
Ja, vom FC Bayern.
Und in Österreich?
(Lacht) Vom FC Bayern.
Es wird Ihnen nicht plötzlich eingefallen sein, dass Sie Sänger werden könnten. Welche Vorgeschichte hat dieser Schritt?
Meinen ersten öffentlichen Auftritt hatte ich bei einer Feier in meinem Heimatort Obersulz am Klavier. Ich habe also immer schon musiziert und auch gerne gesungen. Das kam nicht über Nacht.
Was machen Sie derzeit noch, neben der Musik?
Ich schreibe Ernährungsbücher, zudem habe ich ein Online-Fitnessprogramm entwickelt, halte Lesungen und Motivationsvorträge, vertrete Diabetes-Typ-1-Patienten bei Ärztekongressen und bin Testimonial bei Philips für Küchenprodukte. Es ist also genug zu tun.
Sie sind verheiratet und haben ja auch zwei Buben.
Genau, mit denen verbringe ich natürlich auch so viel Zeit wie möglich.
Wie viel genau haben Sie abgenommen?
Ich hatte als Kampfsportgewicht 150 Kilo, jetzt habe ich 105.
Die 105 Kilo sieht man aber nicht.
Na ja (greift sich auf den Oberschenkel, Anm. d. Red), da schon. Ich bin ja nur 1,83 m groß. Wahrscheinlich habe ich schwere Knochen.
War das Abnehmen schwer?
Nein, das Gewicht hatte ich ja auch 2004, erst danach habe ich so viel zugenommen, wegen der Gewichtsklassenänderung. Das war schwerer. Mit dem "Steiner Prinzip" ist das Abnehmen nicht schwer.
Das Steiner Prinzip - so heißen ja Ihre Bücher und Ihr Online-Programm.
Genau, und da beschreibe ich, worauf es beim Abnehmen und Sich-in-seinem-Körper-Wohlfühlen ankommt. Diäten bringen nämlich nicht viel außer dem Jojo-Effekt. Man muss seinen Körper kennen und die Nahrungsmittel, dann klappt das.
Ihre Vita könnte auch ganz gut als Drehbuch für einen Film durchgehen. Ist Schauspielerei auch ein Thema?
Nein, damit habe ich mich noch nicht beschäftigt.
Ist Singen die Endstation Sehnsucht?
Mit dem Singen habe ich noch eine große Sehnsucht vor mir. Ich freu' mich unheimlich auf Live-Auftritte und Konzerte. Dafür brauche ich auch eine Band. Da gibt es genug Sehnsucht und Leidenschaft, um mich damit auszufüllen.
Bleibt noch Zeit für Hobbys?
Nicht viel, aber ich liebe Gartenarbeit, am besten in einem schönen, wilden Garten, wo ich mit einem kleinen Traktor rumfuhrwerken kann. Holzmachen ist auch was Schönes. Überhaupt mag ich das Landleben, weil es immer mit Bewegung im Freien verbunden ist.